Supercomputer Schnellster Rechner in Großbritannien vorgestellt

Mit dem 100-Millionen-Dollar-Investment will der US-Konzern Nvidia die Gesundheitsforschung voranbringen.
Frankfurt, Düsseldorf, London Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig die Pharmaforschung ist. Mit einem neuen Superrechner will der US-amerikanische Chiphersteller Nvidia nun den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Branche vorantreiben. Die Firma hat 100 Millionen Dollar in den Supercomputer Cambridge-1 investiert, der in der englischen Stadt Harlow im Einsatz ist.
Zu den ersten Nutzern zählen die britischen Pharmakonzerne Astra-Zeneca und Glaxo-Smithkline, das Londoner Krankenhaus Guy’s and St. Thomas, das King’s College sowie das Biotech-Start-up Oxford Nanopore. Die fünf Institutionen haben einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung und Bekämpfung des Coronavirus geleistet.
Die Gesundheitsbranche generiere riesige Datenmengen, könne sie aber häufig nicht richtig auswerten, sagte der KI-Experte Craig Rhodes von Nvidia bei der Vorstellung des Projekts. Die Technologie von Oxford Nanopore etwa habe bei der DNA-Sequenzierung des Covid-Pathogens geholfen. Dabei werden die Viren genetisch untersucht. Bis heute wird das Verfahren benötigt, um etwa neue Mutationen von Sars-Cov-2 zu entdecken. Mithilfe der Rechenleistung des Supercomputers könnten die Forscher die Genauigkeit ihrer Modelle verbessern.
Auf der Weltrangliste der Supercomputer landet Cambridge-1 auf Platz 42, in Europa ist er die Nummer zwölf. Der schnellste Rechner der Welt heißt Fugaku und steht im japanischen Kobe. Die Nummer Zwei ist der Summit von IBM im Oak Ridge National Laboratory bei Knoxville im US-Bundesstaat Tennessee.
Nvidia habe sich für den Standort Großbritannien entschieden, weil das Land bereits früh auf den Einsatz von KI in der Medizinforschung gesetzt habe, sagte Manager David Hogan. Die Regierung habe den Sektor mit Investitionen gefördert. Rhodes verwies auch darauf, dass das Land eine ganze Reihe großer Datenbanken habe. So enthalte die UK Biobank 100.000 Gehirn-Scans. Sie wird eingesetzt wird, um Schlaganfälle, Demenz oder Tumore früher diagnostizieren zu können.
Doch auch in Deutschland hat der Superrechner längst Einzug in die Forschung gefunden: Das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) in Dahlem landet im internationalen Vergleich knapp vor Cambridge-1 auf Platz 40 und hat 30 Millionen Euro gekostet. 94 Prozent der Rechenkraft wird für Forschungsfragen aus deutschen Instituten eingesetzt. „Hochleistungsrechner werden sich in der medizinischen Forschung etablieren, weil anders lassen sich viele Probleme nicht beheben“, sagt der ZIB-Informatiker Michael Schimmel.
Während eine Rechenoperation am Taschenrechner etwa drei Sekunden dauert, schafft der ZIB Rechner in dieser Zeit 40 Millionen Operationen. So hat das Berliner Modell zum Beispiel zügig berechnet, unter welchen Bedingungen eine Covid-19-Infektion besonders schnell eintritt. Das sei in einer einfachen Simulation verschiedener Szenarien schnell abgehandelt, erklärt Schimmel.
„Wenn man aber ein Krebsmedikament entwickeln möchte, dauert die Forschung, weil man ja mit dem aktuellen Wissensstand arbeiten muss“, sagt er. Denn auch ein Supercomputer sei nur ein Werkzeug und eine wirksame Krebstherapie nicht in einem Schritt berechnet.
Neuer Zugang zu moderner IT
Fabian Theis ist Ordinarius für Biomathematik an der TU München. Er schätzt, dass viele Forscher durch den Superrechner erst Zugang zu einer solchen IT-Infrastruktur hätten: „Viele der Partner können eine derartige Infrastruktur selbst weder effizient aufbauen noch ökonomisch betreiben“, sagt er.
Ursprünglich wurden die Chips des US-Konzerns Nvidia vor allem für Computerspiele entwickelt. Mittlerweile werden sie aber auch immer breiter in der Wissenschaft genutzt. Mit Astra-Zeneca und Glaxo-Smithkline will Nvidia nun im Bereich der Wirkstoffforschung zusammenarbeiten. Billionen chemischer Strukturen sollen mit Hilfe der selbstlernenden Maschinen nach neuen potenziellen Medikamentendaten durchforstet werden. In einem weiteren Projekt mit Astra-Zeneca soll die Künstliche Intelligenz digitale Aufnahmen von Gewebeproben analysieren, um Aussagen über die Wirkung von Medikamentenkandidaten zu treffen.
Neben dem Supercomputer will Nvidia auch ein neues KI-Zentrum im englischen Cambridge errichten. Der US-Konzern ist interessiert daran, seinen Ruf in Großbritannien zu verbessern, denn er plant die Übernahme des britischen Chipherstellers ARM. Der 40-Milliarden-Dollar-Deal wird derzeit von der britischen Wettbewerbsbehörde geprüft. In Großbritannien wird befürchtet, dass langfristig Arbeitsplätze in die USA verlagert werden könnten.
Wissenschaftler setzen auch auf dezentrale Rechenkraft
Ob die Zukunft der Gesundheitsforschung solchen Supercomputern wie dem von Nvidia gehört, ist nach Ansicht von KI-Experte Theis noch nicht ausgemacht. Cambridge-1 stehe für das Aufbauen und Nutzen einer enorm leistungsfähigen, zentralen Ressource. Dies sei für manche Anwendungen im Gesundheitswesen sinnvoll, etwa bei der Wirkstoffentdeckung, meint er.
„Daneben gewinnen aber dezentrale Ansätze zunehmend an Bedeutung. Hier werden viele kleine, lokale Ressourcen verwendet“, sagt er. Spielart davon, das sogenannte Swarm Learning, sei gerade im Umgang mit Patientendaten wegweisend, weil die benutzten Gesundheitsdaten nicht geteilt werden müssen, sondern an der jeweiligen Quelle, üblicherweise ein Krankenhaus, verbleiben können. Mehr: „Ich erwarte, dass dieser Ansatz in Zukunft höher als zentrale Ressourcen gewichtet wird“, meint Theis.
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