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Atai Life Science 130 Millionen Euro für die Biotech-Plattform

Das Biotech-Unternehmen testet Psychedelika in der Behandlung psychischer Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen oder Sucht.
05.03.2021 - 17:52 Uhr Kommentieren
Der aktive Wirkstoff Psilocybin soll zur Behandlung von Depressionen dienen. Quelle: AP
Magic Mushrooms

Der aktive Wirkstoff Psilocybin soll zur Behandlung von Depressionen dienen.

(Foto: AP)

Düsseldorf Pilze zur Heilung von Depressionen, Angstzuständen oder Sucht? Viele denken dabei vermutlich an trippende Patienten, die mit einer Psychose von einem Horrortrip zurückkehren. Das sei nur ein Vorurteil, versichert Florian Brand, Mitgründer des Biotech-Unternehmens Atai Life Science mit Sitz in Berlin. Der gelernte Ökonom hat ein Unternehmen gegründet, das er selbst als Plattform für Biotechnologie-Start-ups bezeichnet.

Atai Life Science gründet, berät und investiert in Firmen, die erforschen, wie psychedelische Wirkstoffe bei mentalen Krankheiten wirken. Auch im Portfolio vertreten sind Technologien, die die Produktion der Wirkstoffe und Therapien verbessern sollen. In der vergangenen Woche sammelte das junge Unternehmen 130 Millionen Euro frisches Kapital ein, drei Monate zuvor schloss Atai eine Finanzierungsrunde von 100 Millionen Euro ab. Branchenkenner bewerten den Wert des Start-ups nun auf insgesamt 1,7 Milliarden Euro.

Die Finanzierungsrunde wurde vom Family Office Apeiron des Mitgründers Christian Angermayer und Thiel Capital des deutschstämmigen US-Investors Peter Thiel angeführt. Erstmalig unter den Investoren ist Woodline Partners aus San Francisco. Das Geld soll laut Brand in die nächsten Studienphasen der Wirkstoffe und Technologien fließen.

Einen Börsengang will Gründer Brand diesen nicht bestätigen. „Aktuell sind wir sehr erfolgreich darin das für unsere Studien benötigte Kapital über private Finanzierungsrunden einzuwerben. Medikamentenentwicklung ist aber sehr kapitalintensiv.“, sagt Brand Handelsblatt Inside.

Denn mit der fortschreitenden Studienphase würden auch die Kosten steigen. „Wir hoffen, dass wir bei weiterhin positiven Studienergebnisse in einigen Jahren für unseren ersten Wirkstoff die Zulassung bekommen“, ergänzt Brand und bezieht sich damit auf den Wirkstoff Psilocybin zur Behandlung starker Depressionen.

Das Unternehmen dahinter ist „Compass Hathaway“, das fortgeschrittenste im Atai-Portfolio. Seit wenigen Wochen hat das Psychedelikum die präklinische Studienphase abgeschlossen und wird jetzt an Menschen getestet. Atai unterstützt außerdem acht weitere Start-ups, die die Wirksamkeit von zum Beispiel MDMA oder Arketamin testen.

Atai setzt aber nicht nur auf Wirkstoffe, sondern auch auf Technologien, die Therapien verbessern. So forscht das Unternehmen Entheogenix Biosciences daran, wie Psilocybin schneller wirken kann. Dafür setzt Atai eine Künstliche Intelligenz (KI) ein, die bestimmte Wirkeigenschaften der psychedelischen Moleküle in einem virtuellen Modell aktivieren und deaktivieren kann. Bislang dauert die medikamentenunterstützte Psychotherapie mit Psilocybin sechs Stunden. „Wir wollen das auf zwei Stunden reduzieren“, sagt Brand.

Therapiebegleitung durch eine App

Im vergangenen Sommer hat Brand außerdem das Atai-Unternehmen Introspect gegründet, das derzeit eine App entwickelt, die die Behandlung durch Medikamente ergänzen soll. „Ein mögliches Anwendungsbeispiel ist die Nutzung von Bewegungsdaten. Nach Zustimmung von Nutzern könnten Therapeut und/ oder Suchtpatient benachrichtigt werden, falls sich letztere Risikogebieten wie zum Beispiel Drogenverkaufsorten nähern, die einen Rückfall begünstigen können“, sagt Brand.

Atai erforscht zudem, inwiefern eine KI-getriebene Analyse der Sprache oder des Tippverhalten eines Patienten genutzt werden kann, um festzustellen, ob dieser sich in einer depressiven Phase befindet. Eine begleitende Psychotherapie soll ebenfalls unter anderem über Videos in der App ermöglicht werden.

Zähle man alle Unternehmen zusammen, beschäftige Atai heute über 100 Mitarbeiter, sagt Brand. Das Kernteam besteht aus etwa 50 Personen. Aus der eigenen Betroffenheit heraus sei die Idee für die Gründung 2018 entstanden. In seiner Jugend habe er selbst unter starken Angststörungen gelitten, die psychotherapeutisch behandelt werden konnten.

Weniger erfolgreich verlief die psychotherapeutische und pharmakologische Behandlung bei einem engen Freund und bei Atai-Mitgründer Lars Wilde, der unter starken Depressionen litt. Als Wilde psychedelische Substanzen erfolgreich ausprobierte, gründeten die zwei Freunde gemeinsam mit Christian Angermayer Atai.

Das große Interesse von Investoren heute führt Brand auf die positiven Ergebnisse aus akademischen Studien und auf die regulatorische Entscheidungen der vergangen Jahre zurück. Auch Deutschland traut sich aus der Deckung und startete in diesem Jahr eine Studie mit 144 Probanden, die Psilocybin bei Depressionen testen. Der Psychiater Tomislav Majic von der Charité führt sie zusammen mit dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim durch. Die Mind Foundation in Berlin ist Kooperationspartner.

Noch sind die Wirkstoffe illegal. Die Zukunft dieser Anwendungen hängt als nicht nur von den Studienergebnissen ab, sondern auch davon, wie Ärzte und Behörden damit umgehen.

Mehr: Das Unternehmen Molecular Health testet an der Uniklinik Essen ein KI-Modell, durch das Ärzte Covid-19-Langzeitfolgen besser behandeln können sollen.

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