Gesundheitsdienstleister Schwedisches Telemedizin-Start-up Kry will sich verstärkt bei Ärzten etablieren

Das schwedische Start-up Kry will Ärzten die digitale Sprechstunde vereinfachen.
Düsseldorf, Köln „Krya“ sagen die Schweden, wenn sie sich „gute Besserung“ wünschen. Ein Start-up bringt das in die digitale Welt: Kry. Das schwedische Telemedizin-Unternehmen hat nun 300 Millionen US-Dollar von Investoren erhalten. Die Finanzierungsrunde wurde vom kanadischen Pensionsfonds CPP Investments und dem US-Vermögensverwalter Fidelity angeführt.
Kry verbindet Patienten in seiner App per Videochat mit Ärzten. Das Unternehmen ist 2015 von Johannes Schildt mitgegründet worden, der Kry bis heute als CEO führt. Neben Schweden können Patienten in Großbritannien, Frankreich, Norwegen und Deutschland die Anwendung nutzen.
Mit den Investorengeldern will das Start-up keine neuen Märkte erschließen. Vielmehr plant Kry, sein Geschäft in der Breite auszubauen. Vom Videosprechstunden-Anbieter wollen die Schweden zu einem umfassenden Gesundheitsdienstleister werden. Bislang lag der Fokus des Unternehmens vor allem auf den Patienten. Kry-Deutschlandchef Daniel Schneider sagt dem Handelsblatt: „Nun wollen wir auch der Ärzteschaft das Leben erleichtern.“
Mediziner sollen mit der Technologie von Kry mehr Informationen über ihre Patienten erhalten, direkt mit ihnen kommunizieren können und personalisierte Behandlungspläne erarbeiten. CEO Schildt will es Patienten wiederum ermöglichen, „aktive Entscheidungen über ihre Gesundheit zu treffen, gemeinsam mit anderen öffentlichen und privaten Gesundheitsdienstleistern“. Wie genau das aussehen wird, ist bisher noch offen. Denkbar wäre eine Zusammenarbeit mit Krankenversicherern, Klinikketten und Fachgesellschaften. Zudem will Kry verstärkt chronisch Erkrankte ansprechen.
Für das laufende Geschäft sei die Finanzierung gar nicht notwendig gewesen, ergänzt Schneider: „Das Investment bringt uns jetzt aber die Möglichkeit, uns auf Wachstum zu konzentrieren.“ Der Jahresabschluss ist da aktuell nur Beiwerk. Wann Kry profitabel werde, lässt das in Schweden als Aktiengesellschaft gelistete Unternehmen offen. Genauso lohne es aktuell nicht, über einen Börsengang zu spekulieren, heißt es auf Unternehmensseite.
Zahl der Sprechstunden verdoppelt
Bereits im Januar 2020 hatte Kry 140 Millionen Euro eingesammelt. Dabei sorgte erst die Corona-Pandemie für den Durchbruch der Telemedizin. Viele Patienten nutzen Videosprechstunden, um der Infektionsgefahr in Arztpraxen zu entgehen. Über die Kry-App liefen nach Unternehmensangaben im Corona-Jahr 2020 1,5 Millionen Video-Sprechstunden, was ein Wachstum von 117 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) zählte etwa 1,7 Millionen durchgeführte Videosprechstunden zwischen März und September 2020. „Im Vergleichszeitraum 2019 waren es praktisch null“, sagt ZI-Geschäftsführer Dominik von Stillfried. Allerdings hält er den Organisationsaufwand, den Ärzte mit Videosprechstunden haben, oftmals für ein Hindernis.
Erst seit 2018 ist die Fernbehandlung in Deutschland erlaubt, die Regeln sind streng. Gleichzeitig ist das Marktpotenzial enorm: Kaum ein Land gibt für Gesundheit mehr Geld aus als Deutschland. Kry-Chef Schildt hatte daher Anfang des vergangenen Jahres Daniel Schneider für das Deutschlandgeschäft installiert. „Ganz klar: Deutschland ist der herausforderndste Markt“, sagt Schneider, der bereits bei Zalando arbeitete und zuletzt die Digitalagentur des Lebensmittelkonzerns Oetker leitete.
Bei einem behäbigen Markt muss man manchmal kompromisslos handeln. Das dürfte auch für Krys Plan mit der deutschen Ärzteschaft gelten. Krankenhäuser und Praxen nutzen in der Regel IT-Systeme großer Marktteilnehmer wie Compugroup oder Telekom. Bei neuen Anwendungen wie der Videosprechstunde ist die Systemintegration komplex – auch weil die Alteingesessenen vielfach selbst das Potenzial erkannt haben und eigene Telemedizin-Systeme ergänzen.
„Wir können nicht immer darauf warten, dass die anderen ihre Systeme für uns öffnen“, erklärt Schneider. Manchmal sorge es nur für Geschwindigkeit, einen parallelen Betrieb anzubieten, die Ärzte vom eigenen Angebot zu überzeugen und die Etablierten damit zur Integration zu zwingen.
Wettbewerb um digitalen Medikamentenhandel
Größter Konkurrent hierzulande ist wohl das Münchner Start-up Teleclinic. Ulrich Zander, geschäftsführender Gesellschafter von Sempora Consulting, glaubt nicht, dass die hohe Kapitalisierung Kry automatisch zum wichtigsten Anbieter von Videosprechstunden in Deutschland macht: „Es ist viel Geld, ja, aber das kann auch verbrannt werden.“ Die Teleclinic sieht er aufgrund starker Partnerschaften nach wie vor in einer „Poleposition“.
Im vergangenen Sommer war Teleclinic von der Schweizer Zur Rose Group übernommen worden, zu der mit Doc Morris auch der Marktführer bei den Versandapotheken gehört. Der Wettbewerb mit Kry dürfte sich auch darüber entscheiden, wer den digitalen Medikamentenhandel besser nutzen kann. Spätestens 2022 soll das elektronische Rezept die Papiervariante vollständig ablösen.
Kry hat sich auf diese Aufgabe bereits eingestellt. Patienten können schon jetzt nicht nur virtuell ihren Arzt besuchen, sondern auch ein digitales Rezept bei der Versandapotheke Apologistics einlösen. Bis zur Teleclinic-Übernahme konnten Kry-Nutzer das übrigens auch über Doc Morris tun.
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