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Markteintritt Amazon Pharmacy versetzt Apotheken-Branche in Sorge

Der Internetgigant wird in den USA zur digitalen Apotheke. Die deutsche Branche versetzt das in Sorge, die Börsenkurse der EU-Digitalapotheken brechen ein.
18.11.2020 - 17:23 Uhr Kommentieren
Der US-Digitalkonzern wird in den USA zur Apotheke – bald auch in Europa?
Amazon

Der US-Digitalkonzern wird in den USA zur Apotheke – bald auch in Europa?

Berlin/Düsseldorf In den USA hat der Online-Versandhändler Amazon mit dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten begonnen und damit die deutsche Apotheken-Branche in Sorge versetzt. Wenn Amazon nach Deutschland käme, „müssen alle reagieren“, kommentierte Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die Nachricht aus den USA.

„Sollte Amazon auch in den deutschen Gesundheitsmarkt eindringen – wovon auszugehen ist –, stellt das unser gesamtes System der flächendeckenden Gesundheitsversorgung infrage“, fürchtet Hermann Sommer, Vorstandschef des apothekeneigenen IT-Dienstleisters Noventi. Gerade in ländlichen Gebieten könne das zu einer verzögerten Arzneimittelversorgung mit „all den gesundheitlichen Konsequenzen“ führen.

Bedrohung von Versand und vor Ort

Sowohl Versand-Apotheken als auch Apotheken vor Ort bereiten sich seit Längerem auf einen Einstieg von Amazon vor. Deutschlands größter Pharmahändler Phoenix entwickelt mit Noventi etwa ein zentrales Gesundheitsportal, das neben telemedizinischen Leistungen auch den Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten vorsieht.

Doc Morris will sich mit den stationären Apotheken verbünden. Die Branche will dem Schicksal der Buchhändler enteilen, die durch das Angebot des Versandhändlers in eine existenzielle Krise stürzten.

Die Bedrohung, die von Amazon im Apothekenmarkt für etablierte Player ausgehen könnte, zeigt sich in der Einschätzung der Konsumenten: Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Sempora unter 1164 Konsumenten haben 86 Prozent der Befragten einen Amazon-Account. Ein Drittel hat bereits bei Amazon nach Medikamenten gesucht und 22 Prozent haben darüber nicht-verschreibungspflichtige Arzneien auch schon gekauft. 43 Prozent der Befragten würden beim Medikamentenkauf Amazon sogar anderen Versandapotheken vorziehen.

Aktuell ist Amazon im deutschen Medikamentenmarkt nicht selbst als Versandhändler aktiv. Lokale Apotheker können Waren über die Onlineplattform anbieten. Als Kapitalgesellschaft darf Amazon keine Medikamente verkaufen, das ist nur approbierten Apothekern erlaubt.

Das dürfte für den Tech-Konzern bei einem Markteintritt in Deutschland auch noch eine Schwierigkeit darstellen. „Ich glaube nicht, dass Amazon auf Sicht in Deutschland einsteigt“, sagt ABDA-Präsident Schmidt. Der einfachste und vielleicht einzige Weg für Amazon wäre der Aufkauf eines ausländischen, europäischen Versandhändlers. Schon länger halten sich Gerüchte, der US-Konzern sei an der Doc-Morris-Muttergesellschaft Zur Rose interessiert.

Kooperation mit Apothekern und Warenlagern?

Es ist nicht die Frage, ob die Amazon-Apotheke nach Deutschland kommen wird – sondern wie. Den Markennamen „Amazon Pharmacy“ hat sich das Unternehmen bereits in mehreren europäischen Länder gesichert. Neben der kapitalrechtlichen Überlegung dürfte die logistische Strategie entscheidend sein.

Fraglich ist, ob Amazon den größten Nachteil eines Versandhändlers ausgleichen kann: die Dauer der Lieferung. „Amazon beansprucht traditionell ganze Märkte für sich. Dauert eine Lieferung aber mehrere Tage, werden sie sich wohl auf chronisch Erkrankte beschränken“, sagt Andre Heeg, Partner bei Boston Consulting Digital Ventures.

Ändern könnten das die mehr als 19.000 deutschen stationären Apotheken. Für nicht-verschreibungspflichtige Produkte arbeitet der Konzern von CEO Jeff Bezos bereits mit der Münchner Bienen-Apotheke zusammen und ermöglicht eine Express-Auslieferung innerhalb einer Stunde. Für das neue Angebot in den USA arbeitet Amazon mit 50.000 Apotheken zusammen.

Möglicherweise kann Amazon aber auch über seine Warenlager-Struktur schnellere Versendungen anbieten. Denn anders als Doc Morris oder Shop Apotheke hat Amazon zahlreiche Lager in der Republik verteilt.

Versandapotheken stellen mit einem Marktanteil von etwas mehr als einem Prozent bei verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland noch eine Nische dar. Mit der Einführung des E-Rezepts Mitte des kommenden Jahres könnten sich die Kräfteverhältnisse allerdings hin zum Versandhandel verschieben. Heeg erklärt: „Ein Markteintritt von Amazon würde das noch verstärken, weil es den Schritt, Medikamente online zu bestellen, noch naheliegender machen würde.“

Der am Mittwoch vorgestellte Apothekenklima-Index, den das Iges-Institut im Auftrag der ABDA durchgeführt hat, bestätigt das: 87 Prozent der Apotheker erwarten durch das E-Rezept mehr Versandhandel, die Hälfte vermutet zudem weniger Stammkunden-Bindung.

Die Ankündigung von Amazon schickte die Aktien potenzieller Wettbewerber jedenfalls auf Talfahrt. Europäische Marktführer wie die in den Niederlanden ansässige Shop Apotheke (minus elf Prozent) oder die Schweizer Zur-Rose-Gruppe (minus sechs Prozent), zu der Doc Morris gehört, verloren ebenso an der Börse.

Sein Apotheken-Angebot hat Amazon in die bestehende Plattform integriert. In der Kategorie Amazon Pharmacy können Nutzer Medikamente über die App und Internetseite des Versandriesen bestellen und über ihre Krankenversicherung bezahlen. Mitglieder des Prime-Programms, die ihre Versicherung nicht in Anspruch nehmen, erhalten bis zu 80 Prozent Rabatt auf Generika und 40 Prozent auf Originalarzneien.

Die Ankündigung kommt zwei Jahre nach der Übernahme der Online-Apotheke Pillpack für 753 Millionen US-Dollar, auf die Amazon-Kunden bislang umgeleitet wurden. Spätestens mit dem flächendeckenden Markteintritt wird der Versandhändler zur direkten Konkurrenz für Apotheken-Ketten wie CVS Health und Walgreens Boots Alliance.

Amazons Strategie im Gesundheitsmarkt bekommt damit sein nächstes Bauteil. Der Konzern arbeitet bereits mit Telemedizin-Anbietern zusammen. „Mehr und mehr Menschen versuchen, ihre alltäglichen Besorgungen von zu Hause aus zu erledigen”, sagte Doug Herrington, Vize-Geschäftsführer für das nordamerikanische Konsumentengeschäft bei Amazon. Versorgung aus einer Hand über Amazon scheint das Ziel zu sein – sicherlich früher oder später auch in Deutschland.

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