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Bilanz Spitzenorganisationen bewerten Spahns Digital-Politik

Die Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht mit dieser Legislatur zu Ende. Seine Arbeit wird höchst unterschiedlich beurteilt.
06.08.2021 - 16:14 Uhr Kommentieren
Der Gesundheitsminister in der Bundespressekonferenz
Jens Spahn (CDU)

Der Gesundheitsminister in der Bundespressekonferenz

Berlin Elektronische Patientenakte, E-Rezept, Apps auf Rezept – Bundesgesundheitsminister Jens Spahns (CDU) Vorhaben zur Digitalisierung des Gesundheitswesens waren in der endenden Legislaturperiode vielfältig. „Wir machen die Versorgung schneller, wir machen sie besser, und wir machen sie digitaler“, kündigte er im März 2019 im Deutschen Bundestag an.

Die Corona-Pandemie war damals noch unbekannt. Auch sie hat die Digitalisierung beschleunigt.

Der Reformeifer des Gesundheitsministers wird positiv wie negativ beurteilt. Handelsblatt Inside hat bei Spitzenorganisationen und -verbänden im Gesundheitssektor nachgefragt, wie sie seine Digitalpolitik der vergangenen vier Jahre bewerten.

Ein Vertreter der Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt die Einführungen digitaler Anwendungen, kritisiert aber einen hohen Zeitdruck durch den Gesetzgeber.

„Zu nennen sind allein für das laufende Jahr die elektronische Patientenakte, das E-Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, sagt Erik Bodendieck, Co-Vorsitzender des Ausschusses „Digitalisierung der Gesundheitsversorgung“ der BÄK. Dies führe zu einer enormen Belastung. Bodendieck prognostiziert eine zunehmende Frustration bei Ärzten und Patienten.

Ein Sprecher der Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt fest, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens in dieser Legislatur „deutlich an Fahrt aufgenommen“ habe. Er bemängelt aber, dass die Technik zu sehr im Fokus stand. Ausschlaggebend für neue digitale Anwendungen solle künftig eine bessere Versorgung der Patienten und eine leichtere Arbeit in den Praxen sein.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, lobt, dass Minister Spahn im Bereich der Digitalisierung einiges initiiert habe. Gaß hebt das Krankenhauszukunftsgesetz hervor, mit dem der Bund drei Milliarden Euro in die Digitalisierung der Kliniken investiert.

Das Gesetz habe wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, damit die Fördermittel zielgerichtet eingesetzt werden könnten. Den Zeitplan für die Umsetzung nennt Gaß aber „diskussionswürdig“. Er spricht sich gegen Sanktionen bei Verzögerungen aus und fordert eine langfristige Finanzierung der Digitalisierung der Kliniken.

Ein Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) lobt, dass das Bundesgesundheitsministerium einen neuen Politikstil geprägt habe: „Kein Abwarten bis zu einer perfekten Gesamtlösung, sondern schrittweises Vorgehen mit der Option des Nachsteuerns“, heißt es von der ABDA.

Die Apotheken würden die Prozesse der Digitalisierung mit großem Engagement mittragen. Sie seien bereits jetzt auf die Einführung des E-Rezepts zum 1. Januar 2022 vorbereitet. Die ABDA fordert, dass auch mit dem E-Rezept – wie bisher mit dem Papier-Rezept – die freie Apothekenwahl für den Patienten bestehen bleibt.

Ausbau der Telematikinfrastruktur wird gelobt

Der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV), Florian Reuther, begrüßt, dass die Bundesregierung viele Weichen gestellt habe. „Vor allem der Ausbau der Telematikinfrastruktur als Grundlage für viele Anwendungen war dringend nötig“, sagt Reuther.

Der PKV fordert, dass Apps auf Rezept und die elektronische Patientenakte (ePA) als Versicherungsleistungen einfacher in die Tarife der Privaten Versicherungen einbezogen werden können. „Hierzu bedarf es einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes. Das hat der Gesetzgeber leider nicht unterstützt“, sagt Reuther. Der GKV-Spitzenverband lehnte eine Stellungnahme ab.

Der Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), Matthias Wahl, kritisiert das politische Handeln als zu langsam. „Die ePA wurde viel zu spät eingeführt und ist bis dato noch keineswegs in der Bevölkerung und Gesundheitsinfrastruktur angekommen“, sagt Wahl.

Er fordert, dass die ePA vorangetrieben wird. „Diese muss sicher, flexibel, inklusiv, barrierefrei sowie nutzerfreundlich sein“, sagt Wahl.

Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung vertritt unter anderem die „App auf Rezept“-Hersteller. Die Geschäftsführerin Anne Sophie Geier zählt daher das Digitale-Versorgung-Gesetz zu den Meilensteinen der vergangenen Legislatur, durch das gesetzlich Versicherte seit Ende 2019 Gesundheits-Apps verschrieben bekommen können.

Der Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg), Sebastian Zilch, lobt die gesundheitspolitischen Maßnahmen der laufenden Legislaturperiode. „Die bis dahin bekannte Lähmung bei der Digitalisierung konnte überwunden werden“, sagt Zilch. Er kritisiert aber das hohe Tempo der Gesetzgebung, das zu undurchdachten Lösungen geführt habe.

Positiv hebt der bvitg-Geschäftsführer die Neuaufstellung der Gematik im Jahr 2019 hervor, mit der das Bundesgesundheitsministerium zum Mehrheitsgesellschafter wurde.

„In den Jahren zuvor hatte sich leider gezeigt, dass die Selbstverwaltung ungeeignet war als Gesellschafter, um richtungsweisende Entscheidungen zu treffen“, sagt Zilch unter anderem mit Blick auf die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen.

Mehr:Spahn sind politische Ziele wichtiger als Gesundheit der Bürger

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