Kommentar Wir führen eine Datenschutz-Debatte, die keine ist

Wir sollten dringend die Verfahrensprobleme bei der digitalen Pandemie-Bekämpfung angehen, anstatt uns in eine Datenschutz-Debatte zu verrennen, die keine ist.
Von Ministerpräsidenten über Epidemiologen bis hin zu Hobby-Informatikern reicht die Riege derer, die den Schuldigen für den schleppenden Kampf gegen die Pandemie meinen ausgemacht zu haben: den Datenschutz. Deutschland beharre auf hohen Sicherheitsstandards. Damit stelle man den Datenschutz vor den Gesundheitsschutz. Doch sie alle eint, dass sie keine Ahnung davon haben, worüber sie sprechen.
Die Mäkler zetteln damit eine Datenschutz-Debatte an, die überhaupt keine ist. Das zeigt sich schon allein daran, dass sie nicht in der Lage sind, zu artikulieren, welche Maßnahmen aus ihrer Sicht denn helfen würden, der Datenschutz aber hindert. So viel vorweg: Die dieser Tage immer wieder kolportierte personenbezogene Erhebung von GPS-Daten, um Kontaktketten nachzuverfolgen, ist sicherlich nicht die Lösung – allein schon, weil GPS deutlich ungenauer als die derzeit eingesetzte Bluetooth-Technologie der Corona-Warn-App ist.
Vor allem aber interpretieren die Beschwerdeführer Sachverhalte falsch. Ein Problem ist längst noch kein Datenschutz-Problem, nur weil es im Zusammenhang damit steht. Vielmehr handelt es sich vielfach um Fehler in den Abläufen – die vielmals ausgerechnet von Politikern etabliert wurden.
Der bayerische Landesherr Markus Söder etwa hält die Corona-Warn-App für einen „zahnlosen Tiger“. Verbesserungsvorschläge, die über naheliegende Änderungen der Nutzerfreundlichkeit hinausgehen, hat er nicht parat. Dabei wären die so naheliegend. Ein Beispiel: Macht ein Verdachtsfall bei einem Arzt oder einer Station einen Coronatest, wird gleichzeitig eine Überweisung für das Labor erstellt, das für die Auswertung zuständig ist.
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Auf der Überweisung findet sich ein Feld mit der Frage, ob der Getestete einer Übertragung seines Ergebnisses in die Corona-Warn-App zugestimmt hat. Doch das ist oftmals nicht ausgefüllt, weil die Getesteten nicht darauf hingewiesen werden.
Schuld trägt der Föderalismus
Konsequenz: Selbst, wenn der Getestete sein Testergebnis in die App übermittelt bekommen wollen würde, hat er diese Option gar nicht. Lösung: Das Testpersonal muss besser geschult werden und der Patient Einblick in die Überweisung bekommen. Der Datenschutz hat damit nichts zu tun.
In der Forschung sieht es ähnlich aus. Im Frühjahr hatten sich die deutschen Unikliniken länderübergreifend zur Erforschung der Pandemie zusammengeschlossen. Der Datenschutz steht ihnen nun im Weg – schuld ist aber der Föderalismus.
Über die Einhaltung des Datenschutzes wachen in Deutschland ein Bundesdatenschutzbeauftragter, 17 Landesdatenschutzbeauftragte, die Datenschutzbeauftragten der Diözesen und Landeskirchen und die Ethikkommissionen der Bundesländer, Ärztekammern und Universitätskliniken. Längst gibt es eine Möglichkeit, eine federführende Datenschutzbehörde zu bestimmen. Das scheitert nur bislang – wieder einmal an den Abläufen.
Der Vergleich mit asiatischen Ländern hilft da auch nicht. Es heißt, dort habe man die Pandemie besser im Griff, etwa indem über personalisierte Bewegungsdaten kontrolliert würde, ob sich Verdachtsfälle an die häusliche Isolation halten. Wissenschaftlich nachgewiesen, dass derartige Maßnahmen tatsächlich zentraler Treiber für ein geringeres Infektionsgeschehen sind, ist es nicht.
Das beweist: Wir sollten dringend die Verfahrensprobleme bei der digitalen Pandemie-Bekämpfung angehen, anstatt uns in einer Datenschutz-Debatte zu verrennen, die keine ist.
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Toller Artikel - wer auf die Nutzlosigkeit der App hinweist ist ohne Ahnung. Was sollen solche "Artikel"