Ranking: Versicherer investieren in neue Leichtigkeit – Das sind die Versicherer mit dem besten digitalen Service
RankingVersicherer investieren in neue Leichtigkeit – Das sind die Versicherer mit dem besten digitalen Service
Geringe Hürden, verständliches Angebot: Die Coronakrise treibt die Digitalisierung in der Assekuranz voran. Ein Ranking des Deutschen Kundeninstituts zeigt, wer vorne liegt.
Datenexperten wie Tino Hermanns (l.) und Roland Scharrer beschleunigen die digitale Transformation.
(Foto: Axa)
Köln Diese Empörung kennt fast jeder: „Ich wollte nur den Kundenservice anrufen und hing den halben Tag in der Warteschleife.“ Der Nervfaktor ist zweifellos oft hoch, doch objektiv betrachtet dürften solche Schilderungen meist übertrieben sein. Zumindest große Versicherer in Deutschland lassen ihre Kunden nicht annähernd so lange im Telefon-Nirwana schmoren. Dies ist nur eine Erkenntnis des Rankings „Digitale Versicherungsdienste“ der Marktforscher vom Deutschen Kundeninstitut (DKI) in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Insgesamt wurden elf Versicherer in rund 264 Kundenkontakten mit Blick auf 140 Einzelkriterien getestet. Hinzu kamen fast 3200 eingeholte Kundenstimmen.
Drei Minuten und 15 Sekunden – so lange brauchten Testanrufer im Schnitt, bis sich jemand um ihr Anliegen kümmerte. Am schnellsten reagierte die Allianz: Dort nahm nach durchschnittlich einer Minute und 13 Sekunden jemand den Anruf entgegen. Auch erlebten die Tester ihre Ansprechpartner durchaus als freundlich und kompetent. Auf einer Skala von eins (sehr freundlich) bis fünf (überhaupt nicht freundlich) vergaben sie durchschnittlich eine 2,1. Und in 97 Prozent der Fälle wurde laut DKI-Projektmanagerin Sandra Müller in den verdeckten Testanrufen der richtige Ansprechpartner direkt erreicht.
Hotlines sind nur der erste Schritt: Versicherer setzen nicht erst seit der Coronakrise viel daran, digitale Dienste zu stärken – sei es über Callcenter, Apps, Live-Chats oder klassische Mail-Lösungen. „Wir gehen davon aus, dass der Bedarf der Versicherten nach digitalen Lösungen weiter zunehmen wird“, sagt DKI-Expertin Müller. Dabei sieht sie die Branche auf gutem Weg: „Insgesamt waren wir vom Grad der Digitalisierung positiv überrascht.“ Ein Vertragsabschluss online war bei allen getesteten Versicherern möglich, ebenso der Formular-Download von der Webseite.
Komplexe Produkte
Die Top-Platzierungen im Feld erreichten unter dem Strich die Axa, die Huk-Coburg und die Allianz – das Trio schnitt mit der Gesamtnote „Sehr gut“ ab. Ein Fokus auf möglichst simple Lösungen scheint bei ihnen der Erfolgsschlüssel zu sein. „Kunden wollen Einfachheit. Versicherungen sind aber oft sehr komplexe Produkte. Um unseren Kunden ein guter Partner zu sein, müssen wir Einfachheit zum Grundsatz unseres Handelns machen“, sagt Axa-CEO Alexander Vollert.
Axa punktet im Ranking vor allem beim Digitalangebot: Kunden haben mehr Möglichkeiten, internetgestützt zu kommunizieren als bei vielen anderen Versicherern. So stellt die Axa ihren Kunden einen Live-Chat zur Verfügung. Kunden können sich zudem über Facebook, Instagram, Twitter und weitere Plattformen mit Beratern austauschen oder per Video beraten lassen. Auch hier gilt: Die Schwelle liegt so niedrig wie möglich. Es ist keine Videokonferenz-Software nötig, konferiert wird direkt auf der Axa-Webseite.
Die gewachsene Internetaffinität der Versicherer folgt den Bedürfnissen der Kunden: „Das Kundenverhalten ändert sich hin zu digitalen Kanälen – insbesondere bei einfachen Anliegen“, sagt Vollert. Bei wenig aufwendigen Anfragen wie der Bitte um Steuerbescheinigungen oder der Abfrage von Vertragsinhalten sieht der Axa-Chef großes Potenzial in den digitalen Kanälen.
Das Ranking
Die Studie „Digitale Versicherungsdienste“ des Deutschen Kundeninstituts und des Handelsblatts untersucht die digitalen Leistungen großer Versicherer in Deutschland. In die Wertung gehen drei Kategorien: die Digitalisierung, die Kundenzufriedenheit und der Kundenservice.
Im Bereich Digitalisierung verteilte das Institut Punkte für das Vorhandensein und die Funktionsweise von Features wie Apps oder Videochat. Je mehr der geforderten Angebote vorhanden waren, desto mehr Punkte gab es. Die Zufriedenheit wurde über eine webbasierte Umfrage zu den digitalen Serviceleistungen ermittelt. Hier wurden die Urteile von „sehr zufrieden“ bis „überhaupt nicht zufrieden“ in einen Punkteschlüssel übertragen. In die Bewertung des Kundenservice schließlich flossen Kundenurteile etwa zum Hotline- und E-Mail-Service ein. Dazu dienten verdeckte Anfragen.
Die jeweilige Punktzahl aus den drei Bereichen wurde unterschiedlich gewichtet: Das digitale Angebot und die Kundenzufriedenheit flossen mit jeweils 40 Prozent in die Gesamtwertung ein, der Kundenservice mit 20 Prozent.
