Kooperation ADAC setzt auf Schweizer Telemediziner Medgate

Der ADAC kooperiert mit dem Telemedizinanbieter Medgate, um Reisenden Videosprechstunden anzubieten.
Düsseldorf Das Deutschlandgeschäft geht für den Telemedizinanbieter Medgate bislang schleppend voran. „Wenige tausend Behandlungen“ zähle das Unternehmen aktuell, sagt Andreas Bogusch, Deutschland-Geschäftsführer von Medgate. In 21 Jahren habe die Schweizer Firma weltweit zehn Millionen Videosprechstunden mit Patienten durchgeführt. Am deutschen Markt ist Medgate 2019 gestartet.
Von der Kooperation mit dem Automobilclub ADAC erhofft sich der Pionier nun hierzulande florierende Nutzerzahlen. Auch Wettbewerber aus dem Versicherungsgeschäft bieten ihren Kunden Apps an, in denen Ärzte 24 Stunden erreichbar sind. Revolutionieren könnte die Zusammenarbeit mit Auslandsversicherungen die Telemedizin hingegen nicht, schätzen Investoren.
Der Telemedizindienst von Medgate ist von nun an in der Medical App des ADAC zu finden. Darauf zugreifen können ADAC-Premiumkunden und solche, die eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen haben. Steigende Kosten oder die Einschränkung von Angeboten schließt Marcel Springer, Strategieleiter beim ADAC, aus. Die Auslandskrankenversicherung kostet je nach Tarif zwischen 13 und 33 Euro im Jahr.
24 Stunden am Tag können Termine mit deutschsprachigen Ärzten vereinbart werden. Auf seiner Webseite weist der ADAC darauf hin, dass Telemediziner etwa bei einem Hautausschlag oder bei einer Erkältung weiterhelfen können, nicht aber in einer lebensbedrohlichen Situation. Der Großteil aller Patienten im Ausland habe auch keine schwerwiegenden Beschwerden, sagt Medgate-Deutschlandchef Bogusch.
Derzeit arbeiten die Schweizer mit über 200 Ärzten aus der ganzen Welt zusammen und beschäftigen über 500 Mitarbeiter. Die Videosprechstunde ist für die Privatversicherten der Barmenia und Süddeutschen Krankenversicherungen kostenlos, ein Angebot für Selbstzahler gibt es nicht. „Bis Ende dieses Jahres werden alle gesetzlichen Krankenkassen das Telemedizinangebot von Medgate erstatten, sodass gesetzlich Versicherte Medgate nutzen können“, verspricht Bogusch.
Neben einem Gespräch mit einem Telemediziner können Patienten auch Fotos, zum Beispiel von auffälligen Hautstellen, in der App hochladen. „Im Ausland ist die Nachfrage nach Videosprechstunden derzeit geringer, wir stellen aber eine steigende Nachfrage fest“, sagt Bogusch und weist auf die Reisebeschränkungen während der Coronapandemie hin. Die Zusammenarbeit mit dem ADAC sei ohnehin langfristig geplant. „Um medizinische Produkte am Markt zu etablieren, braucht man immer einen langen Atem – auch über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre“, sagt er.
Von insgesamt 21 Millionen Mitgliedern haben fünf Millionen eine Auslandskrankenversicherung beim ADAC abgeschlossen. Rund drei Millionen Beratungen würden jährlich zu den Themen „Reisen und Tourismus“ geführt. Pro Behandlung verdient der Telemedizinanbieter rund 43 Euro durch den ADAC. „Ein Arztbesuch oder stationärer Krankenhausaufenthalt im Ausland verursacht natürlich höhere Kosten“, sagt Springer.
ADAC gehört zu den ersten Videochat-Anbietern
Überzeugen konnte Medgate aber vor allem durch „Erfahrung und Qualität“, berichtet der Strategieleiter. „Ebenso entscheidend war, dass der Telemedizindienst in die ADAC-App integriert werden kann.“ In einer Ausschreibung ist der Automobilclub an Anbieter herangetreten. Die Schweizer konnten sich gegen zehn Konkurrenten durchsetzen. Der ADAC-Strategieleiter Springer bezeichnet die Telemedizin lediglich als eine Ergänzung bereits bestehender Kundenkanäle.
In der Videochatberatung zählt der ADAC zu den Ersten unter den Auslandskrankenversicherungen: So kündigen etwa die Allianz und die DKV einen 24-stündigen Telemedizindienst in einer App an. Vigo stellt eine Hotline zur Verfügung, unter der auch jederzeit ein Arzt zu erreichen ist. Hansemerkur bietet konkret die Videoberatung an. Deutschsprachige Mediziner sind also auch für Versicherte im Ausland keine Neuheit mehr.
Eckhardt Weber, Geschäftsführer des Risikokapitalgebers Heal Capital, gibt sich unbeeindruckt: „Kooperationen mit Partnern wie dem ADAC sind der nächste logische Schritt am Telemedizinmarkt, aber kein Gamechanger.“ Hintergrund sei, dass andere Telemedizinangebote teilweise auch im Ausland funktionieren. Peter Zeggel ist Geschäftsführer des deutschen Telemedizinanbieters Arztkonsultation und bestätigt Webers Einwand: „Ärztinnen und Ärzten, die Arztkonsultation.de einsetzen, steht es frei, die Videosprechstunde auch Versicherten mit Aufenthalt im Ausland anzubieten.“
Dass es einen Bedarf für Reisende an Telemedizin gebe, zeige die Testphase des Medgate-Angebots beim ADAC, sagt Springer: Über 90 Prozent aller Probanden bezeichneten den Dienst in der Medical App als einen Mehrwert. „Ziel war, bis Ende September 10.000 Probanden zu gewinnen – Anfang September wurde die App bereits fast 20.000-mal heruntergeladen“, ergänzt er. Bislang wurden 30 Telemedizinberatungen durchgeführt. Aktiv beworben habe man die Anwendung in dieser Zeit nicht.
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