WHO-Studie Deutschland ist Letzter bei digitaler Gesundheitskompetenz

Vielen Deutschen fällt es schwer, sich im Internet über Gesundheitsthemen zu informieren.
Berlin Eine neue europäische Studie der Weltgesundheitsorganisation zeigt, wie gut Deutsche sich auf Webseiten oder in Apps über das Thema Gesundheit informieren können. Mehr als die Hälfte der Deutschen, 58 Prozent, haben eine geringe digitale Gesundheitskompetenz. Das heißt, dass sie eine geringe Fähigkeit haben, Gesundheitsinformationen im Internet zu nutzen.
Die Studie „European Health Literacy Population Survey 2019-2020“ vergleicht die Gesundheitskompetenz der Bevölkerungen in 17 europäischen Ländern. Erstmals wurde in der Studie ein Fokus auf die Nutzung von Webseiten und Apps gelegt.
In Deutschland betreute die Analyse die Universität Bielefeld und die Hertie School Berlin. Die digitale Gesundheitskompetenz wurde in zwölf der 17 Länder untersucht.
Deutschland ist Schlusslicht
Deutschland hat den höchsten Anteil an Bürgern mit geringer digitaler Gesundheitskompetenz (58 Prozent) und landet damit unter den zwölf Ländern auf dem letzten Platz. Frankreich (46 Prozent) und Belgien (45 Prozent) schneiden ebenso schlecht ab. Spitzenreiter sind Norwegen (22 Prozent), Portugal (26 Prozent) und Ungarn (29 Prozent), in denen der Anteil gering ist.
In der Studie wurden den Teilnehmern acht Fragen zur Nutzung von Gesundheitsinformationen im Internet gestellt. Sie sollten einschätzen, ob es ihnen leicht oder schwer fällt, Online-Informationen zur Lösung von Gesundheitsproblemen zu nutzen.
Weiterhin wurde gefragt, ob sie Informationen finden können, die sie brauchen oder auch, ob sie beurteilen können, wie vertrauenswürdig eine Information ist beziehungsweise ob dahinter ein kommerzielles Interesse steht.
Kompetenz während Corona gestiegen
Die Leiterin des deutschen Teils der Studie, Doris Schaeffer, erklärt sich das schlechte Abschneiden Deutschlands mit einem allgemeinen Digitalisierungsrückstand im Land.
Schaeffer ist Professorin für Gesundheitskompetenzforschung an der Universität Bielefeld. Die digitale Gesundheitskompetenz habe sich laut ihr während der Coronapandemie zwar verbessert. „Die Menschen waren sehr viel mehr auf digitale Informationen angewiesen“, sagt Schaeffer, „die Gesundheitskompetenz muss aber gestärkt werden.“
Forderung an Politik
Eine geringe Fähigkeit der Bürger, Informationen für die Gesundheitsförderung zu nutzen, führt laut der Studie zu einer Belastung des Gesundheitssystems. Menschen verhielten sich dann ungesünder, bewerteten ihren eigenen Gesundheitszustand schlechter und nehmen die Leistungen des Gesundheitssystems stärker in Anspruch. Dies führe zu höheren Kosten für das System.
„Umso wichtiger ist es, dass die Förderung von Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung aber auch im Gesundheits- und Bildungssystem stärker in den Fokus der Politik genommen wird“, teilen die Forscher mit.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schreibt auf Anfrage, dass es die Entwicklung der Angebote für die Steigerung der digitalen Gesundheitskompetenz aufmerksam verfolgen wird. Den geringen Fortschritt in diesem Bereich erklärt das Ministerium damit, dass „eine Fülle von digital verfügbaren Informationen zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit“ führt.
Das BMG verweist zudem auf das Nationale Gesundheitsportal gesund.bund.de, das unter Minister Jens Spahn geschaffen wurde. Die Webseite hat aber nur sehr wenige Besucher, wie Handelsblatt Inside berichtete.
Digitale Gesundheitskompetenz gesetzlich geregelt
Unter Minister Spahn wurde mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz auch bestimmt, dass die digitale Gesundheitskompetenz gefördert wird.
Der Paragraf 20k des fünften Sozialgesetzbuches sieht vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen digitale Angebote für die Gesundheitsversorgung schaffen und für den Erwerb digitaler Kompetenzen der Versicherten zur Nutzung der Angebote sorgen müssen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen muss dem Bundesgesundheitsministerium dazu erstmals zum 31. Dezember 2021 Bericht erstatten.
Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt sagte vor Kurzem in einer Rede auf dem Deutschen Ärztetag, wie wichtig es in der Pandemie sei, die Gesundheitskompetenz zu fördern. „Gezielte und spezifische Antworten – auch zu den in sozialen Medien kursierenden Fake News – müssen gegeben werden“, forderte er. Nicht nur der Gesundheitssektor, auch das Bildungswesen, müsse in die Förderung der Gesundheitskompetenz einbezogen werden.
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