Bezahlbarer Wohnraum Politik und Kommunen müssen „konstruktiv zusammenarbeiten“
Wohnen in den Metropolen ist teuer. So teuer, dass es für viele Menschen eine enorme finanzielle Belastung ist oder sie es sich gar nicht mehr leisten können. Gründe dafür gibt es viele – und ebenso viele Ansätze, mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen zu schaffen. Das war Tenor einer digitalen Diskussionsrunde zwischen Vertretern von SPD, Grünen und FDP sowie der Wohnungswirtschaft, zu der Colliers und Heuer Dialog am Donnerstagmittag eingeladen hatten.
Während sich zeitgleich in Berlin die Unterhändler für eine mögliche Ampelkoalition auf Bundesebene trafen, zeigten sich bei den Vertretern der drei Parteien in der Talkrunde Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den jeweiligen Ansichten zur Wohnungspolitik.
Deutschland sei einer der Spitzenreiter in Europa bei den Baukosten, sagte Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers Deutschland und Moderator der Runde. Die steigenden Baupreise bestätigen auch noch einmal die am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis). Um 12,6 Prozent erhöhten sich danach hierzulande die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im August 2021 binnen Jahresfrist. Das sei der höchste Anstieg der Baupreise gegenüber einem Vorjahr seit November 1970, so die Statistiker.
Als Gründe für das deutliche Plus nennen sie den Basiseffekt durch die befristete Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 und die stark gestiegenen Materialpreise. Aber auch ohne die Mehrwertsteuersenkung bleibt rechnerisch immer noch ein Plus von 9,7 Prozent.
Neben den gestiegenen Baukosten sorgten aber auch eine Vielzahl von (energetischen) Auflagen für Preissteigerungen für das Plus bei Kaufpreisen und Mieten, betonte Saucken. Hinzu kämen, so Daniela Wagner, in der abgelaufenen Legislaturperiode Sprecherin für Stadtentwicklung bei den Grünen im Bundestag, die „exorbitant gestiegenen Bodenpreise“, der Fachkräftemangel und auch das zum Teil extreme Plus bei den Materialkosten.
Doch was tun, damit in der Folge der steigenden Kosten für Bau- und Sanierung von Wohngebäuden die Kauf- und Mietpreise vor allem in den Metropolen bezahlbar bleiben? Einig sind sich Politiker und Fachleute, dass es grundsätzlich nicht ohne eine staatliche Förderung funktioniert. Und: Damit „die Wirtschaft am Ende Gewinne erzielt und gleichzeitig sozialer Wohnungsbau entsteht“, müssten Kommunen und Immobilienwirtschaft „konstruktiv zusammenarbeiten“, fasste Saucken zusammen.
Bei viel Einigkeit wurden aber auch unterschiedliche Ansichten bei den Vertretern der Parteien deutlich. Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion forderte, die Auflagen zu entschlacken, um schneller zu bauen. Für den Bau eines Mehrfamilienhauses „braucht es bis zu 21 Gutachten. Das landet alles im Preis“. Zudem sprach er sich dafür aus, so zu fördern, dass sich schnelle Effekte zeigen. So werde zum Beispiel beim Thema Mieterstrom „immer noch gebremst“. Hier müssten die Behinderungen schnell beseitigt werden.
Gerade mit Blick auf die Mittelschicht müsse auch die Eigentumsbildung „zu erschwinglichen Preisen“ gefördert werden, sagte Grünen-Politikerin Wagner. Das sei, so Juso-Vize Philipp Türmer, mit Blick auf die stark gestiegenen Kaufpreise in den Ballungsräumen aber „illusorisch“. Um mehr günstige Mietwohnungen zu schaffen, könnten die Kommunen ihren Beitrag leisten, indem sie günstiges Bauland zur Verfügung stellten.
Föst sprach sich für das Schaffen von Miet- und Eigentumswohnungen aus. Förderprogramme allein seien zudem nicht die Lösung. Es müssten auch die Ursachen für die steigenden Kaufpreise und Mieten angegangen werden. Dazu zählt er neben günstigem Bauland das Entschlacken der Bürokratie.
Auch Constantin Westphal, Geschäftsführer Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft, sieht beim Bauland einen Hebel: Wenn Kommunen es nicht zum Höchstpreis zur Verfügung stellten, „wäre das eine Lösung“. Vor allem in Kombination mit einer Konzeptvergabe, bei der es Vorgaben zu gefördertem Wohnraum und zur Bereitstellung von sozialer Infrastruktur wie Kindertagesstätten und Schulen gebe. Das sei ein sinnvoller Ansatz.
Einig waren sich die Diskutanten, dass die Digitalisierung der Verwaltung und eine schnellere Bearbeitung von Bauanträgen ebenfalls dazu beitragen können, schneller und damit günstiger zu bauen. Allerdings: Dafür brauche es auch personell „gut aufgestellte Bauämter“, so Türmer. Auch hier gibt es also, wie bei vielen anderen möglichen Stellschrauben, viel zu tun.
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