Eine erste Diagnose beim Hausarzt, eine Zwischenstation beim Radiologen und mit der Überweisung geht es zum Spezialisten. Wie kommt dieser nun an die Vordiagnosen? Tatsächlich in vielen Fällen noch per Anruf oder Fax. Deutlich schneller tauschen Ärzte Informationen auf digitalem Weg aus, über die elektronische Patientenakte (ePA). Diese speichert etwa verordnete Medikamente, Blutwerte, Diagnosen oder Vorerkrankungen. Seit Beginn des Jahres 2021 haben gesetzlich Versicherte einen rechtlichen Anspruch auf eine ePA. „Wir müssen die ePA als lernendes System verstehen: eine longitudinale, digitale Gesundheitsakte, die Patienten von der Geburt bis zum Tod begleitet“, sagt Monika Rimmele, Head of Digital Transformation bei Siemens Healthineers. Nach diesem Verständnis erhöht die ePA die Effizienz des Gesundheitswesens – und steigert die Lebensqualität der Patienten.
Dindia Gutmann war wegen eines Schlaganfalls seit ihrer Geburt halbseitig gelähmt. Ein stabiler Gang schien für sie unerreichbar – wie für viele Menschen mit neurologisch bedingten Problemen. Gutmann und ihre Mutter wollten sich damit nicht abfinden und haben ein Gerät zur Bewegungskontrolle entwickelt: ReMoD, kurz für Remember-Motion-Device, ist ein tragbares künstliches Gleichgewichtsorgan – und nur ein Beispiel für künstliche Organe. Forscher setzen viel Hoffnung in die sogenannte additive Fertigung, auch bekannt als 3D-Druck oder Bio-Printing, um Spenderorgane zu entwickeln oder Knochenschäden zu beheben. Derartige Verfahren entwickeln unter anderem Forscher der TU Dresden. Auch Start-ups tummeln sich in dem Bereich: Die Dänen von Particle3D schaffen mit einer Art Bio-Tinte Ersatz für Knochenimplantate aus Titan oder Chrom.
„Aus ethischen und ökonomischen Gründen sind Anwendung und Entwicklung von Medizinprodukten mit hoher klinischer Leistungsfähigkeit und hohem Patientennutzen erforderlich“, betont Health-i Pioneer Raylytic. Doch diese Prozesse sind aufwändig und kollidieren mit knappen Ressourcen. Raylitic beschleunigt und erleichtert sie mit einer Künstlichen Intelligenz, die die Bilddatenanalyse weitgehend automatisiert. Neben Raylitics setzen andere Start-ups auf Algorithmen. So haben auch die Münchner von Smart Reporting eine KI-basierte Radiologie-Software entwickelt. Die Beispiele zeigen, wie entscheidend die jungen Player am Markt für Innovation im Gesundheitswesen sind.
Seit 2019 schlägt Deutschland mit dem DiGA-Verzeichnis neue Wege ein. Mittlerweile hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 24 DiGA wenigstens vorrübergehend anerkannt. Die erste App im Verzeichnis war Kalmeda der Firma Mynoise mit einer Verhaltenstherapie für Tinnitus-Patienten. Die App Esysta nutzen Diabetiker. Sie müssen ihre Messwerte nicht mehr schriftlich festhalten, sondern erledigen das unkompliziert auf digitalem Weg. Die Ergebnisse landen schneller in der Praxis des behandelnden Arztes und sind zügig ausgewertet. Patienten mit Herzfehlern und Epilepsie hilft eine Anwendung, deren Potenzial fürs Gesundheitswesen nur wenige erwarten dürften: eine Innovation aus der Klebstoffsparte von Henkel. Das smarte Gesundheitspflaster ermöglicht die Fernkontrolle der Vitalfunktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Körpertemperatur. Ein integrierter Sensor sammelt sendet diese kontaktlos an den Arzt.
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist dramatisch. Digitale Lösungen können den Betrieb entlasten. Retrobrain bringt mit der memoreBox Abwechslung in Seniorenheime. Die Spielekonsole unterhält ältere Menschen in Gruppen- oder Einzelübungen und hat therapeutisch-präventive Wirkung. Avatare führen die Spieler durchs Menü; die Anwendung geht intuitiv über Gesten und Körperbewegung. In rund 200 Einrichtungen ist die memoreBox bereits im Einsatz. „Und irgendwann möchten wir in allen rund 1.400 Seniorenheimen in Deutschland sein“, sagt RetroBrain-Mitgründer Manouchehr Shamsrizi. Zudem will er das Portfolio mit Anwendungen für Parkinson- und Schlaganfallpatienten erweitern. Mittlerweile laufen in Deutschland auch Pilotprojekte mit humanoiden Pflegerobotern. Grundsätzlich gilt aber: Die digitalen Helfer ersetzen nicht das menschliche Pflegepersonal, sondern erleichtern ihm die Arbeit.
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