Digital Radar Diese sechs Dimensionen in Kliniken misst das Reifegradmodell

(Bild: Imago/Globallmagens)
Nach langem Warten sind die ersten Details zum Reifegradmessmodell öffentlich. Jörg Studzinski von HIMSS Europe und Alexander Geissler von der Universität St. Gallen, Stellvertretender Projektleiter des Digital Radars, informierten im Rahmen einer Online-Veranstaltung des Health Innovation Hubs (HIH). Der HIH ist die Denkfabrik des Bundesgesundheitsministeriums für digitale Medizin.
Hier kommen die wichtigsten Punkte zum Messmodell:
Wann erfolgt die Messung?
Das Reifegradmodell wird von August bis September in elf teilnehmenden Kliniken getestet. Diese elf Kliniken aus sieben Bundesländern sind unterschiedlich groß und befinden sich in verschiedener Trägerschaft. Am 24. September werden Ergebnisse aus der Pilotmessung veröffentlicht. Ab Oktober soll das Messmodell für alle Kliniken zur Verfügung stehen. Die Messung der Digitalisierung aller Kliniken soll dann bis zum Ende des Jahres erfolgen.
Welche Bereiche werden gemessen?
Das Konsortium hat sechs zentrale Bereiche identifiziert, die anhand von 230 Kriterien beurteilt werden sollen. Die Kriterienanzahl wird sich voraussichtlich noch verringern. Dies sind die sechs Bereiche, dahinter jeweils die Gewichtung der Kriterienanzahl in Prozent:
- Die Digitalisierung der klinischen Prozesse (25 Prozent)
- Patienteneinbindung (4 Prozent)
- Informationsaustausch innerhalb des Hauses und zu anderen Akteuren (10 Prozent)
- IT-Sicherheit (15 Prozent)
- Organisationsstruktur (10 Prozent)
- Telemedizin (5 Prozent).
Außerdem wird es allgemeine Abfragen zum Haus geben, etwa Fragen zur Bettenanzahl, zur Trägerschaft oder zu den Budgets (31 Prozent).
Wie wird gemessen?
Teilnehmer können sich über die Website www.digitalradar-krankenhaus.de registrieren. Daraufhin wird jedem Krankenhaus ein Link zur Verfügung gestellt, über den Mitarbeiter Zugriff auf den Fragebogen bekommen. Es gibt Fragen zu verschiedenen Fachbereichen, deshalb soll Personal aus der klinischen Versorgung, aber auch aus dem Management und den IT-Abteilungen an der Abfrage beteiligt werden. Da es nur einen Fragebogen gibt, wird es einen Hauptverantwortlichen geben. Er kann einzelne Blöcke des Fragebogens an die entsprechenden Mitarbeiter delegieren.
Wie lange dauert die Messung?
Im Krankenhauszukunftsgesetz ist der geschätzte zeitliche Aufwand für die strukturierte Selbsteinschätzung durch die Messung der Mitarbeiter mit 2,5 Stunden angegeben. Dieser Zeitwert wird voraussichtlich überschritten. Peter Gocke, Leiter der Digitalen Stabsstelle der Charité, schätzt, dass vier bis sechs Personen zwischen vier und sechs Tage mit der Messung beschäftigt sein werden, wenn es beim aktuellen Fragenkatalog bleibt.
Wie teuer ist die Messung?
Kliniken müssen sich keine Software oder andere Produkte anschaffen. Es entstehen keine Kosten. Sie müssen ihre Mitarbeiter lediglich zeitlich freistellen.
Wer bekommt die Ergebnisse?
Wenn der Fragebogen ausgefüllt ist, wird er von Mitarbeitern des Digital Radars auf Vollständigkeit geprüft. Ist dies der Fall, wird dem entsprechenden Klinikum auf einer Website in einem 100-Punkte-Score das Ergebnis angezeigt. Parallel dazu wird die prognostizierte Emram-Stufe dargestellt. Die Daten werden von Mitarbeitern des Digital Radars ausgewertet und wissenschaftlich publiziert. Eine weitere Nutzung sei nicht vorgesehen, sagt Jörg Studzinski von HIMSS Europe: „Die Daten gehören weder der HIMSS noch dem Konsortium, sondern am Ende des Tages dem Bundesgesundheitsministerium.“
Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT (Bvitg), kritisiert das Modell scharf. Noch immer wüssten Kliniken nicht, wie genau gemessen werden soll. Eine Konkretisierung des Modells am 24. September kurz vor dem Start im Oktober sei zu spät. „Wir brauchen die Informationen sofort“, sagt Zilch.
Des Weiteren beklagte er, dass keine Pflegeeinrichtung im Expertenrat des Digital Radars sitze. Dieser besteht aus Krankenversicherungen, Krankenhäusern, verschiedenen Verbänden und den beiden internationalen Krankenhäusern Mayo Clinic und Cambridge University Hospitals. „Die Pflege spielt im Konsortium keine Rolle“, sagt Zilch.
Der Bvitg hatte sich mit einigen Partnern wie der Universität Leipzig, der Hochschule Osnabrück und der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) auch mit einem Reifegradmodell auf die Ausschreibung des Bundesgesundheitsministeriums beworben.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte aber dem deutschen Ableger der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) und dessen Partnern den Zuschlag erteilt. Allerdings hinken die beteiligten Akteure dem Zeitplan hinterher. Eigentlich hätte die Reifegradmessung an allen Kliniken bereits Ende Juni starten sollen.
Beteiligt an der Ausarbeitung des Digital Radars sind neben HIMSS die Universität Sankt Gallen, das Essener Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung, das private Berliner „Institut für angewandte Versorgungsforschung“ (INAV) und die auf Kliniken spezialisierte Unternehmensberatung Lohfert & Lohfert.
Die Ärztin und Ingenieurin Sylvia Thun ist Projektleiterin des Digital Radars. Sie ist Direktorin der Abteilung E-Health und Interoperabilität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) der Stiftung Charité. Ihr Stellvertreter ist der Wirtschaftsingenieur Alexander Geissler, der an der Universität Sankt Gallen Seminare zum Thema „Management im Gesundheitswesen“ hält.
Kliniken, die Gelder aus dem Topf des Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) erhalten, müssen mit dem Digital Radar die Digitalisierung ihres Hauses messen. Drei Milliarden Euro stellt der Bund für die Digitalisierung der Kliniken zur Verfügung. Die Länder schießen 1,3 Milliarden Euro hinzu, sodass insgesamt 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung gab vergangene Woche bekannt, dass Ende Juli die ersten Gelder an Kliniken ausgezahlt wurden, nämlich 16,5 Millionen Euro. Bisher seien Anträge für Fördermittel in Höhe von insgesamt 244 Millionen Euro gestellt worden.
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