Strafermittlungen US-Justizministerium nimmt in Allianz-Ermittlungen Fondsmanager ins Visier

Der Allianz-Vorstand warnte Anfang August, dass die mit den Fonds verbundenen Angelegenheiten erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse haben könnten.
Frankfurt Die Finanzmarktturbulenzen zurzeit der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 ziehen Insidern zufolge möglicherweise Strafermittlungen bei einigen Allianz-Fondsmanagern nach sich. Das US-Justizministerium untersucht, ob die Fondsmanager den Investoren gegenüber das Risiko ihrer Anlagen verschleiert hatten, wie drei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Das Ministerium und die Allianz lehnten eine Stellungnahme zu den Ermittlungen ab.
Hintergrund der Untersuchungen ist ein Konflikt, den die Vermögensverwaltungs-Tochter Allianz Global Investors (AllianzGI) mit US-Investoren mehrerer Hedgefonds hat. Die unter dem Namen „Structured Alpha“ aufgelegten Fonds hatten Verluste verzeichnet, als die Märkte im ersten Corona-Schock in die Knie gingen. Pensionsfonds und andere Anleger klagen deshalb gegen die Allianz und machen Verluste von bis zu sechs Milliarden Dollar geltend.
Die Structured Alpha Strategie wurde von Allianz Global Investors (AGI) im Jahr 2005 speziell für den US-Markt geschaffen. Ziel ist es im Branchenjargon, Alpha über einer festgelegten Benchmark zu erzielen. Es gibt somit eine bestimmte Messlatte, die zu einem bestimmten Prozentsatz übertroffen werden soll.
Beim Produkt SA 500 sind das fünf Prozentpunkte, beim SA 1000 sind es zehn Prozentpunkte. Bei den Kunden handelt es sich gewöhnlich um wenige oder nur einen einzigen Investor, der mit einer großen Summe in den jeweiligen Fonds einsteigt. Dafür investierten und handelten die AGI-Fondsmanager Optionen, die versuchten, in einem technisch aufwendigen Prozess dem Auf und Ab der Märkte vorzugreifen.
Besonders zu Beginn der Coronakrise im Februar und März vergangenen Jahres ging diese Strategie allerdings nicht auf. Intern wurde die Entwicklung mancher Structured Alpha-Produkte gar als „ugly“, also hässlich, bezeichnet. Vor allem der SA 1000-Fonds, der zehn Prozentpunkte mehr Rendite als die Messlatte liefern sollte, war betroffen.
Fonds wurden vom Markt genommen
Dieser und der Tochterfonds SA 1000 plus wurden im Frühjahr vergangenen Jahres vom Markt genommen. Eine Hedgefonds-Strategie sei in dieser Zeit wegen der starken Marktschwankungen sehr schwierig gewesen, eine Restrukturierung nicht möglich, heißt es von AGI zur Begründung. Laut den Vertragsbedingungen können die Fonds liquidiert werden, wenn eine sehr starke Underperfomance auftritt. Genau das geschah.
Insgesamt sind im rund 600 Milliarden Dollar großen Gesamtportfolio der AGI rund zehn Milliarden Dollar in Structured Alpha-Fonds angelegt.
Der Allianz-Vorstand warnte Anfang August, dass die mit den Fonds verbundenen Angelegenheiten erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse haben könnten. Allianz-Chef Oliver Bäte sagte damals, es sei eine schreckliche Woche für ihn und den Versicherer. Die Vorfälle hätten nichts mit der Allianz-Kultur zu tun. Nicht alles sei perfekt gelaufen im Fondsmanagement, räumte er ein.
In Deutschland bekommt es die Allianz wegen des Streits um US-Hedgefonds mit der Finanzaufsicht Bafin zu tun. Mit einer schnellen Lösung der Probleme ist allerdings nicht zu rechnen. Sehr schnell bedeute in der Regel auch sehr teuer, sagte der Allianz-Chef Anfang August. Beobachter interpretierten diese Worte dahingehend, dass längere Verhandlungen zwischen den Juristen beider Seiten anstehen könnten, um für die Allianz mögliche Strafzahlungen entsprechend zu verringern.
Nach Berechnungen der Berenberg-Analysten – die die Allianz-Aktie zum Kauf empfehlen – drohen dem Versicherungskonzern aus München im schlimmsten Fall Schäden von bis zu 6,8 Milliarden Euro, wenn er alle Klagen verliert und zu Strafzahlungen verurteilt wird. Das entspricht in etwa dem gesamten Gewinn des vergangenen Jahres. „Es ist ein massiver Rückschlag für die Allianz“, sagte Ingo Speich, Leiter des Nachhaltigkeitsbereichs beim Allianz-Großaktionär Deka. „Das wirft die Frage auf, inwieweit die Allianz als Versicherer sich im Fondsgeschäft und mit komplizierten Produkten betätigen sollte.“
Anwälte werfen Allianz abrücken von Strategie vor
Kern des Streits mit dem Pensionsfonds aus Arkansas ist die Frage, ob die Fondsmanager alles getan haben, um Verluste zu vermeiden. „Der Hauptvorwurf ist, dass sie von ihrer Investmentstrategie abgerückt sind“, sagte der Anwalt eines Klägers bei einem Treffen mit einem Richter. „Sie haben gesagt, sie handeln nach der Strategie, haben es aber dann nicht getan.“ Im Februar 2020 hatte Allianz Global Investors in einer Präsentation über den Fonds mit einem Volumen von damals 15 Milliarden Dollar geschrieben, das Unternehmen sei auf schwere Marktturbulenzen vorbereitet. Ende März wurden zwei Fonds aufgelöst, die Ende 2019 noch zusammen auf einen Wert von 2,3 Milliarden Dollar gekommen waren.
Der Pensionsfonds aus Arkansas hatte im vergangenen Juli eine Klage eingereicht und fordert Entschädigungen in Höhe von 774 Millionen Dollar. Seit dem haben 25 weitere Investoren Klagen eingereicht. Überwiegend sind die Kläger US-Pensionsfonds, wie der Fonds der New Yorker Subway-Mitarbeiter und die Pensionskasse der Beamten aus Milwaukee. Nach der ersten Klage aus Arkansas hatte sich auch die US-Börsenaufsicht SEC eingeschaltet, die nun auch das Justizministerium eingeschaltet hat.
Im Februar 2021 hatten die Anwälte der Allianz angeführt, dass die Pensionsfonds sehr erfahrene Investoren seien, die über die spekulativen Anlagestrategien Bescheid wüssten. Sie könnten es sich leisten, ihr gesamtes Geld zu verlieren. Die Pensionskasse aus Arkansas, die Ende 2019 1,6 Milliarden Dollar in drei Alpha-Fonds angelegt hatte, wechselte mit dem Geld, das noch übrig war, im April zum Allianz-Rivalen Blackrock. Die Allianz lehnte eine Stellungnahme dazu ab, wie viel Geld in den Alpha-Fonds noch vorhanden ist.
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