Digitalisierung Rechenzentren haben den Durchbruch geschafft

Die Assetklasse wird trotz der hohen Anforderungen immer beliebter.
Quelle: AP
• Die Pandemie gab der ohnehin aufholenden Assetklasse einen massiven Schub
• Investoren profitieren von der Zukunftssicherheit
• Die hohen Anforderungen bremsen die rapide Entwicklung aus
Zehn Terabit pro Sekunde wurden am 3. November 2020 über den Frankfurter Internet-Austauschknoten namens DE-CIX verschickt. Ein Rekordwert, der laut den Betreibern ungefähr 2,2 Millionen Videos in HD-Auflösung gleicht – pro Sekunde.
Ausschlaggebend dürften zwei Faktoren gewesen sein: das Interesse der Nutzer an den Präsidentschaftswahlen in den USA sowie der im Jahr 2020 deutlich angestiegene Datenverbrauch durch mehr Homeoffice, Videostreaming, Onlinehandel und Gaming.
„Rechenzentren haben nicht so wie andere Assetklassen unter Corona gelitten, es gab gar einen Run bei den Investoren“, sagt Michael Dada, Director A&T Services und Data Centre Solutions beim Beraterhaus CBRE, im Gespräch mit Handelsblatt Inside Real Estate.
Schließlich sind die Rechenzentren notwendig, um die immer größer werdende Menge an Daten verarbeiten zu können. „Die hohen Investments sind nicht nur für ein paar Jahre getätigt. Sie ermöglichen auch neue Investments in Lagen, die vorher vielleicht nicht so im Fokus standen, weil sie für Büro- oder Industriegebäude nicht so interessant waren.“
In Europa konzentrieren sich die Standorte auf die „FLAP-Region“: Frankfurt, London, Amsterdam und Paris. Sebastian Dooley, Fondsmanager bei Principal Real Estate Europe, erklärt: „Die Kernfaktoren sind eine gute Anbindung an internationale Glasfasernetzwerke sowie die Nähe zu Ballungsräumen, Menschen und Unternehmen.“ Je kürzer die Verbindung, desto besser die Latenz, also die Geschwindigkeit der Datenübertragung.
In Deutschland sei die meist sehr gut, sagt Marco Foof, CTO beim Beratungsunternehmen Prea. „Die Latenzen können entscheidend sein, wenn sie Börsenhandel betreiben wollen. Da macht es schon einen Unterschied, ob das nächste Rechenzentrum zehn oder hundert Kilometer entfernt ist.“
Und auch die weiteren Anforderungen an einen Standort sind hoch, wie aus dem aktuellen CBRE-Bericht zu Rechenzentren hervorgeht. Bei ihnen handelt es sich um kritische Infrastruktur. Investoren schließen daher Mikrolagen aus, bei denen das Risiko für Naturkatastrophen zu hoch ist oder wo zu viel Verkehr herrscht.
Gleichzeitig muss die Strom- und Glasfaseranbindung zu anderen Rechenzentren gegeben sein. Faktoren wie soziale Infrastruktur, Sichtbarkeit oder Verkehrsanbindung fallen wegen der wenigen Mitarbeiter weg.
Im Großraum Frankfurt sind die meisten Faktoren gegeben, daher konzentriert sich die Branche noch auf diesen Markt. Aber der Druck wächst: „Vor fünf Jahren hat in Frankfurt-Sossenheim noch ein Betreiber pro Jahr ein Grundstück in B- und C-Lage erworben – jetzt haben wir sechs Betreiber, die um ein Grundstück werben“, sagt Dada. Auch in der Umgebung werden immer mehr Städte und Orte erschlossen.
Die Situation wird durch die Größenordnungen erschwert, in denen Investoren denken. Bei über 40.000 Quadratmetern liegen die angefragten Flächen, sagt Dada. Darunter gehe es selten, weil Skaleneffekte und Kosten sonst nicht mehr passen würden.
Auch wenn er gesteht, dass sie städtebaulich kein Highlight seien, ärgert ihn die geringe Akzeptanz von Rechenzentren. „Sie sind der logische Motor der Digitalisierung. Wir können in Deutschland nicht verlangen, digitaler zu werden und Daten sicher im Land zu halten, und gleichzeitig Rechenzentren verurteilen.“
Er schlägt vor, ihnen nach § 35b Baugesetzbuch Privilegien für Bauvorhaben in Außenbereichen zu erteilen, wie es zum Beispiel bei Gartenbau oder bei Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser oder Elektrizität der Fall ist.
