Brownfields Vorfahrt für Gewerbeflächen

Bei der Entwicklung von ehemaligen Industriebrachen sollten Gewerbeflächen Vorrang vor Wohnungen haben, meint der Managing Partner von Ceos Investment. Quelle: Aventos
Brownfield-Redevelopments geraten nicht nur immer stärker in den Fokus von Immobilienexperten, sondern auch von Stadtentwicklern. Oftmals handelt es sich um die einzige Möglichkeit, großflächige gemischt genutzte Areale innerhalb der Metropolen zu realisieren. Schließlich sind Greenfield-Entwicklungen in einer ähnlichen Größenordnung mit Blick auf den Flächenfraß entweder unerwünscht oder gar unmöglich, weil es nicht mehr ausreichend Baulandreserven gibt.
Allerdings werden gerade vonseiten der Politik immer häufiger reine Wohnnutzungen für die ehemaligen Industriebrachen vorgesehen. Das ist zwar grundsätzlich verständlich, schließlich handelt es sich bei der Wohnungsnot um eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer Gesellschaft. Mittel- bis langfristig gesehen ergeben sich jedoch Nachteile für den Standort, wenn die Entwicklung von Gewerbeflächen außen vor gelassen wird.
Denn einerseits sind lokale Arbeitsplätze ebenso wichtig wie Wohnraum, um Wachstum und Stabilität für einen Stadtteil zu ermöglichen. Deutschland gilt zu Recht als Industrienation mit einer langjährigen Tradition und noch immer vielen Wettbewerbsvorteilen – um diese zu nutzen, bedarf es jedoch auch moderner Gewerbeflächen. Andererseits hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig die urbane Logistik für die Versorgung unserer Städte ist. Der Zugang zu einem möglichst reichhaltigen Warenangebot – von Lebensmitteln bis Konsumgütern – ist eben auch ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität eines Standorts.
Das vielleicht größte Problem ist jedoch folgendes: Wenn wir uns zu sehr auf die Entwicklung von Wohnraum fokussieren, übersehen wir die Potenziale, Mischnutzungen zu realisieren.
Statt ein Wohnquartier mit etwas Nahversorgung und vielleicht ein paar Handwerkern schon als „urbanes Quartier“ zu planen, sollten Brownfields zunächst als Gewerbeareal entwickelt werden, das anschließend um weitere Flächentypen ergänzt werden kann. Diese neu gewonnenen Flächen müssen nicht zwangsläufig Einzelhandel, Ärztehäuser oder Kindertagesstätten werden, sondern auch einer Wohnnutzung steht aus städtebaulicher und immobilienwirtschaftlicher Sicht nichts entgegen. Zwar sind dafür intelligente Konzepte für ein Miteinander notwendig, damit sich Anwohner und Unternehmen in puncto Lärm nicht gegenseitig in die Quere kommen – doch dies ist allemal umsetzbar. Besonders vielversprechend sind dabei Werkswohnungen der entsprechenden Betriebe. Nicht zuletzt deshalb, weil es sich um eine gute Möglichkeit zur Arbeitgeberpositionierung und um ein wichtiges Sicherheitsmerkmal für Arbeitnehmer in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte handelt.
Und um wirklich noch mehr Wohnraum zu schaffen, sollten in Wohnquartieren bestehende Häuser konsequent aufgestockt werden dürfen, lockere Bebauungen verdichtet, Kleingärten unterbaut sowie Straßen- und Stellplatzflächen zurückgebaut werden.
Es ist eine politische Aufgabe, die Stadt weiter zu denken und stark durchmischte Projekte durchzusetzen, selbst wenn ihnen einzelne Verordnungen und Interessengruppen entgegenstehen. In der Praxis mangelt es hier häufig an „Leadership“, da Prozesse nur moderiert werden, statt in Führung zu gehen. Denn dass das Konzept durchaus funktionieren kann, zeigten vor mehr als 100 Jahren bereits die Berliner Gewerbe- und Fabrikhöfe, in der auf vier bis fünf Etagen sowohl gefertigt und gelagert als auch gewohnt wurde. Nun gilt es, diese Form des Miteinanders mit den Flächen- und Lebensstandards der heutigen Zeit neu zu erfinden.
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