Ein „Sehr gut“ gab es ab 85 Punkten, ein „Gut“ ab 72,3 Punkten, ein „Befriedigend“ ab 61,4 Punkten und ein „Ausreichend“ ab 52,2 Punkten.
Dennoch wollen Axa-Kunden längst nicht alle Probleme per Mausklick lösen. „Wenn sie am Straßenrand stehen und nach einem Unfall in einer emotionalen Ausnahmesituation sind, möchten die meisten Kunden eine persönliche und empathische Hilfe. Das geht am Telefon am besten“, sagt Vollert. Deshalb entwickele die Axa auch bewusst mehr persönliche Angebote. „Überall dort, wo persönliche Interaktion für den Kunden Mehrwert schafft“, sagt Vollert.
Google als Vorbild
Dass leicht zugängliche Angebote für die Branche zukunftsträchtig sind, davon ist man auch bei der Huk-Coburg überzeugt. „Einfachheit bei digitalen Lösungen wird von Kunden honoriert und ist im Wettbewerb entscheidend“, sagt Vorstandsmitglied Daniel Thomas. „Wir müssen uns nichts vormachen: Kein Kunde hat Spaß daran, morgens aufzustehen und Online-Versicherungsgeschäfte zu betreiben. Deshalb muss alles so einfach wie möglich ablaufen.“ Als Vorbild für Nutzerfreundlichkeit dienen der Huk-Coburg laut Thomas Internetriesen wie Google und Amazon.
Um digitale Tools möglichst verständlich zu gestalten, sammelt Huk-Coburg die Rückmeldungen von Kunden. Alle digitalen Kanäle sind mit Feedback-Funktionen ausgestattet, sagt Thomas. So werde man beispielsweise die App für Telematik-Versicherte verbessern. Telematik-Tarife berücksichtigen bei der Prämienberechnung auch die Fahrweise. Über eine App sammelt man Punkte für umsichtiges Fahren. „Kunden haben uns über die App gespiegelt, dass sie Fahrdaten in der Anwendung prominenter dargestellt wünschen. Das werden wir umgehend berücksichtigen“, sagt Thomas.
In der Kategorie „Kundenzufriedenheit“ führt die Huk-Coburg die DKI-Rangliste an. Besonders zufrieden zeigen sich Kunden hier mit der Erreichbarkeit des Kundenservice. Mit einem Punktestand von 1,5 auf einer fünfstufigen Skala nimmt die Gesellschaft die Poleposition ein. Auch beim „Informationsgehalt auf der Website“ und bei „Informationsmaterial zum Download“ (je 1,7) schneidet kein Wettbewerber besser ab.
Doch es gibt auch Abzüge: So bietet die Huk-Coburg als einzige Gesellschaft neben Cosmos Direkt keine flächendeckende Videoberatung an. Thomas sieht darin keinen Mangel. Grund sei die „geringe Nachfrage von Kunden“. Die DKI-Studie bestätigt diese Einschätzung. Videoberatungen stehen bei Kunden nicht hoch im Kurs. „Ein Video-Chat erleichtert die Kommunikation“: Dieser Aussage stimmten die Kunden von keiner der getesteten Versicherungen voll zu.
Wie langsam sich neue digitale Kontaktwege im Kundenbewusstsein etablieren, zeigt auch eine Studie des Digitalverbands Bitkom. Demnach kommunizieren Versicherungskunden noch am liebsten auf gewohnte Weise: per Telefon. Es ist bei Weitem das beliebteste Kommunikationsmittel. 84 Prozent der befragten Personen würden zum Hörer greifen, wenn sie die freie Wahl hätten. Es folgen die E-Mail (70 Prozent), der persönliche Kontakt (49 Prozent). Erst mit großem Abstand folgen schwerer zu bedienende oder zu installierende Tools wie Messenger (23 Prozent), Website-Chat (sieben Prozent) oder eben der Video-Chat (fünf Prozent).
Wenige Klicks zur Info
Bei der Allianz setzt man auf eine Kombination aus digitaler und persönlicher Kommunikation. „Unsere Kunden wollen beides“, sagt Klaus Driever, Leiter strategische digitale Initiativen der Allianz Deutschland. 85 Prozent der Kunden benutzen nach Allianz-Angaben sowohl digitale als auch analoge Kanäle. „Für dringende Service-Anfragen unterscheiden sie nicht, ob sie die gewünschte Information digital oder persönlich erhalten. Wichtig ist, dass es einfach und schnell geht.“ Deshalb müsse man Kunden auf ihren digitalen Wegen mit möglichst wenigen Klicks zur gewünschten Information führen. „Für eine Beratung hingegen ist der persönliche Kontakt unverzichtbar“, betont Driever. „Für uns liegt die Herausforderung darin, das Verhalten unserer Kunden zu verstehen und sie sicher zum Ziel zu führen. Egal, welche Route sie nehmen, ob über die Allianz-Website, über Google oder eine redaktionelle Website.
Für den persönlichen Kontakt betreibt die Allianz auch ein öffentliches Onlineforum. Kunden stellen dort – für andere sichtbar – Fragen zu ihrem Versicherungsschutz, zu Verträgen oder etwa zum Service. Auch die Antworten sind für alle mitzulesen. Die Reaktionszeit der Allianz-Experten liegt nach Unternehmensangaben bei weniger als 30 Minuten. Unter dem Namen „Allianz hilft“ gibt die Gesellschaft Kunden auch in den einschlägigen sozialen Netzwerken Facebook, Instagram und Twitter Gelegenheit für Fragen. Die gute alte E-Mail scheint jedoch ein Schattendasein zu fristen. Im Test des DKI reagierte keine Versicherung langsamer auf eine Mail-Anfrage als die Allianz.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.