Düsseldorf Das Malheur kam zur Unzeit. Als Jan Siemer mit seiner Familie im vergangenen Jahr Urlaub in Mexiko machte, klagte sein Sohn Silas an einem Abend unerwartet über Ohrenschmerzen. Schnell hatte er zusätzlich hohes Fieber. Kurzerhand machte der Familienvater über sein Smartphone einen Arzt in der Nähe ausfindig, der zu dieser Zeit noch Sprechstunde hatte. „Gut zwei Stunden später hatte er Silas untersucht und ausreichend mit Medikamenten versorgt. Gott sei Dank war unser Jüngster nach zwei Tagen wieder fit“, erzählt Siemer, der seinen richtigen Namen an dieser Stelle nicht lesen möchte.
Alles in allem hat ihn die Behandlung von Silas umgerechnet knapp 300 Euro gekostet, die der IT-Spezialist gleich an Ort und Stelle in bar bezahlen musste. Doch er hatte rechtzeitig vorgesorgt: Vor Beginn der Reise hatte Siemer eine Auslandsreisekrankenversicherung für sich und seine Familie abgeschlossen. Nach der Rückkehr konnte er daher die Arztrechnung und die Rezepte einfach per App beim Versicherer einreichen und bekam wenige Tage später den gesamten Betrag erstattet.
Ein Beinbruch auf der Skipiste, eine zertrümmerte Schulter nach einem Sturz beim Bergwandern oder ein schwerer Infekt etwa durch einen Tritt in einen Seeigel – die Freude über die schönsten Tage des Jahres kann schnell getrübt werden. Ein Unfall oder eine Krankheit bei einem Auslandsaufenthalt können jedoch nicht nur ein Loch in die Urlaubskasse reißen.
Geringer gesetzlicher Standard
Unter ungünstigen Umständen werden sie zu einem finanziellen Gesundheitsrisiko – etwa dann, wenn eine aufwendige Operation mit längerem Krankenhausaufenthalt und Rücktransport per Ambulanzjet erforderlich ist. „Gesetzlich Krankenversicherte ohne zusätzlichen Versicherungsschutz bekommen dann lediglich das erstattet, was die Kasse bei einer Behandlung in Deutschland zahlen würde – und das auch nur dann, wenn sie im EU-Ausland unterwegs sind“, weiß Sebastian Ewy vom Deutschen Finanz-Service Institut (DFSI). „Vor diesem Hintergrund ist das Geld für eine Auslandsreisekrankenversicherung sicherlich sinnvoll angelegt – zumal, wenn man es in Relation zu dem Betrag setzt, den der Urlaub insgesamt kostet.“
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Das DFSI hat die Probe aufs Exempel gemacht. Nach einer umfassenden Untersuchung des Instituts ist eine empfehlenswerte Auslandsreisekrankenversicherung je nach Versicherungsnehmer bereits für unter zehn Euro zu haben. Exklusiv für das Handelsblatt haben Ewy und sein Team dafür die Auslandsreisepolicen von 32 Anbietern unter die Lupe genommen. Ein Single zahlt demnach für das entsprechende Angebot bei den mit „exzellent“ bewerteten Versicherern DKV oder Ergo nur 9,90 Euro. Die Allianz als Erstplatzierte dieser Kategorie verlangt mit 11,90 Euro etwas mehr, punktet dafür aber mit etwas besseren Tarifleistungen (siehe dazu auch die Einzeltabellen und den Kasten „So wurde getestet“).
Das identische Bild ergibt sich bei Angeboten für Familien und Senioren. Hier verlangen die Münchener als Punktbeste 28,50 Euro beziehungsweise 39 Euro für ihre „GesundeReise“. Die dahinter Platzierten DKV und Ergo haben vergleichsweise günstigere Tarife im Programm.
„Eine gute Auslandsreisekrankenversicherung muss nicht unbedingt teuer sein“, zieht Ewy ein Fazit. Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern gibt es allerdings bei den Leistungsmerkmalen. Zum Beispiel bei der Höhe der Bergungskosten, die bei einem Skiunfall erstattet werden. „Ein solcher Hubschraubertransport kann im Einzelfall sehr teuer werden. Daher sollten ausgesprochene Pistenfans auf diesen Punkt Wert legen, anstatt beim Versicherungsbetrag ein oder zwei Euro mit einem in dieser Hinsicht schlechteren Tarif einzusparen“, warnt der DFSI-Experte.
So wurde getestet
von Auslandsreisekrankenpolicen hat das Deutsche Finanz-Service Institut (DFSI) 45 Versicherer angeschrieben und um Daten zu Zusatztarifen für Auslandsreisekrankenversicherungen mit weltweiter Deckung und ohne Selbstbeteiligung gebeten. Für 32 Tarife kamen Angaben zurück.
