Weg aus dem Lockdown Corona-Warn-App für Schnelltests und Impfungen nutzen

Es könnte alles so einfach sein: Geschäfte, Sportstätten, Kinos und Theater öffnen wieder. Personen, die sich in geschlossene Räume begeben, weisen mit einer App ein negatives Schnelltest-Ergebnis nach. Durch diese Green Card erhalten sie für 24 Stunden die Rückkehr zur Normalität. Ist das Ergebnis positiv, informiert die App das zuständige Gesundheitsamt und warnt Kontaktpersonen.
So könnte es sein. Jetzt schon. Die Komponenten für ein derartiges individualisiertes Pandemie-Management liegen seit Langem vor. Wir verfügen sowohl über Schnelltests als auch über bereits bestehende Apps wie die Corona-Warn-App oder zum Beispiel die Luca-App, welche entsprechend der hier vorgestellten Utopie zu einer „Corona-Management-App“ erweitert werden könnten.
Das Zauberwort, welches Beschlüsse zur sofortigen Lockerung der Kontaktbeschränkungen mit einem nachvollziehbaren Sicherheitsversprechen ausstattet, heißt nicht „Schnelltests“, sondern „Schnelltests plus App“. Man könnte auch „Digitalisierung“ sagen.
Ein Konzept schrittweiser Öffnungen ohne App ist hingegen unbefriedigend. Derzeit könnte der Betroffene ein positives Schnelltest-Ergebnis nicht einmal sofort melden, um Kontaktpersonen zu warnen: Der Corona-Warn-App fehlt eine entsprechende Eingabeoption. Dabei können Schnelltests nur dann wirksam bei der Eindämmung der Pandemie eingesetzt werden, wenn ihre Ergebnisse sofort übermittelt und sowohl für Kontaktwarnungen als auch für Green Cards unmittelbar verarbeitet werden.
Wie könnte eine App-basierte Schnelltest-Erfassung aussehen?
Eine Corona-Management-App kann nicht mehr freiwillig bleiben, sondern muss verpflichtend sein. Die durch die App vermittelte Warnung der Kontaktpersonen würde dann die Gesundheitsämter, deren Überforderung ein zentrales Problem in der Coronakrise ist, von der Aufgabe der Kontaktnachverfolgung weitgehend entbinden. Hierin besteht ein Weg aus dem Lockdown auch vor dem Erreichen der Herdenimmunität. Dadurch dürfte die Ablehnung der Öffentlichkeit gegenüber einer Verpflichtung, die noch im Sommer 2020 bestand, deutlich abnehmen.
Die dezentrale Speicherung kann weitestgehend erhalten bleiben. Durch verschiedene Verifizierungsschritte werden Datenflüsse jeweils nur zwischen zwei Endgeräten erforderlich (zum Beispiel zwischen Testperson und testendem Arzt oder zwischen Green-Card-Inhaber und Kinokasse).
Einige Daten müssen jedoch an Dritte übermittelt oder bei anderen Nutzern länger gespeichert werden: Positive Testergebnisse sollten sofort und mit den persönlichen Daten des Infizierten dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden. Theater und etwa Restaurants sollten die Kontakte der Besucher analog zu den 2020 noch handschriftlich geführten Besucher-Tageslisten ebenfalls in der App befristet speichern können.
Die Corona-Management-App kann als ticketing system drei wesentliche Informationen zusammenführen:
- App war in den letzten fünf Tagen ununterbrochen aktiviert,
- in dieser Zeit wurde weder eine Risikoexposition festgestellt noch ein positiver Test hochgeladen und
- der aktuelle Schnelltest ist negativ.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, generiert die App eine Green Card mit befristeter Gültigkeit.
Zur betriebssicheren Umsetzung der Schnelltests sollte der Abstrich nicht vom Probanden selbst, sondern von einer zweiten Person durchgeführt werden. Da der/die TesterIn dann auch das Testergebnis bestätigen muss, sollte er/sie zudem vertrauenswürdig sein, denn das mitgeteilte Ergebnis hat erhebliche Konsequenzen für die öffentliche Sicherheit. Medizinische Kenntnis und Berufsstands-immanente Urkundenwürdigkeit sprechen dafür, hier vorerst nur Ärztinnen und Ärzte vorzusehen.
Wo eine Bestätigung, etwa bei durchgeführten Impfungen oder bei der Mitteilung von Schnelltest-Ergebnissen, erforderlich ist, geschieht auch dies App-basiert, etwa mit einer einmalig verschickten PIN.
Die zeitliche Zuordnung des Testergebnisses ergibt sich aus dem Zeitpunkt, an dem der Anwender den QR-Code des Schnelltest-Kits einscannt. Ab diesem Moment öffnet sich ein Zeitfenster, in dem der Tester über sein eigenes Endgerät die sachgerechte Durchführung und das Testergebnis bestätigt.
Die automatisch auf dem Endgerät der Testperson generierte Green Card könnte einen QR-Code enthalten und zur Sicherheit auch ein Gesichtsfoto und gegebenenfalls weitere Instrumente zur sicheren Identifizierung und Verifizierung. In diesem Konzept wird das Endgerät des Anwenders mit seinem individuellen Nutzerprofil zu einem Ausweis. Für Tester, Impfärzte und Landesärztekammern, für Gesundheitsämter und für das RKI wird die App über entsprechende Profil-Oberflächen zum Arbeitsinstrument.
Lohnt sich der Entwicklungsaufwand noch?
Die Versuchung ist groß, dem Entwicklungsaufwand und vorhersehbaren Diskussionen mit Datenschützern aus dem Weg zu gehen und alle Hoffnungen auf das möglichst baldige Erreichen einer epidemiologisch sicheren Impfquote auszurichten.
Dies setzt jedoch voraus, dass sich das Virus nicht weiterentwickelt, dass wir es bei dieser Pandemie mit einem singulären „Jahrhundertereignis“ zu tun haben und dass sich diese Pandemie wie ein Verwaltungsakt vollständig abschließen lässt.
Wahrscheinlicher ist, dass wir in der Menge der ständig neu entstehenden Virusvarianten auch bald einige Stämme finden, gegen welche die vorhandenen Impfstoffe nicht wirken. Wir werden immer wieder neue Impfstoffe entwickeln müssen und Phasen durchleben, in denen große Anteile der Bevölkerung keinen Impfschutz haben.
Denkbar ist auch, dass gänzlich neue Viren aus dem Tierreich auf den Menschen überspringen. Daher sollten alle Anstrengungen unternommen werden, jetzt ein intelligentes Instrument zur flexiblen und individuellen Regulierung von Kontaktbeschränkungen zu entwickeln.
Horst Schuster ist Referent beim GKV-Spitzenverband und studierte Humanmedizin an der Berliner Charité.
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