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Ambulante Versorgung Digitaler Pillenspender regelt die Tablettenausgabe

Viele Patienten verwechseln die Tabletten oder vergessen die Einnahme. Ein hessischer Unternehmer will das mit neuer Technik ändern.
04.06.2021 - 18:25 Uhr Kommentieren
Ältere Patienten mit mehreren Erkrankungen nehmen oft verschiedene Pillen ein. Quelle: IMAGO / Addictive Stock
Tabletten

Ältere Patienten mit mehreren Erkrankungen nehmen oft verschiedene Pillen ein.

(Foto: IMAGO / Addictive Stock)

Gerade im Alter leiden viele Menschen gleichzeitig an mehreren chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Rückenschmerzen und einer Fettstoffwechselstörung. Da ist es schwierig, den Überblick darüber zu behalten, wann welche Tablette eingenommen werden muss. Es ist aber nicht nur schlecht für den Patienten, wenn die Tablette nicht oder falsch eingenommen wird, sondern auch teuer. Fehlmedikation verursacht in Deutschland jedes Jahr Ausgaben in Milliardenhöhe.

Gerd Meyer-Philippi will mit einem Apparat die Patientensicherheit verbessern und die Fehlmedikation verringern. Er ist Geschäftsführer des hessischen Unternehmens Compware Medical mit rund 50 Angestellten. Das Unternehmen verdient Geld mit einem Methadondosiersystem für Drogenabhängige, das seit Anfang der 1990er Jahre verkauft wird. Jetzt soll mit Maja Sana ein nächstes Produkt den Markt erobern: „Wir haben drei Jahre entwickelt und mehr als drei Millionen Euro investiert“, sagt Meyer Philippi.

Quelle: Compware Medical
Das Gerät Maja Sana
(Foto: Compware Medical)

Das Gerät Maja Sana gibt die Medikamente nur zu vorgegebener Zeit und in exakter Dosierung aus. Vergisst ein Anwender die Tabletteneinnahme, wird der Pflegedienst oder ein Angehöriger per App informiert. Die Daten für das IT-gestützte System laufen in einer Cloud zusammen, die von der Telekom verwaltet wird. Weitere Anwendungen wie die Videosprechstunde oder die Speicherung von Blutdruckwerten sollen mit Maja Sana möglich werden.

Patienten zahlen für die Nutzung

Das Gerät ist nun entwickelt, und die Gespräche mit Investoren laufen. „Wir stehen kurz vor dem Abschluss einer ersten Finanzierung“, sagt Meyer-Philippi. Für 39 Euro mieten Apotheker das Gerät, die Kosten können auf den Patienten umgelegt werden.

„Im Leben geben Patienten dafür nicht 39 Euro im Monat aus!“, ruft Angelika Schulten aus, als sie von diesem Geschäftsmodell hört. Die 78-Jährige hat in Dortmund jahrzehntelang selbst eine Apotheke geführt und auch eine, allerdings analoge, Tablettendosierdose namens Meditimer entwickelt. Beide Geräte sollen grundsätzlich das gleiche leisten: Patienten bei der korrekten Einnahme der Tablette unterstützen.

Obwohl ihre Dose im Angebot 15 Euro kostet, hätten Patienten oft abgelehnt, als sie hörten, dass sie selbst zahlen müssen. „Viele haben zu Hause ihre 7-Tage-Medikamentenbox stehen und verstehen nicht, warum sie sich eine neue Box kaufen sollen.“

Auch für Michael Marxen, Vorstand beim Bundesverband der Versorgungsapotheker, ist der Preis von 39 Euro ein „Knackpunkt“. Potenzial für das Gerät Maja Sana sieht er vor allem bei ambulanten Patienten, insbesondere wenn sie von Pflegediensten betreut werden. Wenn diese dank des Geräts die Patientenbesuche verringern könnten, übernehme womöglich die Pflegekasse die Kosten.

Grundsätzlich befürwortet er es aber, wenn alle über das Rezept eingelösten Medikamente in einem Medikamentenmanagement zusammengeführt werden. Genau das erfordert das Gerät Maja Sana, das Tabletten für eine Woche vorhält und ausgibt. Die Tabletten werden in einem sogenannten Blisterzentrum in kleine Tüten eingeschweißt und vom Apotheker eingesetzt. Anders als jetzt müsste er also die Gesamtmedikation des Patienten kennen.

Dank des im Vorjahr verabschiedeten Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes könnte der Apotheker sogar für das Medikamentenmanagement bezahlt werden. Derzeit kann der Apotheker den Patienten die 7-Tage-Medikamentenbox zwar stellen, eine entsprechende Vergütung wird seitens der Krankenkassen bislang jedoch nicht geleistet. „Es ist aber noch Gegenstand der Verhandlungen, welche Summe gezahlt wird und ob künftig überhaupt etwas dafür vorgesehen wird“, sagt Marxen.

Amazon kauft Pillpack

Damit ein Medikamentenmanagement funktioniert, wird aber noch etwas gänzlich Basales benötigt: Die Daten müssen mittels einer funktionierenden Technik zusammengeführt werden. Die gibt es bislang noch nicht, auch wenn mit der elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept erforderliche Anwendungen entwickelt werden. In anderen Ländern sei man da schon weiter, weiß Nils Seebach, Gründer des Beratungsunternehmens Etribes. „In Norwegen ist die elektronische Patientenakte bereits Standard, da werden alle Rezepte und Gesundheitsdaten zusammengeführt. Dort ist Blistering gesetzliche Vorschrift.“

Für Aufsehen in der Apotheken-Szene hatte vor einigen Jahren die Übernahme der Online-Apotheke Pillpack für etwa eine Milliarde Euro durch Amazon geführt. Pillpack hat sich auf die Betreuung von Patienten spezialisiert, die gleich mehrere Medikamente auf einmal auf Rezept bekommen. Das Horrorszenario für den niedergelassenen Apotheker: Amazon baut große Blisterzentren, in denen die Medikamente abgefüllt werden und direkt nach Hause zum Patienten kommen. Der Apotheker würde überflüssig werden.

Genau das will Meyer-Philippi mit dem Apparat Maja Sana verhindern, der den Apotheker vor Ort in seiner Rolle als Berater stärkt. Jetzt gehe es darum, Marketing für das neue Produkt zu machen. „Wir stellen zwischen zehn und zwanzig neue Vertriebsmitarbeiter ein.“ Was bleibt ist die Hoffnung, dass der Online-Riese aus den USA es nicht auf das deutsche Blistergeschäft abgesehen hat.

Mehr: Antwort auf Amazon: Apotheken-Allianz startet eigenes Portal

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