Gewerbliche Immobilienfinanzierung Wann kommt der Kredit-Crash?

Die HCOB hat für kommende Kreditausfälle vorgesorgt.
Quelle: dpa
Als die Aareal Bank vor wenigen Wochen als erster großer Immobilienfinanzierer die Geschäftszahlen für das Corona-Jahr 2020 präsentierte, ließ das nichts Gutes für die Bankenwelt erahnen. Eine um 344 Millionen Euro aufgestockte Risikovorsorge bewirkte, dass das Ergebnis der börsennotierten Immobilienbank in den Keller rauschte. Ein ungewöhnliches Ereignis. Selbst in der globalen Finanzkrise von 2008 ist das der Aareal Bank nicht passiert. Die Pandemie – so schien es – hatte auch die Finanzierer bis ins Mark getroffen.
Doch der Schrecken verflog nicht nur an der Börse auffallend schnell. Die Investoren jedenfalls griffen bei der Aareal-Aktie fleißig zu: Der Kurs legte am Tag der Veröffentlichung, angetrieben durch den Ausblick auf deutlich bessere Zahlen in diesem Jahr, zweistellig zu.
Auch die Wettbewerber von Aareal gaben keinen Anlass, das Krisenszenario erneut aufleben zu lassen. Zwar haben alle Institute die Risikovorsorge zum Teil kräftig aufgestockt – sie konnten die Belastungen aber infolge auffallend stabiler Erträge zumindest teilweise abfedern. Zugute kam ihnen, dass in deutlich geringerem Umfang Kredite außerplanmäßig getilgt wurden. Dadurch erhöhten sich bei den meisten Banken auch bei schwächerem Neugeschäft die zinstragenden Kreditbestände.
Lediglich bei der Hamburg Commercial Bank änderte sich wie bei der Aareal Bank das Vorzeichen beim Immobilienergebnis . Das allerdings führt Peter Axmann, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung, nicht auf tatsächliche Kreditausfälle zurück. Im vergangenen Jahr sei das rund elf Milliarden Euro schwere Immobilienkreditportfolio der Bank von den Umsatzausfällen bei Hotel- und Einzelhandelsimmobilien weitgehend verschont geblieben. Dazu hätten die staatlichen Hilfsprogramme und guten Reserven der Kreditnehmer beigetragen, aber auch die konservativen Kreditstrukturen mit einem durchschnittlichen Beleihungsauslauf von 61 Prozent, erklärt Axmann.
Aus „Gründen der Vorsicht“ seien im vergangenen Jahr 150 Millionen Euro Vorsorge für das Immobiliensegment neu gebildet worden. „Die HCOB hat ihre ohnehin schon konservative Risikovorsorgepolitik 2020 noch einmal nachgeschärft, da sich nicht absehen lässt, welche Folgen die andauernde Pandemie im laufenden Jahr für das Kreditportfolio möglicherweise haben wird.“
Auch der Vorstandsvorsitzende der Berlin Hyp, Sascha Klaus, bewertet die erhöhte Risikovorsorge als reine Vorsichtsmaßnahme. Es habe bis in den März des laufenden Jahres hinein keine Einzelwertberichtigungen oder Zahlungsausfälle im rund 24 Milliarden Euro großen Kreditportfolio gegeben. „Bis jetzt ist nichts angebrannt“, sagt Klaus.
Er geht davon aus, dass das Risikoergebnis im laufenden Jahr günstiger ausfallen wird als 2020. Zwar sehe er gewisse Schleifspuren bei Hotel- und Handelsimmobilien. In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Lage aber etwas entspannen. „Unsere finanzierten Objekte halten auch noch ein paar weitere Monate Lockdown aus.“
Kreditexperten zeigen sich von der stabilen Lage der Banken etwas überrascht. So hätte Anke Herz, Leiterin Debt Advisory bei JLL Deutschland, jedenfalls damit gerechnet, dass die Schäden bei den Banken etwas deutlicher beziehungsweise die Aussichten getrübter ausfallen würden. Eine Beurteilung, ob der Sturm womöglich komplett an den Banken vorbeiziehen wird, hält sie allerdings noch für verfrüht. „Was in den Bankbilanzen noch an Risiken schlummert, wird sich erst mit den Abschlüssen zum ersten und zweiten Quartal herauskristallisieren.“ Momentan wolle sich da niemand so richtig in die Karten schauen lassen. „Über Performanceprobleme im Buch spricht man schließlich nicht so gerne.“
Dass die Banken bislang mit nur wenigen Blessuren durch die Coronakrise gekommen sind, führt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken, unter anderem auf die Regulierung nach der letzten Finanzkrise zurück. Zudem hätten die Institute seit Beginn der Pandemie ihre Kreditkonditionen angepasst, indem sie selektiver in der Kreditvergabe vorgingen, außerdem hätten sie ihre Risikopuffer ausgedehnt.
Tolckmitt gibt sich daher optimistisch, dass sich die Immobilienfinanzierer weiterhin als resilient erweisen werden: „Derzeit deutet alles darauf hin, dass die Risikovorsorge der Immobilienfinanzierer auch bei einem nun abermals verlängerten Lockdown auskömmlich sein wird. Hinzu kommt das, was wir seit einem Jahr sagen: Die Immobilienfinanzierung ist nicht so unmittelbar von der Pandemie betroffen wie die Finanzierung der direkt vom Lockdown betroffenen Unternehmen.“
Zieht der Sturm also womöglich an den Immobilienfinanzierern komplett vorbei, ohne große Schäden zu hinterlassen? Christian Schmid, Immobilienvorstand der Helaba, hält das Szenario für unwahrscheinlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit faktisch nicht vorhandenen Einzelwertberichtigungen durch diese Pandemie kommen werden. Wir werden aber auch keine dramatischen Einschläge erleben. Dafür ist der Anlagedruck bei den Investoren zu hoch, was wiederum die Immobilienpreise stabil hält.“
Hinzu komme, dass die Kreditausläufe in den vergangenen Jahren auf einem moderaten Level geblieben sind. „Selbst wenn also Marktwertveränderungen stattfinden, gibt es noch genügend Puffer. Oder um im Bild zu bleiben: Der durch einen Sturm verursachte Wellengang wird nicht so hoch sein, dass das Boot zu kentern droht.“
Auch HCOB-Manager Axmann rechnet mit einem Anstieg der tatsächlichen Ausfälle in der gesamten Immobilienfinanzierungsbranche, wenngleich die Branche von einem sehr niedrigen Niveau aus starte. „Die anhaltende Pandemie belastet die Liquiditätssituation einiger Kreditnehmer zunehmend und die vorhandenen Reserven gehen teilweise zur Neige.“ Der Umfang der notleidenden Kreditengagements werde auch davon abhängen, wie schnell es gelinge, die Pandemie durch Impfen und Testen nachhaltig einzudämmen.
Der nächste Lackmustest wird am 11. Mai erfolgen. Dann präsentiert die Aareal Bank die Ergebnisse zum ersten Quartal 2021. Über schlechte Zahlen dürften die Investoren dann wohl nicht mehr so ohne Weiteres hinwegsehen.
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