Reactive Robotics Roboter bewegt Intensivpatienten

Das System von Reactive Robotics stellt sich mittels Künstlicher Intelligenz individuell auf Patienten ein.
Düsseldorf Eine frühe Aktivierung der Muskulatur wird in zahlreichen Richtlinien für Patienten zum Beispiel nach einem schweren Schlaganfall empfohlen. „Oft fehlen auf den Intensivstationen aber die personellen Kapazitäten dafür, denn für die analoge Therapie braucht man mindestens vier Personen“, sagt Alexander König, Gründer von Reactive Robotics. Mit einem intelligenten Roboter möchte er Pflegekräfte eine Unterstützungsmöglichkeit in der Behandlung bieten.
Die Beteiligungsfirma Henrik Schunk, Altinvestoren wie Bayern Kapital und der High-Tech-Gründerfonds investierten jüngst eine mittlere siebenstellige Summe in das Münchner Start-up. Das frische Geld soll in bereits angelaufene Studien fließen, berichtet Gründer König. Unter den Partnern für den Praxistest sind zum Beispiel die Charité Berlin und eine Klinik der Schön-Gruppe. Bis der Roboter breit in der Versorgung eingesetzt werden könnte, müssten noch Anpassungen vorgenommen werden, mahnen Pflegewissenschaftler.
Reactive Robotics wurde 2015 gegründet und beschäftigt heute 25 Mitarbeiter. König erinnert sich noch gut daran, wie er im Büro seines Doktorvaters den ersten Prototypen aus Holz baute. Mittlerweile ist das System CE-zertifiziert und wird in insgesamt sechs Kliniken in Deutschland und Österreich eingesetzt. Angaben des Herstellers nach sei man auf die anstehende Medizinprodukteverordnung auch vorbereitet. Rentabel oder profitabel sei man noch nicht, sagt König. „Das Unternehmen kann sich wohl frühestens in drei Jahren selbst tragen.“

Gründer von Reactive Robotics
Der Roboter ist ein sogenanntes Exoskelett, also eine Stützmaschine, die an einem Krankenbett befestigt wird, das sich vertikal aufstellen kann. So können Patienten in eine aufrechte Position verlagert werden. Durch eine Pflegekraft wird das System über einen Monitor eingestellt und gestartet. Sensoren an den Beinen messen die Kraft und das Drehmoment. Diese Informationen werden wiederum von einem Algorithmus ausgewertet. So weiß die Maschine permanent, wie stark die Gliedmaßen des Patienten belastet werden können.
Entwickelt wurde der Algorithmus in Kooperation mit dem Elektrotechniker Sami Haddadin der Technischen Universität München. Der Algorithmus folge mathematischen Regeln, die mit den Sensorwerten eines Patienten gefüllt werden. Das Regelwerk basiere auf medizinischen Zielen, sagt König.
Besonders vielversprechende Einsatzfelder sehe er in der Behandlung von Covid-19- Patienten, sagt der Ingenieur. In der Charité Berlin führe das junge Unternehmen aktuell zwei Studien mit Corona-Patienten durch. Die Laufbewegungen könnten den Kreislauf anregen und wiederum die Lunge entlasten. „Derzeit sieht es auch danach aus, dass das Laufen mittels unseres Exoskeletts vermeiden kann, dass Patienten Langzeitfolgen entwickeln“, sagt König.
Roboter zu groß für Intensivstation
Carsten Hermes von der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) ist von dem System überzeugt. „Das System wird durch seine Algorithmen besonders, die sich individuell auf die Kraft und Beweglichkeit des Patienten einstellen.“ Eine vergleichbare Technologie gebe es bislang nicht auf dem Markt.
Frei von Schwächen sei der Vemo-Roboter trotzdem nicht. Das System sei zu groß. „Viele Intensivstationen in deutschen Kliniken haben ein Platzproblem“, sagt Hermes. Insbesondere in der Covid-Pandemie sei des Systems unpraktisch. Sobald sich der Gesundheitszustand eines Patienten verbessert, würden diese sofort auf eine neue Station verlegt. Zu den Intensivmedizinern, die das System langfristig einsetzen möchten, besteht dann aber kein Kontakt mehr. Die Patienten-Fluktuation könnte valide Aussagen über die Effekte der Maschine erschweren. „Das ist aber nicht der Technologie, sondern den Rahmenbedingungen in Kliniken geschuldet“, ergänzt Hermes.
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