Krankenhaus-Auslastung Ärzte nutzen DIVI-Intensivregister kaum

(Bild: Imago/Max Stein)
Die Notfallmedizinerin Viktoria Bogner-Flatz koordiniert zusammen mit ihrem Kollegen Dominik Hinzmann die Patientenverlegungen im Großraum München. „Manchmal telefonieren wir den ganzen Tag“, sagt sie. „Aber auch nachts werden wir immer wieder angerufen.“ Wann sie das letzte Mal durchgeschlafen hat, weiß Bogner-Flatz nicht.
Seit April 2020 sind Kliniken gesetzlich verpflichtet, ihre freien Intensivbetten zu melden. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) stellt eine entsprechende Plattform bereit, das DIVI-Intensivregister. In der Praxis nutzen viele Ärzte das DIVI-Register bei Covid-19-Patientenverlegungen aber nicht. Stattdessen telefonieren sie sich durch ihr Bundesland oder schauen in regionalen Bettenregistern nach freien Plätzen.
Das DIVI-Register nutzen Bogner-Flatz und Hinzmann bei der Patientenverlegung nicht, weil es nur einmal am Vormittag aktualisiert wird. „Die Situation ist sehr dynamisch“, sagt Bogner-Flatz, „gerade bei Coronapatienten kann sich der Gesundheitszustand innerhalb von Stunden sehr verbessern oder verschlechtern.“ Sie schaut in ein anderes Bettenregister, in das Ivena-System, um Kapazitäten zu überprüfen. Ivena ist ein Arbeitsprogramm, in dem die freien Krankenhausbetten dargestellt werden. Auch andere Bundesländer nutzen es. Es wird, je nach Bundesland, ein- oder zweimal am Tag aktualisiert.
Auch am Universitätsklinikum Heidelberg wird jetzt wieder mehr telefoniert. Der Intensivmediziner Michael Preusch ist dort zuständig für Patientenverlegungen. „Bei der ersten Welle haben wir eine Koordinierungsstelle für Corona eingerichtet“, berichtet er. „Wir haben einen Arzt zusammen mit zwei studentischen Hilfskräften in einen Raum gesetzt, von dem aus telefonisch die Verlegungen im gesamten Rhein-Neckar-Kreis koordiniert wurden. Wenn andere Kliniken aus dem Rhein-Neckar-Kreis oder der dortige Rettungsdienst Probleme hatten, konnten sie anrufen.“
Universitätsklinikum Heidelberg entwirft eigenes Bettenregister
Die Koordinierungsstelle wurde jetzt wieder aktiviert. Das DIVI-Register hält Preusch zwar für nützlich, um einen Überblick zu bekommen, wie es in der Republik aussieht. In seiner täglichen Arbeit nutzt er es aber nicht. Stattdessen hat das Universitätsklinikum Heidelberg zusammen mit SAP eine eigene Abfrage-Software entwickelt. Kliniken im gesamten Rhein-Neckar-Kreis sollen ihre freien Betten in die SAP-Software einpflegen.
Wenn in seinem Einzugsgebiet kein Bett mehr frei ist, wendet sich Preusch an den Cluster-Beauftragten. Das Land Baden-Württemberg ist in sechs Cluster aufgeteilt, wobei Heidelberg zum nördlichen Cluster gehört. Ist kein Bett im Cluster frei, wird das Team um Götz Geldner eingeschaltet. Geldner leitet die Intensivmedizin im Klinikum Ludwigsburg und steht dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) als Präsident vor. Er koordiniert die Patientenverlegungen innerhalb Baden-Württembergs.
Geldner sagt: „Ich schaue nicht in das DIVI-Register hinein.“ Wenn er nach freien Betten in Baden-Württemberg sucht, öffnet er das Covid-19-Resource-Board – ein Bettenmeldeportal, das es nur in Baden-Württemberg gibt. „Das DIVI-Intensivregister zeigt freie Intensivbetten nicht mit der notwendigen Detailtiefe an. Im Resource-Board wird auch die Bettenauslastung in Rehakliniken und Fachkliniken dargestellt“, sagt Geldner. Diese können bei minderschweren Covid-19-Verläufen ebenfalls angesteuert werden.
Ihn stört beim DIVI-Intensivregister vor allem, dass es oft von Verwaltungsangestellten und nicht von den Ärzten der Intensivstation ausgefüllt werde. DIVI-Register und Resource-Register werden derzeit einmal pro Tag aktualisiert.
Echtzeit-Patientendatenübermittlung nur mit zentraler Koordinierung
Eine Echtzeit-Patientendatenübermittlung wäre besser und auch machbar, sagt Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters. „Aber hierfür benötigen wir eine bundesweite Steuerung von den Schnittstellen bis hin zur technischen Umsetzung, und die haben wir derzeit nicht.“ Karagiannidis ist der Meinung, dass das DIVI-Register seinen Zweck erfüllt, nämlich die Kapazitäten in den Intensivstationen darzustellen. „Wir überprüfen das regelmäßig. Wir haben im Intensivregister eine hohe Übereinstimmung mit der tatsächlichen Belegung.“
Karagiannidis blickt optimistisch in die nächsten Monate: „Zu einer Immunisierung zählt ja nicht nur die Impfung, sondern auch eine überstandene Krankheit.“ Er rechnet damit, dass die Spitze der Delta-Welle zur Jahreswende erreicht sein wird. Er ist als Intensivmediziner der Kliniken der Stadt Köln ebenfalls in die Patientenverlegungen eingebunden.
Bis es ein Echtzeit-Bettenregister gibt, werden sich Karagiannidis und seine Kollegen und Kolleginnen aber weiter telefonisch abstimmen müssen. Das bedeutet für Viktoria Bogner-Flatz: Auch im Dezember wird sie nachts oft aus dem Schlaf geklingelt.
Mehr: Telemedizin und Bettenregister entlasten Intensivstationen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.