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KI für Säuglinge Neopredix sammelt frisches Kapital ein

Das Start-up hat eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die Gelbsucht bei Neugeborenen voraussagen kann.
12.03.2021 - 19:31 Uhr Kommentieren
Geschäftsführer von Neopredix Quelle: Unternehmen
Thorsten Waloschek

Geschäftsführer von Neopredix

(Foto: Unternehmen)

Düsseldorf Wenn Neugeborene unter einer speziellen Gelbsucht leiden, verfärben sich die Haut und der Augapfel des Säuglings gelblich. Die gelbe Verfärbung beginnt meist am zweiten Lebenstag und hat am fünften Lebenstag ihren Höhepunkt. „Deswegen behalten Kliniken Neugeborene und ihre Mütter mindesten drei Tage noch zur Beobachtung in der Klinik“, sagt Thorsten Waloschek, Geschäftsführer von Neopredix.

Diese Beobachtungsphase möchte das Start-up aus der Schweiz durch eine Künstliche Intelligenz (KI) verkürzen, die vorhersagen kann, ob und wie stark die Neugeborenen-Gelbsucht ausbrechen könnte. Neopredix hat jetzt 3,7 Millionen Euro eingesammelt, wie Handelsblatt Inside vorab erfuhr.

Angeführt wird die Serie-A-Finanzierungsrunde von dem Wagniskapitalgeber Life Care Partners. Neben Bayern Kapital haben sich zudem die Eckenstein-Geigy-Stiftung und Business Angels beteiligt. „Mit dem Kapital wollen wir unsere Technologie noch auf andere Anwendungsfälle ausweiten“, sagt Waloschek und meint damit weitere Säuglingskrankheiten wie Infektionserkrankungen oder Herzfehler.

Georg Ried ist einer der Geschäftsführer von Bayern Kapital und setzt vor allem auf die „überschaubare Entwicklungszeit“ von Softwareprodukten wie die von Neopredix. „Außerdem ist der Zulassungsprozess etwas einfacher als bei Medtech-Hardware“, sagt Ried.

Gegründet wurde Neopredix im vergangenen Jahr von Marc Pfister, Sven Wellmann und Jörg Schmidt. Zuvor habe Gründer Wellmann mehrere Jahre an der Universität Basel zu dem Thema geforscht, berichtet Waloschek. Heute beschäftigt Neopredix zehn Mitarbeiter.

KI sagt Risiko für Gelbsucht voraus

Der Algorithmus von Neopredix kann anhand von sechs Parametern voraussagen, ob 48 Stunden später eine Gelbsucht bei Neugeborenen auftritt. Parameter sind unter anderem der Geburtszeitpunkt, ob das Kind durch einen Kaiserschnitt auf die Welt kam und sein Gewicht. Außerdem wird mindestens im Dreistundentakt der sogenannte Bilirubin-Wert, also die Menge des gelben Farbstoffs im Blut, gemessen. Dieser entsteht, wenn die hohe Anzahl von roten Blutkörperchen eines Neugeborenen zerfallen. Bleibt der Bilirubin-Wert hoch, kann es zu bleibenden Hirnschäden kommen. Nach 14 Tagen sollte das Bilirubin abgebaut sein.

Der Neopredix-Algorithmus kann dem behandelnden Arzt also als personalisierte Entscheidungshilfe dienen. Vorgesehen ist, dass Ärzte in einem Web-Programm die Daten des Babys eintragen und die Algorithmen einen Verlauf in 48 Stunden errechnen, also einen Bereich zwischen einem Mindest- und einem Maximalwert. Dieser Verlauf soll Ärzten auch als Graph angezeigt werden.

„Die Software gibt keine Hopp-oder-Top-Handlungsempfehlung im Sinne von ‚Das Baby kann nach Hause‘ oder ‚Muss hier bleiben‘, ohne dass der Arzt die prognostizierten Daten sehen könnte“, erklärt Waloschek. Die endgültige Entscheidung obliege immer dem Kliniker.

Noch ist die Technologie ein Prototyp, soll aber im nächsten Jahr als zertifiziertes Medizinprodukt am Markt starten. Das Datenset, mit dem die Algorithmen trainiert wurden, besteht aus 10.000 Datenpunkten, die aus drei europäischen Kliniken stammen.

Konkurrenz setzt auf App für zu Hause

Konkurrenz kommt aus den Vereinigten Staaten. Die University of Washington setzt auf eine Anwendung, die auch Eltern und Arzthelfer einsetzen können. Die App Bili-Cam verwendet die Kamera und den Blitz eines Smartphones in Verbindung mit einer Farbkalibrierungskarte, um Gelbsucht bei Säuglingen zu diagnostizieren.

Dafür muss die Kalibrierungskarte auf den Bauch des Babys gelegt und mit der Handykamera fotografiert werden. Die Karte kalibriert und berücksichtigt unterschiedliche Lichtverhältnisse und Hauttöne. Das Foto wird in einer Cloud gespeichert, dort in drei Minuten von Algorithmen ausgewertet und dem Anwender zurückgespielt.

Ursula Jahn-Zöhrens vom Verband deutscher Hebammen (DHV) begrüßt solche Initiativen: „Künftig werden wir in der Versorgung von Früh- und Neugeborenen auch KI-Modelle sehen, die die Behandlung unterstützen“, sagt sie. Ob eine Technologie letztlich gut sei, liege auch daran, welche Belastung man dem Baby zumute. „Wenn man die Belastung des Kindes verringern kann, weil man zum Beispiel weniger Blut abnehmen muss oder das Kind früher nach Hause in die Familie kann, ist das auf jeden Fall hilfreich“, sagt Jahn-Zöhrens.

Mehr: Die Coronakrise hat der Branche bei Investoren zum Durchbruch verholfen, ergibt eine Analyse des Wagniskapitalgebers Speedinvest. Im globalen Vergleich steht Deutschland aber noch am Anfang.

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