Niedrigzinsen zehren am Kapitalpolster: Deutsche Lebensversicherer unter Druck
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Niedrigzinsen zehren am KapitalpolsterDeutsche Lebensversicherer unter Druck
Die deutsche Finanzaufsicht will Lebensversicherern „verstärkt auf die Finger schauen“: Die Unternehmen haben Probleme, geforderte Kapitalpolster zu stellen. Vor allem die Niedrigzinsen belasten.
10.08.2016 - 08:13 Uhr
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Bafin
Die deutsche Finanzaufsicht sieht mit Sorge die Probleme der deutschen Lebensversicherer beim geforderten Eigenkapital.
München Die Dauer-Niedrigzinsen und die wackligen Kapitalmärkte lasten schwer auf den deutschen Lebensversicherern. Die Solvabilitätsquote der 84 Unternehmen der Branche brach in den ersten drei Monaten des Jahres von 283 auf 209 Prozent ein, wie die Finanzaufsicht Bafin am Dienstag in Bonn mitteilte.
Ohne die Übergangsregelungen, die den Unternehmen die Umstellung auf das neue EU-Eigenkapital-Regelwerk „Solvency II“ erleichtern sollen, hätten den Lebensversicherern Ende März 12,3 Milliarden Euro an Eigenmitteln gefehlt, um ihren Zusagen an die Kunden nachkommen zu können. Ende 2015 waren es nur 3,5 Milliarden.
Ein Lebensversicherer habe sogar kurzfristig eine Kapitalspritze gebraucht, um die Solvency-II-Mindestquote von 100 Prozent zu erfüllen, erklärte die Bafin. Zwei weitere lagen ebenfalls unter den Anforderungen. Spätestens Ende 2017 müssen alle Versicherer die Vorgaben erfüllen. Mehr als die Hälfte der deutschen Lebensversicherer nutzt Übergangsregeln.
Die verschiedenen Zinsbegriffe der Lebensversicherung
Sie bezeichnet alle Erträge, die Lebensversicherer Kunden über die garantierte Verzinsung hinaus gutschreiben. Die Höhe hängt vom Anlageerfolg des Versicherers am Kapitalmarkt ab, vom Risikogewinn und dem Kostengewinn.
Risikogewinne erzielen Versicherer dann, wenn sie Sterblichkeitsrisiken zu hoch einkalkuliert haben. Der Begriff Überschussbeteiligung wird manchmal synonym für laufende Verzinsung verwendet.
Sie bezeichnet streng genommen Garantieverzinsung plus Überschussbeteiligung und wird jährlich gutgeschrieben. Versicherer veröffentlichen einmal im Jahr einen Durchschnittswert.
Kunden, die Altverträge halten, deren Garantieverzinsung über der laufenden Verzinsung liegt, bekommen die Garantieverzinsung gutgeschrieben.
Sie setzt sich aus laufender Verzinsung, den Anteilen an Kursgewinnen festverzinslicher Wertpapiere und Schlussgewinnen zusammen. Sie wird fällig, wenn der Vertrag ausläuft.
Nach den neuen Regeln orientiert sich der Kapitalbedarf der Versicherer an den Risiken, die in ihrem Geschäft stecken. Das lässt die Kapitalquoten deutlich stärker schwanken als in der Vergangenheit. Die niedrigen Zinsen belasteten die deutschen Lebensversicherer erheblich, erklärte Bafin-Exekutivdirektor Frank Grund. „In Zukunft werden sich einige Unternehmen (...) erheblich anstrengen müssen, bei anhaltender Niedrigzinsphase und sich sukzessive abbauender Wirkung der Übergangsmaßnahmen die Solvabilitätsanforderungen nachhaltig zu erfüllen.“ Die Bafin werde ihnen verstärkt auf die Finger schauen.
Bei den Schaden- und Unfallversicherern schwanken die Quoten deutlich weniger stark, weil sie ihren Kunden anders als viel Lebensversicherer keine langfristigen Garantien gegeben haben. Die durchschnittliche Solvency-II-Quote lag Ende März bei 280 Prozent. Zwei – nach Bafin-Angaben allerdings sehr kleine – von 186 Unternehmen der Sparte verfehlten die Mindestanforderungen. Anfang des Jahres waren es noch drei.
Die Rückversicherer standen Ende März im Schnitt mit einer Solvency-II-Quote von 320 Prozent besser da als die Erstversicherer. Fünf von 28 Rückversicherern wenden ganz oder teilweise ein internes Modell zur Bewertung ihrer Risiken an, das vom Standardansatz abweicht. Mit der Münchener Rück und der Hannover Rück kommen zwei der drei weltgrößten Rückversicherer aus Deutschland.