Flutkatastrophe Niedergelassene Ärzte verlieren Patientendaten

(Quelle: IMAGO/Uta Wagner)
Der Psychiater Christian Jost hat sich erst vor drei Monaten in Bad Münstereifel niedergelassen. Dann stieg die Erft an, und seine Praxisräume wurden überschwemmt. „Alles futsch“, sagt Jost. Aber nicht nur das Interieur und die papiergebundenen Patientenakten wurden weggeschwemmt, sondern auch Josts Laptop und die Backup-Festplatte. „Ich habe den Laptop im Schlamm gefunden, ein IT-Experte versucht, die Daten zu retten“, sagt Jost. Möglicherweise sind alle Patientendaten verloren.

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Es gibt für Praxisinhaber inzwischen zwar die Möglichkeit, auf Cloud-Lösungen zu setzen. Viele Ärzte bevorzugen aber den lokalen Server, der in der Praxis steht. Dann sind die Daten lokal gespeichert. Wenn eine Flutkatastrophe kommt und die Server zerstört, sind die Daten weg und damit manchmal jahrzehntelange Krankengeschichten. Das ist problematisch, denn ein Arzt ist verpflichtet, Patientendaten für die Dauer von zehn Jahren nach Behandlungsabschluss aufzubewahren. Allein in Nordrhein-Westfalen sind laut der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein über 100 Praxen von der Flutkatastrophe betroffen.
Der Hausarzt Marcus Friedl hat am Vortag des Hochwassers seine Patientendaten auf eine Festplatte überspielt und mit nach Hause genommen. Das tägliche Backup ist eine seiner abendlichen Routinen. Die Fluten haben auch seine Hausarztpraxis in Bad Neuenahr zerstört, aber dank der Sicherheitskopie können Friedls Patientendaten wiederhergestellt werden. „Unsere Praxis-EDV-Firma ist gerade dabei, die Daten auf einen neuen Server zu spielen“, sagt Friedl.
Der neue Server wird dann, wenn der Hochwasser-Schaden behoben ist, wieder lokal in der Praxis installiert. Es wird bei Marcus Friedl also auch in Zukunft heißen: Ein Sicherheitsupdate pro Tag. Eine Cloud-Lösung schließt er aus: „Unsere 100-Mbit-Leitung wäre für das Hochladen der Daten viel zu langsam.“ Er führt zwar keine radiologische Praxis, in der datenstarke Bilder erzeugt werden. Aber auch in einer Hausarztpraxis würden viele neue Daten produziert werden, zum Beispiel durch das Einscannen von Dokumenten. „Es dauert jeden Tag bis zu eine Stunde, bis alle Daten per USB-3 auf die Backup-Festplatte übertragen sind“, sagt Friedl.
Lokale Speicherung der Patientendaten
Bei der Praxis-IT-Firma Arztsysteme Rheinland in der Nähe von Köln haben sich einige Praxen aus der Region gemeldet, die von der Flutkatastrophe betroffen sind. Alle Betreiber haben ihre Daten lokal gespeichert. Cloud-Lösungen scheinen bei Praxisinhabern generell unbeliebt zu sein. Tobias Raskorb, der bei Arztsysteme Rheinland beschäftigt ist, erklärt sich das mit den mindestens fünfstelligen Anschaffungskosten für lokale Server. Wer diese Investition bereits geleistet hat, stellt ungern auf eine Cloud-Lösung um, bei der ein monatlicher Betrag anfällt. „Neukunden interessieren sich in der Regel für Cloud-Lösungen“, sagt Raskorb.
Eine Speicherung der Patientendaten in einer Cloud ist gesetzeskonform. Ein Praxisinhaber muss allerdings einiges beachten, weiß Oliver Ebert, Fachanwalt für IT-Recht aus Stuttgart: „In manchen Fällen muss der Arzt eine umfängliche Datenschutzfolgenabschätzung vornehmen oder eigens einen Datenschutzbeauftragten bestellen, wenn er eine Cloud-Lösung einsetzt.“ Auch der Zugriff auf das Backup könnte zum Problem werden, wenn die Auftragsfirma insolvent ist oder ein Server-Standort betroffen ist.

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Unabhängig davon, für welche Lösung sich ein Praxisinhaber entscheidet, muss er die Datensicherheit gewährleisten. Gehen die Patientendaten aufgrund einer nachlässigen Speicherung verloren, verletzt er seine Sorgfaltspflicht.
Der Arzt kann Patienten dann keine Auskunft mehr über die Behandlung geben. Dies sei aber noch ein vergleichbar geringes Problem, sagt IT-Rechtler Ebert: „Wenn jedoch ärztliches Handeln begründet werden muss, wenn ein Arzt also zum Beispiel erklären muss, warum er eine bestimmte Therapieentscheidung getroffen oder unterlassen hat, und es liegen keine Aufzeichnungen mehr vor, könnte das für den Arzt zum Haftungsproblem werden.“
Unter Umständen könnte es auch Probleme mit Kostenträgern geben: „Wenn der Arzt Verordnungen getätigt hat und die entsprechenden Nachweise später fehlen, kann die Kassenärztliche Vereinigung womöglich Geld zurückfordern“, sagt Ebert.
Für den Psychiater Christian Jost ist eine mögliche Rückzahlungsforderung derzeit das geringste Problem. Die Flutkatastrophe in Bad Münstereifel hat psychisch labilen Menschen besonders zugesetzt. Er behandelt seine Patienten deshalb in den Räumen eines lokalen Sportgeschäfts und dokumentiert auf Papier. Wenn die Flutkatastrophe überstanden ist, wird er seine Praxis neu einrichten und wieder auf den lokalen Server setzen – die Sicherungsfestplatte mit den Patientendaten lagert er dann aber in einem feuer- und wasserdichten Sicherheitsschrank.
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