Gastbeitrag Den Start-up-Standort stärken

Viele „Apps auf Rezept" kommen aus Start-up-Schmieden.
Die Gesundheitswirtschaft gehört zu den Tempomachern in der deutschen Gründerszene. Rund jedes zehnte Start-up hierzulande stammt aus diesem Sektor, viele von ihnen gelten als besonders innovativ. Tatsächlich gibt es Bereiche des Gesundheitswesens, in denen praktisch alle Neuheiten von Jungunternehmen entwickelt werden. Beim Thema Digital Health zeigt sich dies beispielsweise im neu geschaffenen Markt der „Apps auf Rezept“: Hier waren es Start-ups, die als erste Konzepte entwickelt und Zulassungen beantragt haben.
Trotzdem bleiben die deutschen Gesundheits-Start-ups im internationalen Vergleich eher klein. Dies ist eine zentrale Erkenntnis des Reports „Future Health – Gesundheitsinnovationen und Start-ups in Deutschland“, der in der kommenden Woche im Rahmen des Handelsblatt Health Circle erscheinen wird. Von den tausend weltweit wertvollsten Gesundheits-Start-ups stammen lediglich zwölf aus Deutschland, wie eine Auswertung der Dealroom-Unternehmensdatenbank für den Report zeigt.
Sicher, junge Firmen aus großen Ländern – etwa aus den USA oder China – haben es aufgrund der Größe des Heimatmarktes immer leichter, schnell zu wachsen. Trotzdem sind auch viele europäische Nachbarn in dieser Rangliste häufiger vertreten als Deutschland.
Ein Mangel an Ideen ist sicher nicht der Grund, eher ist es ein Mangel an Wachstumskapital. Finanzielle Unterstützungsangebote für die ersten Gehversuche in der Selbstständigkeit gibt es in Deutschland zwar durchaus. Doch für die späteren Wachstumsphasen – wenn es darum geht, aus einem Hinterhof-Start-up einen globalen Kleinkonzern zu formen – fehlen hierzulande die Töpfe. In Umfragen nennen deutsche Gründer die Probleme bei der Finanzierung oft als Hauptproblem. Viele sehen sich dann im Ausland nach Geldgebern um – und bleiben oft gleich dort.
Viele Gründe für Kapitalmangel
Anders als in den USA legen vermögende Menschen in Deutschland ihr Geld meist konservativ an. Risikobereite Business Angels, die privates Geld in kleine Firmen stecken, gibt es nur wenige. Hinzu kommt, dass das Rentensystem nur zum Teil auf dem Prinzip der Kapitaldeckung fußt – dass also nur ein kleiner Teil der Altersvorsorge in Unternehmen investiert wird. Gleichzeitig müssen diese Gelder meist in besonders sichere Anlageformen fließen. Institutionelle Anleger fehlen somit als Geldgeber.
In Berlin wurde dies durchaus erkannt. Die Regierung versucht, Wege zu schaffen, wie institutionelle Anleger die staatlichen Unterstützungsfonds mit eigenem Geld ergänzen können – etwa, indem ihr Risiko durch staatliche Garantien begrenzt wird. Durch diese Art der Hebelung dürfte es tatsächlich gelingen, die Töpfe zu vergrößern. Doch um den Start-up-Standort wirklich zu stärken, bleiben die Volumina wohl zu klein. Gleichzeitig bleibt das Nebeneinander der vielen verschiedenen Förderprogramme von Bund und Ländern äußerst unübersichtlich.
Daten verfügbar machen
Doch entscheidet nicht allein die Verfügbarkeit von Kapital, ob ein Start-up sein Wachstum daheim fortsetzt. Ähnlich wichtig sind die Arbeitsbedingungen. Im Fall der Gesundheitswirtschaft ist hier der Zugang zu medizinischen Rohdaten zentral. Mit der sogenannten Big-Data-Analyse ist es heute möglich, enorme Datensätze auf spannende Zusammenhänge hin zu untersuchen. Viele Innovationen im Bereich der Diagnostik und Therapie basieren inzwischen darauf. Digital-Health-Start-ups, die sich mit Künstlicher Intelligenz und Big Data befassen, sind in Deutschland aber unterrepräsentiert.
Ob ein Forschungsstandort Erfolg hat, hängt davon ab, inwieweit der Rohstoff Daten verfügbar ist. Mediziner aber stöhnen oft, welch hohe bürokratische Hürden sie in Deutschland überwinden müssen, um mit Patientendaten zu forschen. Dabei ist der Datenschutz an sich nicht das Problem. Vielmehr geht es um zusätzliche Hürden – etwa, dass so viele Anträge geschrieben und so viele unterschiedliche Behörden parallel angefragt werden müssen.
All dies bleibt ein Nachteil für den heimischen Forschungsstandort. Dabei müssten die Grundsätze des Datenschutzes gar nicht gelockert werden, um den Forschern die Arbeit zu erleichtern. Praktikablere Verfahren wären schon hilfreich.
Wesentliche Ergebnisse des Reports werden auf der digitalen Veranstaltung des Handelsblatt Health Circle „Unboxing Future Health“ diskutiert: am Montag, den 21. Juni von 17:00 – 19.45. Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit.
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