Anhand von sieben Einzelmerkmalen wurden die Allgemeinen Vertragsbedingungen bewertet. Unter anderem hat das DFSI abgefragt, ob beliebig viele Reisen versichert sind, wie lange die maximale Reisezeit ist, die die Police deckt, bis zu welchem Alter der Grundbeitrag gilt oder ob es Leistungsausschlüsse etwa bei Pandemien gibt. Insgesamt wurden hierfür bis zu 6,5 Punkte vergeben. Mittels 14 weiterer Merkmale hat das DFSI anschließend die Tarifleistungen bewertet. Abgefragt wurden zum Beispiel Erstattungssätze für ambulante und stationäre Behandlungen sowie für Schwangerschaftsbehandlungen und zahnärztliche Behandlungen. Hier konnten maximal 14 Punkte erzielt werden. Bei den Sonstigen Vertragsbedingungen wurden 15 Merkmale bewertet. Fragestellungen hier: Kostenübernahme Rücktransport, Reiseunterbrechungen, Überführung im Todesfall oder Bestattungskosten. Insgesamt gab es bis zu 15 Punkte.
Anhand von elf Merkmalen wurde der Bereich Service bewertet. Hier wurden maximal 10,5 Punkte vergeben. Betrachtet wurden Merkmale wie Notrufnummer (24 Stunden), ob die Abrechnung direkt vor Ort erfolgt oder ein Übersetzungsservice angeboten wird.
Der Gesamtpunktwert ergab sich aus der Summe der Teilwertungen Allgemeine Vertragsbedingungen (zu 10 Prozent), Tarifleistungen (40 Prozent), Sonstige Vertragsbedingungen (30 Prozent) und Service (20 Prozent).
Für die Bewertung der Beiträge wurden die Jahresprämien für Familien (Mann 35 Jahre, Frau 33 Jahre, Kind acht Jahre, Kind fünf Jahre), für Singles (35 Jahre) und Senioren (75 Jahre) abgefragt und ins Verhältnis zur jeweils günstigsten Prämie gesetzt.
ging die Bewertung der Tarifbedingungen insgesamt zu 90 Prozent ein, die Bewertung des Preises hat ein Gewicht von 10 Prozent. Die Note ergibt sich aus der insgesamt erzielten Punktzahl. Sie reicht von „exzellent“ bis „mangelhaft“. Die Bestnote „exzellent“ erhält, wer mit seiner Punktzahl im Bereich der obersten zehn Prozent liegt. Die Note „sehr gut“ geht an die darunterliegenden zehn Prozent auf der Punkteskala. Die übrigen Bewertungen („gut“, „befriedigend“, „ausreichend“, „mangelhaft“) erfolgen jeweils in 20-Prozent-Schritten.
Einzelne Anbieter geben bei den Bergungskosten einen Versicherungsschutz von bis zu 15.000 Euro. Bei anderen Policen wird nicht mal ein Drittel dieser Summe erstattet, und mitunter sind zusätzliche Einschränkungen zu beachten. Auch in Bezug auf die Zahl der Reisen pro Jahr und die maximale Reisedauer hat jeder Versicherer seine eigenen Regeln. „Auf solche Details sollten Verbraucher vor dem Abschluss achten und die Ausstattung der Police an ihre Reisepläne anpassen“, empfiehlt daher Ewy.
Auf Details achten
Interessant können dabei auch andere Tarifmerkmale sein – zum Beispiel, ob bei einem Rücktransport des Versicherten auch die Kosten für eine Begleitperson mitversichert sind. Für Familien indes lohnt es sich, darauf zu achten, ob der Versicherer die Kosten eines Rooming-ins übernimmt, sollte bei einem Kind ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden. In dieser Ausnahmesituation werden viele Eltern bei ihrem Nachwuchs bleiben wollen – gerade wenn es unter Umständen Sprachbarrieren in einem fremden Land zu managen gilt.
Ausdrücklich abgefragt haben die DFSI-Experten auch, ob es bestimmte Ereignisse gibt, die einen Leistungsbeziehungsweise Tarifausschluss begründen. Dazu zählen unter anderem Kriege und Unruhen im Reiseland, aber auch Pandemien wie Corona.
Vergleichsweise teuer wird der Krankenversicherungsschutz für reiselustige Senioren. Im DFSI-Vergleich kosten Policen für 75-Jährige nicht selten 50 bis 60 Euro selbst bei den mit „sehr gut“ bewerteten Anbietern. Aber auch hier steckt die Tücke im Detail. Einzelne Anbieter wie die Allianz nehmen bereits bei Versicherten ab 50 Jahren einen Zuschlag. Die Württembergische hingegen verzichtet darauf, solange der Kunde nicht älter als 71 Jahre alt ist.
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