EU-Offenlegungsverordnung Die Fondsbranche sitzt in der Regulierungsfalle

Mit der voreiligen Verabschiedung der Offenlegungsverordnung haben die Europäer die Chance auf einen großen Wurf in Sachen nachhaltige Finanzwirtschaft vertan, meint der Gründer und Verwaltungsratsvorsitzender des Investmentmanagers Empira.
Quelle: Empira
Die EU-Offenlegungsverordnung ist ein wichtiger Baustein bei der Schaffung transparenter und vergleichbarer Kriterien für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft in Europa. Doch leider konnte die Direktive ihr Potenzial bislang nicht voll ausschöpfen. Der Grund: Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 10. März 2021 stand die Spezifizierung der Vorgaben durch die technischen Regulierungsstandards noch nicht vollständig fest – ein Unding in der Geschichte der europäischen Gesetzgebung.
Diese Level-2-Standards werden von den drei EU-Finanzaufsichtsbehörden Eba, Eiopa und Esma definiert, doch bis zum Inkrafttreten der Verordnung konnte hierüber keine Einigung erzielt werden – zumal die Regularien auch mit der erst ab 2022 sukzessive anzuwendenden EU-Taxonomieverordnung verzahnt werden müssen. Zwar geht es nur noch um Details, aber just darin steckt ja sprichwörtlich wie so oft der Teufel. Denn die Finanzdienstleister wissen jetzt, dass sie transparent ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten offenlegen müssen, um ihre Produkte als Artikel-8- oder gar Artikel-9-konform einstufen zu lassen und als „nachhaltig“ bewerben zu dürfen. Doch wie genau dies auch quantitativ nachzuweisen ist, ist eben noch nicht final geregelt.
Somit sitzt die Fondsbranche jetzt in der Regulierungsfalle: Auf der einen Seite erwarten Aufseher und Kunden ein klares Bekenntnis. Auf der anderen Seite kann es immer noch sein, dass mit der finalen Ausgestaltung der Level-2-Standards noch Anpassungen erfolgen. Wer also frühzeitig eine Einstufung nach Artikel 8 beantragt hat, sollte sich seiner Sache sehr sicher sein. Schlimmstenfalls drohen mit der Konkretisierung im Verlauf des Jahres eine Rückstufung und somit enorme Rechts- und Reputationsrisiken.
Deshalb überrascht es nicht, dass zahlreiche Fondsinitiatoren und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) angesichts dieser Ungewissheiten erst mal auf Abwarten statt auf ambitionierte Klassifizierungen setzen. Vor allem für Fondsprodukte mit einem breit diversifizierten Portfolio fällt es derzeit schwer, jegliches Nachhaltigkeitsrisiko für jedes einzelne Fondsobjekt auszuschließen, solange nicht bis ins Detail geregelt ist, worauf dabei zu achten ist.
Eine besondere Vorsicht ist derzeit zudem bei vielen Service-KVGs zu beobachten, die aus verständlichen Gründen nicht in den Verdacht geraten wollen, einzelne Kunden bevorzugt zu behandeln, und deshalb unter Hochdruck den kleinsten gemeinsamen Nenner für ihre völlig heterogene AIF-Produktlandschaft finden müssen. Auch für die Investoren ist es nun zunächst nicht leichter geworden, den Überblick zu behalten und alle Kriterien nachzuvollziehen.
Kein Zweifel, und zahlreiche Beispiele sowohl kleinerer als auch größerer Fonds belegen es: Ein Artikel-8- oder gar Artikel-9-konformes Produkt ist nach Lage der Dinge bereits möglich. Die meisten zu erwartenden Regulierungsstandards sind abzusehen. Das Risiko völlig unvorhergesehener Kehrtwenden ist als eher gering einzustufen. Aber es bleibt dennoch ein Restrisiko.
Schade, dass die EU-Kommission hier mit einem sinnvollen und eigentlich guten Ansatz knapp am Ziel vorbeigeschossen ist. Warum diese Ungeduld? Hätte das Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung nicht noch ein paar Monate warten können, bis die Level-2-Standards auch im Detail feststehen? Oder anders gefragt: Ist es zu viel verlangt, sich frühzeitig auch in Detailfragen festzulegen und abzustimmen, bevor man ein europaweit unmittelbar verbindliches Regelwerk rechtskräftig implementiert?
Die Offenlegungsverordnung ist deshalb noch lange kein Rohrkrepierer. Die Level-2-Standards werden kommen und damit auch mehr Klarheit für die gesamte Branche. Es hätte allerdings auch bereits zum Start der große Wurf werden können. Stattdessen werden wir uns noch lange an einen unnötigen und unverständlichen Stotterstart erinnern.
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