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E-Learning Weiterbildungsplattformen für Mediziner wachsen stark

Start-ups wie Amboss und Lecturio entwickeln Online-Lernformate für Mediziner. Sie profitieren bei ihrer Internationalisierung von weltweit ähnlichen Standards für medizinisches Fachwissen.
22.12.2021 - 19:19 Uhr Kommentieren
(Foto: Lecturio)
Mediziner eignen sich Wissen zunehmend digital an.

(Foto: Lecturio)


Wer Medizin studiert, geht gleichzeitig einen Bildungspakt ein. Denn das Pauken hört nach dem Studium nicht auf. Ärzte müssen sich ihr Leben lang fortbilden und sammeln dabei Punkte. Wer am Ende eines Zeitraums nicht die erforderliche Zahl von Lernpunkten erreicht hat, zahlt Strafe.

Entsprechend lukrativ ist der Markt für Anbieter medizinischer Lernplattformen. Verschiedene Start-ups haben sich auf diesen Bereich spezialisiert, auch klassische Verlage steigen ein. Das Leipziger Start-up Lecturio, ebenfalls in diesem Marktsegment aktiv, hat jetzt 40 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt.

Gestartet ist Lecturio im Jahr 2008 als Videoplattform für Studenten verschiedener Fachrichtungen wie Jura, BWL und Medizin. Da sich Jura oder Wirtschaft nicht so leicht auf andere Länder übertragen ließen, konzentriere man sich seit 2016 auf Gesundheitsthemen, sagt Stefan Wisbauer, Geschäftsführer bei Lecturio.

Medizinstudenten finden auf der Website eine große Auswahl an Lehrvideos. 153 Kurse gibt es, die thematisch vom „Physikum Komplettkurs“ für monatlich 90 Euro bis zum Kurs „Physiologie des menschlichen Körpers“ für 20 Euro im Monat reichen.

Aber die deutschen Medizinstudenten sind nicht mehr die wichtigste Zielgruppe für Lecturio. Kunden aus aller Welt würden Kurse kaufen, berichtet Wisbauer. In den USA gäbe es mittlerweile mehr Nutzer als in Deutschland. „Die Vereinigten Staaten sind unser wichtigster Markt“, sagt er. Lecturio bietet dort neben dem Lernsystem für Medizinstudenten auch ein Kursprogramm für werdende Krankenschwestern an. Mit dem frisch eingesammelten Geld sollen nun der globale Vertrieb im Gesundheitsbereich verstärkt und neue Produktbereiche aufgebaut werden.

Investor als Türöffner

Auch in den USA will Lecturio die eigene Reichweite erhöhen. Dabei könnte der US-Investor Sterling Partners helfen, der die Investitionsrunde zusammen mit Inspara Partners angeführt hat. Sterling investiert in Bildungs-Start-ups und verfüge über gute Kontakte zu potenziellen Geschäftskunden, berichtet Jannik von Wallis, der bei dem Risikokapitalgeber Holtzbrinck Digital die Investments in Start-ups mit digitalen Geschäftsideen betreut. „Der Zugang zu Universitäten ist mühsam und zeitintensiv. Mit Sterling hat Lecturio einen Investor, der bereits ein gutes Netzwerk mitbringt.“

Wallis misst dem E-Learning-Markt für Mediziner großes Potenzial bei. „Es ist ein dynamischer Markt, der stark wächst, kein Verdrängungsmarkt.“ Deshalb investierte Holtzbrinck Digital sowohl in Lecturio als auch in Amboss, ein Start-up, das ebenfalls E-Learning-Angebote für Mediziner anbietet.

Amboss bietet eine Art Wikipedia für Mediziner

Wie Lecturio bietet Amboss eine Weiterbildungsplattform für Mediziner. Allerdings ist der Fokus ein textlastiger, Amboss bewirbt die eigene Plattform als eine Art Wikipedia für Medizinstudenten und Ärzte.

Seit seiner Gründung im Jahr 2012 in einer Kölner Altbauwohnung hat das Start-up ein starkes Wachstum erfahren. Laut Unternehmen arbeiten inzwischen 400 Angestellte in Büros in Köln, Berlin, New York und Cagliari (Italien). Ein Drittel der Angestellten seien Ärzte, sagt Amboss-Gründer Sievert Weiss. Der Umsatz liege im zweistelligen Millionenbereich, bei einem jährlichen Wachstum von etwa 100 Prozent.

Im E-Learning-Bereich bei deutschen Medizinstudenten sei die Vertriebsarbeit nahezu getan. „40 von 41 Universitäten mit medizinischer Fakultät haben einen Vertrag mit uns“, berichtet Weiss. Auch Ärzte werden adressiert. „30 Prozent der deutschen Ärzte sind auf unserer Plattform“, sagt er, was unter anderem an Kooperationen mit großen Klinikbetreibern wie Helios liege.

Nach einer Finanzierungsrunde im Jahr 2019 in Höhe von 30 Millionen Euro setzt Amboss heute auf die internationale Verbreitung der eigenen Produkte. „Wir nutzen das Geld als Wachstumsbeschleuniger“, sagt Weiss. Neben Deutschland sind die USA ein wichtiger Markt, aber man habe Kunden aus 170 Ländern. Die Mehrheit der weltweit rund 1,2 Millionen Amboss-Nutzer seien Privatkunden.

Umbau des traditionellen Verlagshauses Thieme

Die Thieme-Gruppe bietet traditionell Fachbücher und Fachzeitschriften aus den Bereichen Medizin und Chemie an. Anders als die beiden Start-ups, die von Beginn an digitale Produkte entwickeln, muss Thieme das auf Papier fokussierte Buchgeschäft ins Digitale umbauen. Auch die Voraussetzungen sind andere: Thieme mit rund 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 170 Millionen Euro im Jahr 2020 unterhält seit 1979 ein Büro in New York, später sind Zweigstellen in Indien, Brasilien und China hinzugekommen.

Eine Business-Idee von Thieme: Klassische Papierprodukte mit digitaler Erweiterung anbieten. Medizinstudenten können sich etwa das dreibändige Lernpaket Anatomie für 220 Euro kaufen. Dazu gibt es einen Onlinezugang zur Lernplattform Via Medici für zwölf Monate.

In Via Medici seien sieben Jahre Arbeit geflossen, berichtet Tillmann Weik, der für die Entwicklung der Digitalprodukte für Medizinstudenten bei Thieme zuständig ist. „Wir haben das gesamte studienrelevante Fachwissen in dreieinhalbtausend Lernmodule untergliedert. Zudem haben wir die Inhalte für die Hochschulen so strukturiert, dass sie dem jeweiligen Curriculum entsprechen“, sagt er. Im Frühjahr 2020, zwei Monate nach Beginn der Pandemie, seien dann die Lerninhalte für den klinischen Studienabschnitt fertiggestellt worden.

Deshalb wisse er auch nicht, ob der starke Zuwachs an Nutzern von 250 Prozent von 2019 bis 2021 auf die Pandemie oder die Fertigstellung des Produkts zurückzuführen ist. „Klar ist, dass Corona gezeigt hat, wie wichtig die digitale Lehre als Alternative zur Präsenzlehre ist“, sagt Weik.

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