Robert-Koch-Institut Verwirrung um die Impfquote – Wieso mehr Menschen geimpft sind als angenommen

Das Institut ermittelt die Impfquote gegen das Coronavirus.
Berlin In Deutschland herrscht Unklarheit über die Impfquote. Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzte den Anteil vollständig gegen das Coronavirus geimpfter Erwachsener zuletzt um ganze fünf Prozentpunkte höher ein als zuvor angenommen. Ging man zunächst von 75 Prozent vollständig geimpfter Erwachsener aus, sind es einem neuen Bericht zufolge 80 Prozent.
Die Impfquote ist Grundlage politischer Entscheidungen. Der Impffortschritt müsse „so genau und aktuell wie möglich“ dargestellt werden, schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage von Handelsblatt Inside. Daran hapert es offenbar noch.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Datensammlung im Überblick.
Wie werden Corona-Impfungen in Deutschland gemeldet?
Das Robert Koch-Institut sammelt und analysiert die Impfdaten. Sie kommen auf digitalem Weg über unterschiedliche Stellen: von Arztpraxen, Impfzentren, beweglichen Impfteams, Krankenhäusern und Betriebsärzten. Je nach Stelle fällt ein anderer Meldeweg an.
Wie melden Arztpraxen Corona-Impfungen?
Niedergelassene Ärzte, die gesetzlich Versicherte behandeln, sollen anonyme Impfdaten, etwa die Gesamtzahl der Impfungen und den Impfstoff, täglich über ein Portal der Kassenärztlichen Bundesvereinigung übermitteln. Privatärzte verwenden ein Portal des Verbands der Privatärztlichen Verrechnungsstellen. Das RKI ruft die Daten der Portale täglich ab.
Die Abrechnungsdaten gesetzlich Versicherter, anhand derer die Impfungen nachvollzogen werden können, werden pseudonymisiert ebenfalls von den Kassenärztlichen Vereinigungen an das RKI übermittelt. Dies geschieht jedoch nur etwa alle sechs Monate, heißt es auf der RKI-Webseite.
Wie melden Impfzentren Corona-Impfungen?
Für Impfzentren gibt es einen gesonderten Meldeweg: das System „Digitales Impfquotenmonitoring“ (DIM). Auch bewegliche Impfteams, Krankenhäuser sowie Betriebsärzte melden über DIM. Die Daten werden pseudonymisiert über ein System der Bundesdruckerei an das RKI übermittelt. In den meisten Bundesländern werden die Daten zunächst zentral erfasst und über DIM gebündelt übergeben, heißt es auf der RKI-Webseite.
Warum ist die genaue Zahl der Geimpften trotz digitaler Meldewege unbekannt?
Die Meldedaten bilden nicht die tatsächliche Impfquote ab, schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Weil beispielsweise manche Ärztinnen und Ärzte Impfungen nur verzögert oder auch gar nicht melden, wird beim Monitoring die tatsächliche Impfquote etwas unterschätzt“, heißt es weiter.
Das RKI führt neben der Auswertung der Meldedaten eine regelmäßige Telefonbefragung zur Impfquote durch. Auch die Umfrage zeigt dem BMG zufolge nur einen Näherungswert. Das RKI erklärt auf Anfrage, warum neben den Meldedaten noch die Telefonbefragung durchgeführt wird: Damit würden auch Daten erhoben, „die über das Impfquoten-Monitoring nicht verfügbar sind, beispielsweise Impfquoten nach detaillierten Altersgruppen oder Gründe für eine Nicht-Impfung“.
Wie sind die politischen Reaktionen auf die ungewisse Impfquote?
Die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas (SPD) sieht zwar Verbesserungsbedarf. „Es gibt zum Beispiel bei den Betriebsärzten Defizite im Meldeweg.“ Das RKI biete aber eine verlässliche Entscheidungsgrundlage.
Andrew Ullmann, Bundestagsabgeordneter und Gesundheitspolitiker der FDP, hält die Meldewege der Corona-Impfung für eine Notlösung. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreite viel zu langsam voran. „Wir hätten Echtzeitdaten erheben können, ohne Datenverluste durch Mehraufwand“, schreibt er.
Bundestagsabgeordneter Janosch Dahmen von den Grünen sieht ebenso Handlungsbedarf. „Wie viele Menschen in Deutschland genau geimpft sind, kann offenbar auf Grundlage der vorliegenden Informationen niemand mit Sicherheit sagen.“ Das System der Erfassung müsse so aufgestellt werden, dass es zuverlässige Zahlen liefere.
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