Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Fehlende Gesundheitskarten und Pins Viele Patienten werden E-Rezepte ausdrucken

Kurz vor dem Start des elektronischen Rezepts zeigt eine Umfrage: Zahlreiche Versicherte werden die zugehörige App nicht nutzen können. Besser läuft es bei den Konnektoren.
23.06.2021 - 19:36 Uhr Kommentieren
Der angedachte Königsweg zur Einlösung per App wird erst einmal nur eine Randerscheinung. Quelle: Imago
Elektronische Verordnung

Der angedachte Königsweg zur Einlösung per App wird erst einmal nur eine Randerscheinung.

(Foto: Imago)

Düsseldorf Zum Wächter für das elektronische Rezept (E-Rezept) sollte die Gematik werden. Ab dem 1. Juli wird das E-Rezept in Berlin und Brandenburg erprobt, ab 2022 ist es bundesweit verpflichtend. Auf zwei Wegen werden Patienten es einlösen können: Sie können es sich vom Arzt ausdrucken lassen oder erhalten es in einer App.

Der zweite Weg sollte zum Kern der E-Rezept-Strategie werden. Dabei wurde erstmals die Gematik selbst auserkoren, eine App zu entwickeln. Durch die „neutrale und qualifizierte Anbieterin“ würde die Akzeptanz bei den Patienten erhöht, hieß es im vorigen Jahr in der zugehörigen Gesetzesbegründung.

Ob stationäre oder Online-Apotheke, bei der rein digitalen Einlösung steht immer die App der mehrheitlich in Bundesbesitz befindlichen Gesellschaft am Anfang. Entweder löst der Nutzer sein E-Rezept direkt dort ein oder er leitet es von dort weiter. Doch jetzt zeigt sich: Die Gematik wird ihrer Wächterrolle nicht gerecht.

Das E-Rezept kann nur über die Gematik-App genutzt werden, wenn Versicherte sich mit einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK), die sich einscannen lässt, und der dazugehörigen Pin anmelden. Doch eine Umfrage von Handelsblatt Inside unter Deutschlands größten Kassen zeigt: Besonders die Pin ist bislang kaum verbreitet.

Von den insgesamt rund 27 Millionen Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) hätte nur 2000 eine funktionierende Pin. 130.000 hatten die AOKen schon ausgegeben, mussten diese aber „aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben“ nachträglich sperren, heißt es vom AOK-Bundesverband.

Hintergrund sind neue Anforderungen bei der Identifikation der Versicherten. Aktuell müssen diese in eine Geschäftsstelle gehen, um an den Pin zu kommen. Derzeit wird ein Verfahren mit der Deutschen Post vorbereitet, bei der die Identifikation an der Haustür durch einen Postboten durchgeführt werden kann. Mitte 2021 soll das starten.

Auch die anderen Kassen leiden unter dieser Tatsache. Die DAK hat in diesem Jahr gerade einmal 500 Pins ausgegeben, ebenso die Siemens Betriebskrankenkasse. Bei der Knappschaft-Bahn-See sind es 1000. Bei der Barmer liegt die Nachfrage nach den speziellen eGK im vierstelligen Bereich.

Doc Morris, Apologistics: Online-Apotheken setzen auf Alternative zur Gematik-App

Der Alternativweg zur Einlösung des E-Rezepts wird damit zur Regel – auch deshalb, weil die Nutzer dabei trotz des Ausdrucks auf Papier das E-Rezept leicht online nutzen können. Die großen Spieler im digitalen Bereich wollen fast alle die Möglichkeit anbieten, dass Nutzer den E-Rezept-Ausdruck in ihrer App einscannen und einlösen können, ob Doc Morris, Apologistics oder gesund.de, dem Zusammenschluss diverser Apotheken-naher Unternehmen. Allein Shop Apotheke ließ offen, ob sie diese Möglichkeit anbieten werden.

Apotheker Ralf König, der mit dem Health Innovation Hub das Bundesgesundheitsministerium berät, sagte dem Branchendienst „Apotheke Adhoc“ kürzlich: „Genau gegen diese Möglichkeit habe ich die letzten Monate leider erfolglos gekämpft, denn dadurch ist die Gatekeeper-Funktion der Gematik-App hinfällig.“

Apologistics-CEO Oliver Scheel erwartet, dass insbesondere in der Anfangszeit mehr als 95 Prozent der E-Rezepte über den Ausdruck eingelöst werden. „Ein Scan in unserer App ist für den Patienten viel einfacher, als die nicht auf die Patientenbedürfnisse zugeschnittene Gematik-App zu nutzen“, sagt er.

