Gertrud Traud „Wahlversprechen zum Wohnungsneubau sind Luftschlösser“
Um die stark steigenden Wohnungspreise zu dämpfen, plädieren nicht nur Wissenschaftler und Immobilienprofis, sondern vor allem auch Politiker für einen deutlich stärkeren Wohnungsneubau. Während in den vergangenen Jahren jeweils ungefähr 300.000 Einheiten fertiggestellt wurden, wollen etwa die SPD und die Unionsparteien künftig pro Jahr mindestens 400.000 Wohnungen bauen lassen.
Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud hält eine Ausweitung des Wohnungsangebots zwar für ein probates Mittel, um die Preisdynamik einzudämmen. Sie stellt sich allerdings die Frage, wer die vielen neuen Wohnungen überhaupt bauen soll? Schließlich herrsche wie in vielen anderen Industriezweigen auch in der Bauwirtschaft ein Fachkräftemangel. „Wir haben über eine Million weniger Bauarbeiter als noch zu Zeiten der Wiedervereinigung“, sagte sie auf einer Veranstaltung der Börsen-Zeitung am Montagmittag.
Es werde heute beispielsweise deutlich mehr gebaut als zum Tiefpunkt der Finanzkrise. Allerdings kämen die Baufirmen mit der Abarbeitung ihrer Aufträge nicht mehr nach. „Sollte es also Wahlprogramme geben, die versprechen, dass mehr gebaut werden soll als heute, dann ist das ein Luftschloss und reine Wahlpropaganda. Es gibt keine Kapazitäten“, unterstrich Traud.
Auch das Ansinnen, das Wohnen bezahlbarer, also günstiger zu machen, sei ein Trugschluss. „Wie soll das denn funktionieren, wenn alles teurer wird, siehe Rohstoffe und Löhne?“ Eine der wenigen Möglichkeiten sei, dass der Staat für Erleichterungen sorgt, etwa indem die Grunderwerbsteuer gesenkt werde. „Wenn der Bausektor brummt, kassiert der Staat schließlich kräftig mit.“
Dass die Nachfrage nach Wohnraum in naher Zukunft abreißen könnte, erwartet Traud nicht. Zumindest werden die niedrigen Zinsen als Stütze der Nachfrage nach Wohneigentum noch eine Weile erhalten bleiben. Traud rechnet damit, dass die Europäische Zentralbank frühestens Ende 2023 mit einer Erhöhung der Leitzinsen auf die gestiegenen Inflationsraten reagieren könnte. „Im Moment erwarten wir erst mal nichts. An den Anleihekäufen wurde auch nichts geändert.“ In den USA dagegen rechnet die Volkswirtin mit einer ersten Zinserhöhung Ende 2022.
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