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Exoskelette Keine Science-Fiction mehr: Rückenroboter reduzieren Krankentage

Handwerker, Industriearbeiter und Krankenpfleger müssen täglich schwere Lasten heben. Start-ups wollen sie mit Rückenrobotern entlasten und konnten bereits Investoren wie Samsung überzeugen.
13.01.2021 - 17:20 Uhr Kommentieren
Das Exoskelett soll Träger entlasten und vor Verletzungen schützen. Quelle: German Bionic
German Bionic

Das Exoskelett soll Träger entlasten und vor Verletzungen schützen.

(Foto: German Bionic)

Düsseldorf Science-Fiction-Filme handeln schon lange von Exoskeletten. In „Aliens – die Rückkehr“ etwa wird die Protagonistin Ripley mit einem futuristischen Gabelstapler ins All befördert. Mittlerweile sind solche mit dem Körper verbundenen Systeme keine Fiktion mehr – und die Anwendungsgebiete dabei umso realistischer.

Exoskelette sollen Träger vor Überlastungen und Verletzungen schützen, indem sie ihre Bewegungen unterstützen. Wie ein zweites Skelett werden sie außen am Körper als Gehhilfe oder Rucksack getragen. Die Hoffnungen von Industrie und Investoren sind gewaltig – auch in Deutschland. Das Augsburger Start-up German Bionic hat jüngst von hochkarätigen Tech-Investoren wie Samsung, MIG und IT-Farm aus Japan 16,5 Millionen Euro Kapital für die Entwicklung seines Rückenroboters eingesammelt.

Die Wirtschaft erhofft sich einen direkten Effekt auf die Gesundheit des Arbeitsmarktes. Schließlich entsteht laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz durch Muskel- und Skeletterkrankungen ein wirtschaftlicher Schaden von 30 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Viertel aller Krankheitstage in Deutschland sei darauf zurückzuführen, ergänzt Armin G. Schmidt, Geschäftsführer von German Bionic. Doch nicht alle Beobachter teilen die Euphorie.

Systeme sind in der Wirtschaft angekommen

German Bionic blickt bereits auf einen illustren Kundenstamm, darunter das Möbelunternehmen Ikea, der Flughafen Stuttgart und das DHL Innovation Center. Geschäftsführer Schmidt ist sich sicher: „Im Arbeitsalltag können Exoskelette in Prozessen eingesetzt werden, in denen eine Vollautomatisierung nicht sinnvoll ist.“ Vorstellbar sei der Einsatz etwa in der Logistik-Branche, in Industrieunternehmen, in Handwerksbetrieben oder auch in Pflegeeinrichtungen.

Das System Cray X von German Bionic entlastet seinen Träger um bis zu 30 Kilogramm. Da es aus Carbon besteht, wiegt es selbst nur sieben Kilogramm. Sensoren messen die gehobene Menge, die Daten werden anonymisiert auf die German Bionic IOT Plattform übertragen und von einem Algorithmus ausgewertet. „So kann der Arbeitgeber feststellen, wie viele Tonnen in welcher Zeit vom Exoskelett kompensiert wurden und nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter landen“, sagt Schmidt. Auf seinem Laptop einsehen kann der Arbeitgeber nur die gesamte Menge, die gehoben wurde – nicht aber die Leistung des Einzelnen.

Der Algorithmus erkennt außerdem an Beinstellung, Bewegungsgeschwindigkeit, Schrittlänge- und frequenz, wenn Muskeln ermüden könnten. Sobald die Last zum Beispiel nicht aus den Knien, sondern aus dem Rücken gehoben wird, meldet der Algorithmus dem Träger seine ungesunde Körperhaltung auf einem Display am Exoskelett.

Solch ein System hat seinen Preis und startet im Mietvertrag bei rund 700 Euro im Monat. Der Konkurrent Paexo Back von Ottobock liegt bei einem Eigengewicht von vier Kilogramm bei 59 Euro im Monat. Dabei handelt es sich allerdings um ein passives System, das Träger bei einer Last von bis zu 25 Kilogramm unterstützt. „Unsere Paexo-Exoskelette nehmen die Lasten auf und übertragen sie in andere Bereiche, die diese besser verkraften können, beispielsweise die Hüfte“, sagt Sönke Rössing, Leiter von Ottobock Industrials. Die Mechanik funktioniert also ähnlich wie ein Seilzug und verlagert das Gewicht nur.

Auch das mechanische Exoskelett ist bereits am weltweiten Markt angekommen. Zu den Unternehmenskunden von Ottobock zählen zum Beispiel Airbus, Daimler und Toyota. „Märkte wie Deutschland, Frankreich und die USA haben den höchsten Reifegrad. Das heißt auch, dass Normierungsinstitutionen, Arbeitsschutzorganisationen und Wissenschaft Exoskeletten einen besonderen Stellenwert einräumen“, erklärt Rössing.

Keine Langzeitstudien

Doch aus wissenschaftlicher Sicht gibt es noch offene Fragen. Wie sich das Tragen der Exoskelette über einen längeren Zeitraum auswirkt, konnte man noch nicht wirklich beurteilen, meint Uwe Eisner, Vorsitzender des Verbands für Deutsche Physiotherapie. „Wir wissen aber, dass Inaktivität und gleichbleibende Bewegungen die größten Schäden verursachen“, sagt Eisner. Insofern könnten Exoskelette hilfreich sein.

Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) hat ein weiches Exoskelett entwickelt. Der Ergojack sieht aus wie eine Weste und misst die Bewegungen seines Trägers ebenfalls über Sensoren. Ein Algorithmus wertet aus, ob die Bewegungen ergonomisch sind. Falls Träger sich ungesund verhalten, werden sie über ein Vibrationssignal darauf aufmerksam gemacht.

In dem vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderten Projekt PowerGrasp haben die Forscher dieses Modell jetzt weiterentwickelt. Auch der Fraunhofer-Algorithmus kann ab sofort Ermüdungshinweise feststellen. Jörg Krüger, Geschäftsfeldleiter der Automatisierungstechnik des Fraunhofer IPK, erklärt: „Von den bisherigen Systemen unterscheidet uns, dass es sich um ein soft-robotisches System handelt und es damit leichter und flexibler ist als bisherige körpergetragene Unterstützungssysteme auf Basis starrer Komponenten.”

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