Doc-Morris-Deutschlandchef Walter Hess erklärte bei einem Investorentag: „Stand heute erwarten wir, dass 90 Prozent der Patienten ihre E-Rezepte als Ausdruck erhalten und weniger als zehn Prozent über die E-Rezept-App der Gematik.“

In Berlin versuchen die Verantwortlichen bereits zu reagieren. Vor einigen Wochen hatte der Bundestag beschlossen, dass die Krankenkassen bis 2022 eine Anmeldung für die E-Rezept-App schaffen müssen, die ohne eGK und Pin funktioniert. Fraglich ist allerdings, inwieweit das etwas ändern wird.

Die Bundesregierung war scharf dafür kritisiert worden, mit der Gematik-App eine nahezu staatliche Monopol-Anwendung für das E-Rezept zu schaffen und jegliche privaten Anbieter bei der direkten, rein digitalen Einlösung des E-Rezepts auszuschließen. Mit der Aufgabe an die Kassen, alternative Anmeldewege zur eGK zu entwickeln, könnte sie diese Tür nun schon wieder öffnen. Kassenvertreter gehen davon aus, dass sie das E-Rezept dann auch in ihre Kassen-Apps integrieren dürfen. Eine Rechtsverordnung wird das noch klären.

Sollte dem so sein, werden auch die Apotheken E-Rezept-Apps für sich beanspruchen. Bei dieser potenziellen Fülle an App-Angeboten darf infrage gestellt werden, wer die Gematik-App dann noch nutzen würde.

So oder so, der E-Rezept-Ausdruck dürfte nicht von jetzt auf gleich verschwinden. Die Gematik prognostiziert, dass sich dieser „auch über 2022 hinaus noch eine Weile halten wird“. Sollte der Papierausdruck irgendwann Geschichte werden, arbeitet die Gesellschaft an einer Alternative für Versicherte, die das E-Rezept nicht auf dem Smartphone nutzen können oder wollen. Dann soll womöglich die eGK wieder ins Spiel kommen, um damit E-Rezepte vor Ort in der Apotheke einzulösen.

E-Rezept: Konnektoren können zum Teil Komfortsignatur ausstellen

Besser läuft es auf Seiten der Ärzte. Weitere Konnektoren, mit denen die Mediziner die Rezepte elektronisch signieren, werden für den Projektstart bereitgemacht. Die Version PTV4+ ermöglicht dabei die Komfortsignatur. Ohne diese müsste ein Arzt bei jedem E-Rezept, dass er ausstellt, seinen Heilberufsausweis einstecken und eine Zahlenfolge eingeben. Bei der Komfortsignatur kann er das einmal machen und damit innerhalb der nächsten 24 Stunden bis zu 250 E-Rezepte signieren.

Das Gerät von Secunet ist bereit für die Komfortsignatur – und damit für das E-Rezept. Quelle: Secunet
Konnektor

Das Gerät von Secunet ist bereit für die Komfortsignatur – und damit für das E-Rezept.

(Foto: Secunet)

Hersteller Secunet hat nach PTV4, das es für die ebenfalls am 1. Juli startende elektronische Patientenakte benötigt, in dieser Woche auch die Zulassung für PTV4+ erhalten. Rise wird nun nachziehen. Das Unternehmen erwartet die Zulassung für PTV4 heute oder am Freitag, wie Rise Handelsblatt Inside mitteilte. Kommende Woche soll zudem PTV4+ zugelassen werden. Der verbliebene Konnektor-Hersteller Compugroup Medical werde „zeitnah“ die Zulassung für PTV4 und PTV4+ erhalten, teilte der Konzern mit.

Ein Beteiligter fürchtet allerdings, dass die Zulassungen Folge politischen Drucks wegen des anstehenden Starts von elektronischer Patientenakte und E-Rezept sind: „Da wird es noch einige technische Probleme geben.“

Die Einführung des E-Rezepts wird nicht nur wegen eGK, Pin und Konnektoren langsam vonstattengehen. Am 1. Juli wird der Test bloß mit einer Arztpraxis und einer Apotheke in Berlin erprobt, erfuhr Handelsblatt Inside von Beteiligten. „Apotheke Adhoc“ hatte zuerst darüber berichtet. Die Gematik bestätigte, dass sie mit ausgewählten Partnern starte. Danach werde der Testbetrieb auf immer mehr Praxen und Apotheken in Berlin und Brandenburg ausgeweitet. Immerhin läuft es bei den Konnektoren besser.

Mehr: Telekom beantwortet Fragen zum E-Rezept

Mehr zu: Fehlende Gesundheitskarten und Pins - Viele Patienten werden E-Rezepte ausdrucken
0 Kommentare zu "Fehlende Gesundheitskarten und Pins: Viele Patienten werden E-Rezepte ausdrucken"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.