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Virtonomy Frisches Kapital für Studien mit virtuellen Patienten

Die sogenannte In-Silico-Medizin will Menschen in Studien durch Computersimulationen ersetzen. Das könnte die klinische Forschung und Therapie effizienter machen.
16.04.2021 - 17:34 Uhr Kommentieren
Mitgründer von Virtonomy Quelle: Unternehmen
Simon Sonntag

Mitgründer von Virtonomy

(Foto: Unternehmen)

Düsseldorf In der Medizin geht das Gerücht rum, der Arzt würde schon bald von einem Algorithmus ersetzt werden. Mit beispielloser Genauigkeit kann eine künstliche Intelligenz (KI) Krankheiten schon heute diagnostizieren. Vergleichsweise neu ist die umgekehrte Vorstellung: Was passiert, wenn Technologien nicht Ärzte, sondern Patienten ersetzen?

Das Start-up Virtonomy aus München verspricht, solch eine Patientensimulation möglich zu machen und sammelt jetzt ein siebenstelliges Investment ein. An der Finanzierungsrunde beteiligt ist Bayern Kapital. Bislang eingesetzt wird die Patientensimulation von Medizintechnik-Herstellern, um Implantate wie Herzklappen zu testen.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Wen-Yang Chu hat Simon Sonntag das Münchner Start-up Virtonomy im Jahr 2019 gegründet und beschäftigt heute zehn Mitarbeiter. Mit dem frischen Kapital möchte das Start-up vor allem das Team ausbauen und neue Märkte erschließen. „Wir fokussieren uns derzeit auf den kardiovaskulären Markt, werden uns allerdings in Zukunft auf den orthopädischen Markt erweitern und wollen nächstes Jahr auch in den USA starten“, sagt Gründer Sonntag.

Das Start-up arbeitet derzeit an der Finalisierung seines Produktes als sogenannte Software-as-a-Service-Lösung (SaaS). Der Kunde kauft also ein fertiges Programm, das auf dem Betriebsrechner installiert werden kann, um klinische Studien zu simulieren. Aktuell nutzen zehn Medizintechnik-Herstellern die Virtonomy-Lösung, um ihre Implantate auf ihre Größe und Qualität zu testen. Den Preis für ihren Dienst möchte das junge Unternehmen nicht offenlegen.

Dargestellt wird zum Beispiel das digitale Abbild eines menschlichen Herzens basierend auf bildgebenden und demografischen Daten von Patienten. Virtonomy kooperiert dabei im Rahmen von Forschungsprojekten mit zehn Kliniken. Aus der Datenbank, die bereits aus mehreren tausend Datensätzen besteht, kann der Medizintechnik-Produzent seine virtuelle Patientenkohorte aufbauen und sein Implantat testen. Anders als in einer klinischen Studie wird das spezielle Katheterverfahren bei Vorhofflimmern also nicht an einer kleinen Patientengruppe, sondern innerhalb einer großen Datenpopulation getestet.

Auch Tierversuche könnten durch die Simulation reduziert werden, sagt Sonntag und berichtet von einem jüngst erhaltenen Auftrag. Ein Medizinproduktehersteller habe ein künstliches Herz an Schweinen getestet, die gesamte Testgruppe stirbt durch den Versuch. Das Kunstherz sei dann in der Simulation erfolgreich an anderen Tieren wie Schafen getestet worden. „Vor der Übertragung eines Kunstherzens von dem Tier auf den Menschen kann eine Simulation ebenfalls dazu dienen, das Kunstherz zu verfeinern.“

Simulation verbessert Verzerrungen in Studien

Georg Reid ist Geschäftsführer beim Risikokapitalgeber Bayern Kapital, der in Virtonomy investiert ist. Er setze nicht nur auf die ethischen Vorteile der Simulation. „Das In-Silico-Verfahren hat längst bewiesen, dass es Beschleunigungseffekte und Kostenvorteile in der Entwicklung von Medizinprodukten gebracht hat.“

Sven Jungmann ist Partner beim Unternehmen Founders-Lane und sieht in der Simulation vor allem eine Chance für die Wissenschaft. Denn beim Goldstandard, also randomisierten klinischen Studien, werden alle Störfaktoren durch eine Test- und eine Kontrollgruppe soweit wie möglich identifiziert und ausgeklammert. „Oft ist die externe Validität dadurch aber noch sehr schwach“, sagt er. Das führe zu Verzerrungen, weil zum Beispiel Frauen in Studien oft unterrepräsentiert seien.

Künftig auf die klinischen Studien verzichten könnte die Industrie aber auch dank Simulationen nicht, betont Jungmann. „Insbesondere Implantate für den kardiologischen Bereich lassen sich aber mittels Daten wahrscheinlich gut berechnen.“

Mehr: Milliardenwette aufs Gesundheitswesen: Warum Microsoft Nuance kaufen will.

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