Künstliche Intelligenz Symptome checken per App: Bayer steigt bei Berliner Start-up Ada Health ein

Der Pharmakonzern investiert in Start-ups, auch mit Blick auf das eigene Geschäft.
Düsseldorf Der Pharmakonzern Bayer steigt beim Berliner Start-up Ada Health ein. Die Leverkusener führen eine Finanzierungsrunde mit einem Volumen von insgesamt 90 Millionen US-Dollar an, wie beide Unternehmen am Donnerstag bekanntgaben. Über die Details wollten beide Seiten keine Angaben machen.
Weitere Investoren sind der Catalyst Fund des Elektronikriesen Samsung, die privaten Beteiligungsgesellschaften Vitruvian Partners, F4 und Mutschler Ventures sowie die Inteligo Bank.
Ada Health hat eine App entwickelt, in die Nutzer bei gesundheitlichen Beschwerden ihre Symptome eintragen können. Eine Künstliche Intelligenz analysiert die Daten, gibt Hinweise auf mögliche Erkrankungen und zeigt auf, wie der Nutzer diese behandeln kann oder ob er zu einem Arzt gehen sollte. Ada Health ist nach eigenen Angaben in 150 Ländern aktiv und hat elf Millionen Nutzer, zwei Millionen davon in den USA, eine Million in Deutschland.
Bayer wolle Technologien fördern, die das Gesundheitswesen weltweit nachhaltig verändern, erklärt Jürgen Eckhardt, Leiter von Leaps by Bayer, der Investmenteinheit des Konzerns. „Und wir sind uns sicher, dass Ada das schaffen kann“, sagte Eckhardt Handelsblatt Inside. Ada vereinfache den Zugang zur Gesundheitsversorgung auch in Ländern mit wenig Infrastruktur, etwa in Afrika.
Derzeit laufen Gespräche zu einer strategischen Zusammenarbeit. Die Ada-App biete zum Beispiel Patienten die Möglichkeit, Beschwerden genau zu verstehen, bevor Nutzer eine Apotheke oder einen Arzt aufsuchten. „Das sind auch für uns interessante digitale Anwendungen“, sagt Eckhardt.
Teil der „Beyond the pill“-Strategie
Ada Health wiederum könnte von Bayers Arzneimittelgeschäft profitieren. „Sowohl ein Arzt als auch der Patient haben ein Interesse daran, dass jemand erst einmal ein leichtes Schmerzmittel nimmt, wenn das medizinisch schon ausreicht, anstatt gleich die Notaufnahme aufzusuchen“, erklärt Firmenchef Daniel Nathrath.
Dass das Geschäft sich vor allem auf die USA fokussiert, ist vor allem Mitgründer Nathrath zuzuschreiben. Der 49-jährige Jurist studierte in Houston und Chicago. Später baute er Start-ups in den USA, aber auch in Dänemark, Deutschland und Großbritannien auf.
Mit dem frischen Kapital will er die App „zu einem übergreifenden Frühwarnsystem für die eigene Gesundheit“ weiterentwickeln. Die Anwendung könne so ausgebaut werden, dass sie auch Sensor- oder Labordaten sowie Genomsequenzierungen analysiert.
Die Zusammenarbeit mit Bayer ist Teil einer strategischen Neuausrichtung, die das Unternehmen bereits seit einigen Jahren verfolgt. Wie viele andere Medizin-Start-ups fokussiert sich Ada mittlerweile auf Unternehmenskunden. So arbeitet das Start-up zum Beispiel mit der US-Gesundheitsorganisation Sutter Health zusammen. Laut Nathrath werden bald weitere Kooperationen verkündet.
Vor rund einem Jahr hatte die Neuorientierung dazu geführt, dass Ada Personal entlassen musste. „Damals sind wir an der falschen Stelle zu schnell gewachsen“, sagt Nathrath. Das solle nun nicht wieder passieren.

„Die Finanzierung kann uns dabei helfen, unsere App zu einem übergreifenden Frühwarnsystem für die eigene Gesundheit auszubauen.“
Es ist wahrscheinlich, dass Nathrath mit Bayer einen langfristigen Partner an seiner Seite hat. Die etablierten Pharmakonzerne suchen seit längerer Zeit neue Geschäftsmodelle, um das Arzneimittelgeschäft zukunftsfähig aufzustellen. „Beyond the pill“, also „jenseits der Pille“, wird das genannt.
Dabei bieten Investitionen in digitale Lösungen gleich zwei Chancen, meint Gesundheitsberater Nicolas Busch von der Boston Consulting Group: „Zum einen die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder zu eröffnen, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit, Synergien mit ihren bisherigen Angeboten zu schaffen, zum Beispiel der Begleitung einer medikamentösen Therapie mit digitalen Anwendungen.“
Tobias Silberzahn von McKinsey weist darauf hin, dass die Kooperation auch in der Forschung hilfreich sein könne. So könnten die per App gemeldeten Symptome die Datenlage für laufende klinische Studien verbessern.
Über Leaps hat Bayer bereits 1,2 Milliarden Dollar in 35 junge Unternehmen investiert. Auch komplette Übernahmen können daraus entstehen, so wie bei Blue Rock, einem US-Unternehmen im Bereich der Stammzellentherapie.
Im Fall von Ada Health hält Leaps-Leiter Eckhardt Bayer allerdings nicht für den richtigen Eigentümer. In der Branche werde es kritisch gesehen, wenn ein Pharmakonzern sich im diagnostischen Bereich engagiere. Schnell stehe der Vorwurf im Raum, Diagnosen würden tendenziös gestellt, um das Geschäft mit Arzneimitteln anzukurbeln. Eckhardt verspricht: „Ada muss weiter unabhängig bleiben.“ Leaps übernehme einen Sitz im Aufsichtsrat des Unternehmens, habe aber keinerlei operativen Einfluss.
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