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Ländlicher Raum Forschungsprojekt zur digitalen Pflege im Eigenheim endet

Im Forschungsprojekt Dorfgemeinschaft 2.0 wurde untersucht, wie das würdevolle Altern im Eigenheim mit digitalen Werkzeugen gelingen kann.
18.08.2021 - 19:13 Uhr Kommentieren
Foto: Franz Frieling
Mit Tabletts besuchten Projektbeteiligte den „Virtuellen Dorfmarktplatz".

Foto: Franz Frieling

Altenheime haben keinen guten Ruf, und so mangelt es nicht an negativen Bezeichnungen: Abkratzresidenz, Feierabendheim, Mumienbunker oder Seniorensammelstelle – um nur einige zu nennen. Rund 3,3 Millionen Pflegebedürftige wurden im Jahr 2019 laut Statistischem Bundesamt im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung gepflegt. Die Anzahl derjenigen, die nicht in ein Pflegeheim umziehen möchten, wird weiter steigen.

Gerade in ländlichen Regionen leben viele ältere Menschen. Doch wie gelingt ein würdevolles Altern, wenn es an Pflegekräften und Hausärzten mangelt? Welche digitalen Werkzeuge sind dabei hilfreich? Dies wurde im Rahmen des Projekts Dorfgemeinschaft 2.0 von 2015 bis 2021 im Landkreis Grafschaft Bentheim im Südwesten Niedersachsens erforscht. Handelsblatt Inside hat mit den Projektkoordinatoren gesprochen.

Würdevolles Altern in der Dorfgemeinschaft 2.0

Es gab beim Projekt vier Themenfelder, die betrachtet wurden: Mobilität, Versorgung, Wohnen und Gesundheit/Pflege. Gefördert wurde das Vorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund fünf Millionen Euro. Insgesamt betrug das Projektvolumen 5,8 Millionen Euro.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde eine Umfrage unter den Bewohnern des Landkreises zur Gesundheitsversorgung durchgeführt. Einige zentrale Probleme: Es gibt einen Mangel an Landärzten und Pflegekräften, sodass die Versorgung im Eigenheim erschwert wird. Digitale Medien werden kaum genutzt. Es gibt keine Website, die freie Plätze in Pflegeheimen darstellt, sodass bei der Suche viel telefoniert werden muss. Die Bereitschaft älterer Menschen, sich selbstständig mit neuen digitalen Werkzeugen vertraut zu machen, ist zudem gering.

Um diese Probleme zu lösen, wurde Verschiedenes ausprobiert. So konnten Besucher eines Expert-Elektromarktes in Nordhorn auf einer 85 Quadratmeter großen Fläche sehen, welche intelligenten Smarthome-Lösungen es gibt. Der Dienstleister ENO Telecom hat den Showroom, der noch zu besichtigen ist, maßgeblich eingerichtet.

Außerdem wurde eine Website entwickelt, ein sogenannter virtueller Dorfmarktplatz, über die sich die Nutzer austauschten. Die Website ist inzwischen wieder abgeschaltet. Frank Teuteberg von der Universität Osnabrück, der das Projekt wissenschaftlich begleitet hat, sieht einen Knackpunkt in der Bezahlung: „Es fallen monatlich mindestens 15.000 Euro Kosten für den Betrieb der Plattform an. Nur bei einer fünfstelligen Zahl aktiver Nutzer wäre die Plattform über Werbung, Sponsoring oder Kommunen finanzierbar.“

Im Rahmen des Projekts Dorfgemeinschaft 2.0 wurde auch über einen Kastenwagen mit telemedizinischer Ausstattung nachgedacht. Ein Fahrzeugbauer konstruierte den Prototypen einer „Rollenden Praxis“. Die Kastenwagen-Idee wurde allerdings verworfen, weil ein barrierefreier Zugang kaum realisierbar gewesen wäre und auch die Begrenzung des zulässigen Gewichts des Fahrzeugs zu Problemen bei der Nutzung geführt hätte. Auch das Fernbehandlungsverbot bestand zum Zeitpunkt des Kastenwagens noch, sodass der Arzt die Praxis auf Rädern selbst hätte bewegen müssen. Dies ist für viele Hausärzte wegen langer Anfahrtswege und dem damit verbundenen Zeitverlust aber nicht attraktiv.

Mobile Praxis passt in einen Rucksack

Das Fernbehandlungsverbot ist im Zuge der Corona-Pandemie gelockert worden, und inzwischen hat man festgestellt, dass für das telemedizinische Equipment kein Transporter nötig ist. Ein Rucksack reicht auch. In Rheinland-Pfalz wurden im Zuge eines anderen Projekts 24 Hausarztpraxen im vergangenen Jahr mit solch einem Telemedizin-Rucksack ausgestattet. Er enthält einen Tablet-PC und ein tragbares EKG-Gerät, auf dem die Patientendaten aufgenommen und ins Praxisverwaltungssystem überspielt werden. Die Assistenten der Hausärzte besuchen die Patienten zu Hause, nehmen die Daten auf und rufen bei Rückfragen per Videocall den Chef in der Praxis an. Der Projektabschluss ist hier 2022.

Bei der Suche nach freien Pflegeplätzen wurden inzwischen ebenfalls Lösungsansätze entwickelt. So gibt es in Nordrhein-Westfalen die Website „Heimfinder“. Hier werden freie Kurzzeitpflegeplätze und freie Dauerpflegeplätze in NRW dargestellt. In der Intensivmedizin gibt es bereits ein bundesweites Bettenregister.

Das Fazit der Dorfgemeinschaft 2.0: Praktische Anwendungen für die Gesundheitsversorgung von Pflegebedürftigen in ihrem Eigenheim liefert es nicht. Dafür aber die Erkenntnis, dass Widerstände bei der Einführung digitaler Technik auf dem Land groß sind.

Nicht nur die Beteiligten im Gesundheitswesen würden vielfach lieber abwarten, was die Telematikinfrastruktur in den nächsten Jahren bringt, als in Technologien privater Anbieter zu investieren, sagt Teuteberg. Auch die Anwender müssten überzeugt werden: „Die technischen Möglichkeiten sind da, aber sie müssten auch noch mehr genutzt werden. Es ist sehr zeitaufwendig, Anwender für neue Technologien zu begeistern.“

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