Coworking Deutsche Wohnen testet ein neues Geschäftsmodell

Deutsche Wohnen will den Mietern in den Hellersdorfer Promenaden eine Alternative zum Büro- und Heimarbeitsplatz liefern.
Quelle: Deutsche Wohnen, Urheber: Georgios Anastasiades
In Städten wie London, New York oder Berlin gehören sie mittlerweile zum Stadtbild: Büros von Coworking-Anbietern wie WeWork, Regus oder The Office Group. Sie versprechen Arbeiten in cooler Atmosphäre, in bester Lage und locken besonders hippe Start-up-Unternehmer an – ein Image, das nicht so recht zum Immobilienkonzern Deutsche Wohnen passt, zu dessen Portfolio zahlreiche Plattenbauten aus alten DDR-Beständen gehören.
Doch die Berliner wollen in eine neue Welt vorstoßen: Von Mitte April an bietet der Dax-Konzern in einer leer stehenden Bankfiliale im Berliner Norden ebenfalls Coworking-Arbeitsplätze an. Mieter von Deutsche Wohnen, aber auch andere Berliner, können dann in Hellersdorf ins Gemeinschaftsbüro ausweichen, wenn es zu Hause zu eng oder laut wird. „Für uns steht fest: Mobiles Arbeiten wird ein Thema bleiben, auch wenn die Corona-Pandemie vorbei ist“, sagt Deutsche-Wohnen-Vorstand Henrik Thomsen im Gespräch mit Handelsblatt Inside Real Estate.
Als Chief Development Officer von den vier Mitgliedern im Vorstand des Dax-Konzerns ist der gebürtige Däne für die Bereiche Bestandsinvestitionen, Technische Infrastruktur und Digitalisierung zuständig und hat deswegen das Coworking-Projekt verantwortet.
Wo früher Menschen Geld einzahlen oder ihre Kontoauszüge abholen konnten, sollen künftig Arbeitsplätze mit technischer Rundumausstattung bereitstehen – zunächst aber pandemiebedingt mit sehr viel Abstand. Später sind auch Veranstaltungsformate oder Konferenzangebote angedacht.
Dank der früheren Nutzung als Bank eignen sich die gut 300 Quadratmeter für die Anforderungen verschiedener Arbeitssituationen: Rückwärtige Bereiche und kleine Besprechungsräume versprechen Ruhe, vorn zum verkehrsfreien Platz hin stellen große Fensterfronten eine Verbindung nach außen her und sollen die Kommunikation fördern.
Nicht zuletzt ergibt sich für den Konzern so die Chance, die darbenden Erdgeschosszonen in der einstigen Flaniermeile zu beleben und mehr Aufenthaltsqualität für das Viertel zu schaffen. Seit in den vergangenen Jahrzehnten in unmittelbarer Nachbarschaft das neue Hellersdorfer Zentrum mit U-Bahn-Anschluss und Shoppingmall eröffnet wurde, kämpft der autofreie Bereich rund um die Hellersdorfer Promenade um Aufmerksamkeit.
Die Deutsche Wohnen hat hier ihren größten Bestand mit 5000 Haushalten im unmittelbaren Einzugsbereich des Coworking. Zugleich liegt die von Plattenbauten geprägte Siedlung weit weg von Arbeitsstätten, eine Alternative zum Pendeln könnte der durchmischten Bewohnerschaft also gerade hier entgegenkommen.
Schon vor der Corona-Pandemie hatte Deutsche Wohnen an der Idee gearbeitet. Die Erkenntnis, dass man seinen Mitarbeitern etwas bieten müsse, sei schließlich nicht neu, sagt Thomsen – aber es hat nun an Aktualität gewonnen. „Wir haben in den vergangenen Monaten alle gemerkt, dass man auch außerhalb des Büros gut und effizient arbeiten kann. Folglich wird es mobiles Arbeiten auch in der Zukunft geben. Aber nicht jeder kann sich eine größere Wohnung mit einem Arbeitszimmer leisten. Deswegen bringen wir das Arbeiten zum Wohnen“, sagt Thomsen.
Wegen der Abstandsregeln mussten die Planungen überarbeitet werden: Statt der ursprünglich 27 Arbeitsplätze sind es nun bis auf Weiteres nur 16. Gebucht werden könnten sie als fester oder flexibler Platz, die Kosten für Mieter sollen weniger als 125 Euro im Monat für einen festen Platz betragen, Mieter von Deutsche Wohnen zahlen die Hälfte.
Ob sich das neue Geschäftsmodell lohnt, will Thomsen abwarten. „Wir haben so gerechnet, dass wir mit einer schwarzen Null bei dem Pilotprojekt herauskommen“, sagt Thomsen. „Wenn es gut angenommen wird, werden wir einen kleinen Gewinn erzielen.” Der dürfte aber im Vergleich zum Konzernergebnis verblassen: Die Geschäftszahlen für 2020 werden zwar erst in einigen Wochen veröffentlicht, im Jahr 2019 hatte der Dax-Konzern ein Ergebnis von rund 1,6 Milliarden Euro verbucht.
„Wir denken darüber nach, welche Bedürfnisse die Menschen haben. Was ist gut für die Quartiere, für die Bewohner? Es ist eine Initiative, um die Kundenzufriedenheit zu steigern“, betont Thomsen. Wenn das Projekt gut laufe, werde man es auf andere Standorte ausweiten. Schon jetzt plane man Raum für Coworking-Plätze in Neubauten wie bei einem größeren Projekt in Berlin-Spandau ein – wo solche von vornherein mitgedachten Ansätze ohnehin leichter umzusetzen seien.
Mit der Idee, Coworking anzubieten, liebäugelt nicht nur Deutsche Wohnen: Auch bei Vonovia, Deutschlands größtem Wohnungskonzern, ist das ein Thema. „Coworking-Spaces für Berufstätige, die zu Hause keinen Arbeitsplatz einrichten können, ist als Ansatz sehr interessant“, sagt eine Konzernsprecherin des Bochumer Unternehmens auf Anfrage. Daher beschäftigen wir uns auch mit dem Thema Coworking.“
Überlegungen, der Vorstoß von Deutsche Wohnen solle dazu dienen, das Image des Konzerns aufzubessern, weist Thomsen von sich. Gerade hat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ die nächste Etappe in ihrem Kampf gegen Immobilienkonzerne eingeläutet – mit der Deutschen Wohnen als Symbol: Es werden Unterschriften gesammelt, um so eine Abstimmung über eine Enteignung von Wohnungsunternehmen zu erzwingen. „Wir fühlen uns nicht getrieben von Politik oder Öffentlichkeit“, sagt Thomsen dazu. „Wir überlegen sehr genau, was wir machen und wie wir es machen und stehen dann auch dahinter.“
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