Unter all diesen Voraussetzungen ist bei den Investoren viel Hintergrundwissen vonnöten, weiß Dooley von Principal. „Der Markteinstieg ist schwierig, man muss die passenden Partner mit dem entsprechenden Fachwissen finden – und der Pool an Spezialisten ist sehr klein.“ Auch Dada von CBRE kennt ihre Sorgen: „Vielen Investoren bereitet der Residualwert Kopfzerbrechen – man investiert dreistellige Millionenbeträge in B- und C-Lagen und hat keine Chance, die Objekte später umzunutzen.“
„Dem gegenüber steht eine denkbar höhere Rendite als bei anderen Assetklassen“, sagt Dada. Allerdings ist es schwierig, verlässliche Angaben zur Rendite zu machen: Die Objekte unterscheiden sich zu stark voneinander, die Anzahl der Transaktionen ist zu gering. „Letztlich kommt es darauf an, was genau ich vermiete. Wenn es nur die Gebäudehülle ist, dann ist die Rendite etwas höher als bei der Logistik.“
Auch Dooley von Principal legt sich wegen der schwierigen Vergleichbarkeit nicht auf eine Zahl fest, würde die Rendite aber auch am ehesten mit Logistikimmobilien vergleichen. Dabei sei eine um 150 bis 200 Basispunkte höhere Rendite gegenüber Logistik durchaus drin. Im Rechenzentren-Investment-Index aus dem Jahr 2018 machte der Immobiliendienstleister Savills eine Anfangsrendite von fünf bis sieben Prozent für Rechenzentren aus. Mittlerweile liege sie bei rund 4,5 Prozent.
Dem CBRE-Bericht zufolge verbrauchte der Frankfurter Rechenzentrenmarkt im Jahr 2010 rund 118 Megawatt, 2019 waren es bereits 396 Megawatt. Für dieses Jahr geht das Beraterhaus von einem deutlichen Anstieg auf 564 Megawatt aus. Foof von Prea glaubt, dass dort dringend aufgestockt werden müsse, sonst könne es zu Engpässen kommen. „In Deutschland wird die Infrastruktur zwar stetig entwickelt, aber leider nicht immer am schnellsten.“
„Wir dürfen uns nichts vormachen, Rechenzentren verbrauchen viel Energie“, ergänzt er. Doch in das Portfolio nachhaltigkeitssensibler Investoren passen sie damit nur in Ausnahmen. Es gibt nur wenige Beispiele, wie in Skandinavien, wo einzelne Rechenzentren an Wasserkraftwerke angeschlossen sind.
Facebook nutzt die natürliche Außentemperatur nördlich des Polarkreises zur Kühlung, Microsoft experimentiert mit versenkbaren Rechenzentren, die von Meerwasser durchströmt werden. Ansonsten bleibt nur grüner Strom übrig oder die für den Ernstfall notwendigen Notstromaggregate von Diesel auf Wasserstoff umzustellen, sagt Dada.
Foof schlägt vor, mehr Rechenzentren im innerstädtischen Bereich umzusetzen. „Die dort entstehende Abwärme kann man nutzen, um Gebäude zu heizen. So machen es bereits einige wenige Co-Location-Rechenzentren, die zum Beispiel nur eine Etage eines Gebäudes einnehmen.“ So könne man im Betrieb eines Hochhauses einen fünfstelligen Jahresbetrag sparen.
All diese Faktoren hängen zudem von unterschiedlichen Typen und Nutzungsarten der Rechenzentren ab, also beispielsweise von Größe, Zweck und Betreibertyp. Ein eher neuer Typ sind die Edge-Rechenzentren, die wesentlich kleiner sind und den lokalen Bedarf an Rechenleistung decken sollen. Vor allem bei der 5G-Technologie werden diese eine große Rolle spielen, ist sich Dooley sicher. Denn um beispielsweise autonomes Fahren zu ermöglichen, müssen die Antennen direkten Zugriff auf Rechenzentren haben.
„Wenn zwei Autos auf der Straße zu kollidieren drohen, dann muss eine extrem niedrige Latenz gegeben sein, um einen Unfall zu verhindern.“ Wie genau das alles funktionieren wird, ist noch nicht vollständig klar, die Industrie befindet sich noch in der Konzeptionsphase, erklärt Dooley. Ideen gibt es aber schon, wie zum Beispiel kleinste Recheneinheiten, eingebaut in Straßenlaternen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.