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Versorgung Elektronische Patientenakte startet holprig

Der offizielle Start war am 1. Juli. Doch die Arztpraxen sollen flächendeckend erst Ende September über die nötige Technik verfügen.
02.07.2021 - 16:00 Uhr Kommentieren
Patienten können ihre Dokumente in einer Akte digital sammeln. Quelle: Imago
Elektronische Patientenakte

Patienten können ihre Dokumente in einer Akte digital sammeln.

(Foto: Imago)

Berlin Noch immer braucht es Geduld. Der Start der elektronischen Patientenakte (ePA) wurde lange für den 1. Juli angekündigt.

Gottfried Ludewig, Chef der Digitalisierungsabteilung im Bundesgesundheitsministerium, spricht nun aber von einer Einführungsphase. „Das Ziel ist, dass die Technik flächendeckend in den Praxen der Kassenärzte bis Ende September zur Verfügung stehen wird“, sagte Ludewig zu Handelsblatt Inside.

Gesetzlich Versicherte sollten ihre ePA – eine App, die ihnen die Krankenkassen seit Anfang des Jahres stellen – bereits seit Donnerstag mit Befunden und anderen medizinischen Dokumenten befüllen lassen können. Nur wenige Arztpraxen sind dazu aber technisch schon in der Lage.

Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bestätigt die Probleme. „Für viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist der Einsatz der elektronischen Patientenakte technisch noch nicht möglich.“ Er beklagt fehlende Updates von den Konnektoren- und Praxissoftware-Herstellern. Bei einem Konnektor handelt es sich um einen Router, mit dem die Arztpraxen über die Telematikinfrastruktur (TI) auf die ePA zugreifen können.

Nur wenige Patienten hätten zudem die elektronische Akte heruntergeladen, schreibt Kriedel. „Wir gehen nicht von einem großen ePA-Run auf die Praxen im Juli aus.“

Auch Barbara Römer, Landesvorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, beklagt, dass die IT-Firmen mit der technischen Umsetzung nicht hinterherkämen. Zudem fehle es häufig an den für die Anmeldung im System nötigen Heilberufsausweisen.

Der Dermatologe Max Tischler testete am Donnerstag das ePA-System in seiner Dortmunder Praxis. Beim Einlesen seines elektronischen Heilberufsausweises habe es aber einen Übertragungsfehler gegeben. Die Lösung für den Fehler kennt Tischler nicht, denn die Hotline des Anbieters war überlastet.

„Ich habe eine halbe Stunde in der Warteschleife verbracht und dann aufgelegt“, sagt Tischler. Es wäre aber auch kein Patient gekommen, der Dokumente in seine ePA geladen bekommen wollte.

Krankenkassen werden ePA bewerben

Etwa eine Viertelmillion Versicherte haben die elektronische Akte bisher heruntergeladen. „Obwohl noch keine Informationskampagne gestartet wurde“, sagt Markus Leyck Dieken, Leiter der Gematik, die die TI bereitstellt.

Er rechnet damit, dass die Kassen die Anwendung nach dem Sommer bewerben, wenn alle Ärzte die nötige Technik hätten. „Ich gehe davon aus, dass die elektronische Patientenakte dann relativ rasch in hohe einstellige Millionenwerte kommen wird“, prognostiziert er mit Blick auf die Anwenderzahl.

Die Praxissoftware des Berliner Neurologen Oliver Fasold listet bisher fünf Patienten mit ePA auf. In seinem Tempelhofer Arztzimmer erklärt er am Bildschirm: „Normalerweise stehen hier 3000 bis 5000 Patienten, die über die letzten Jahre behandelt wurden.“ Er lasse sich jetzt aber nur die Patienten mit ePA anzeigen.

An einem kleinen Hängeschloss-Symbol erkennt der Arzt, dass die elektronische Akte vorhanden ist. Ist das Schloss grün und geöffnet, hat der Patient die Akte für den Arzt freigegeben.

Fasold hat an einem Feldtest der Gematik im Februar teilgenommen, deshalb funktioniert die Technik bei ihm bereits. „Es ist ein großer Aufwand, bis das läuft“, sagt er. „Praxen, die digital nicht gut aufgestellt sind, werden sicherlich Schwierigkeiten haben.“ Die Patienten mit den ePA in seinem Programm seien Praxismitarbeiter. „Aber es sind reale ePA, die über die App der Techniker Krankenkasse funktionieren.“

Ärzte sorgen sich wegen gesetzlich beschlossener Sanktionen, wenn sie die Technik zur Nutzung der ePA nicht rechtzeitig bereitstellen. KBV-Vorstandsmitglied Kriedel zeigt sich deshalb über einen Aufschub durch den Gesetzgeber erleichtert.

„In einem Schreiben aus dem Bundesgesundheitsministerium wurde der KBV zugesichert, dass es im dritten Quartal für die Praxen zu keinen Sanktionen kommt, wenn sie unverschuldet nicht ‚ePA-ready‘ sind“, schreibt Kriedel. Geplant war eine Kürzung der Vergütung von vertragsärztlicher Tätigkeit um ein Prozent, bis die ePA-Technik vorhanden ist.

Auch der Berliner Neurologe Fasold sieht die finanziellen Strafen kritisch. „Geht jemand in zwei Jahren in Rente, braucht er doch nicht mehr die komplette digitale Infrastruktur aufbauen.“

In der ePA sieht der Arzt aber einen Fortschritt. „Unser Praxisteam verbringt einen Großteil seiner Arbeit damit, Briefe zu öffnen und Berichte einzuscannen.” Die ePA werde eine erhebliche Erleichterung der Arbeit sein.

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