Koalitionsvertrag Die Ampel nimmt viel Geld fürs Bauen und Wohnen in die Hand

Statt auf Konfrontation mit der Immobilienwirtschaft setzen die Koalitionäre auf Kooperation.
Quelle: Imago/Mike Schmidt
Nach langen und vor allem diskreten Verhandlungsrunden haben sich die Ampelparteien auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Statt auf Konfrontation mit der Immobilienwirtschaft setzen die Koalitionäre auf Kooperation.
So wird es eine von vielen Marktteilnehmern befürchtete schärfere Mietenregulierung nicht geben, stattdessen soll ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ unterstützt durch steuerliche Anreize das Wohnungsangebot deutlich ausweiten. Das Ziel sind 400.000 Fertigstellungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen.
Auch an anderen Stellen will das Dreierbündnis die öffentliche Förderung hochfahren, wie etwa für den Städtebau oder bei der privaten Wohneigentumsbildung, die durch Tilgungszuschüsse und KfW-Bürgschaften unterstützt werden soll.
Nach inoffiziellen Schätzungen dürften die Maßnahmen jedes Jahr mehrere Milliarden Euro kosten. Alleine der beabsichtigte Bau von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr könnte ungefähr fünf Milliarden Euro verschlingen, ist aus Verhandlungskreisen zu hören. Die Städtebauförderung soll von aktuell 750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro verdoppelt, die lineare Gebäudeabschreibung für Neubauten von zwei auf drei Prozent per annum angehoben werden, was in der Folge zu weniger Steuereinnahmen führen wird.
Die vorgesehene Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer, die letztlich in einem Freibetrag für Käufer von selbstgenutztem Wohneigentum münden soll, dürfte ebenfalls kostspielig werden. Mindestens sechs Milliarden Euro stehen hierfür im Raum. Die zur Gegenfinanzierung im Koalitionsvertrag genannte Schließung von Schlupflöchern beim Immobilienerwerb über Share-Deals wird dagegen auf lediglich eine Milliarde Euro taxiert.
Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Maßnahmen geplant, wie ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Schwellenhaushalte, eine Erhöhung des Wohngelds und des KfW-Förderprogramms für altersgerechtes Wohnen, ein Bund-Länder-Programm für studentisches Wohnen oder die personelle Aufstockung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Die Behörde soll künftig mehr Freiheiten bekommen und durch die Aufnahme von Krediten selbst investieren können. Das Ziel ist laut Koalitionsvertrag, die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb aller Bundesbauten und Bundesliegenschaften bei der Bima zu konzentrieren.
Laut Bernhard Daldrup, der für die SPD die Koalitionsverhandlungen begleitete, wird die Bima „ein wichtiges Element bei der wohnungspolitischen Offensive“ sein. Die Vorstellung, dass aus der Bima eine Bundeswohnungsgesellschaft wird, die mehrere Tausend Wohnungen im Jahr baut, sei allerdings verfehlt. „Das wird sie nicht erfüllen können“, sagt Daldrup im Gespräch mit Handelsblatt Inside Real Estate.
Die Botschaft der Koalitionäre scheint indes relativ klar: Es sollen keine Kosten und Mühen gescheut werden, um die drängenden Probleme am Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen.
Das wird von den Immobilienverbänden wohlwollend goutiert. Besonders die Ankündigung des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ und die Schaffung eines eigenen Ministeriums fürs Bauen und Wohnen stößt auf viel Gegenliebe. Auch für die designierte Bauministerin Svenja Schulze (SPD) scheint es große Sympathien zu geben (siehe Beitrag „Die Branche freut sich auf eine Bauministerin Svenja Schulze“ weiter unten).
Gefallen dürfte den Lobbyisten aber auch, dass von einer strengen Mietenregulierung nicht viel zu sehen ist. Auf den letzten Metern der Koalitionsverhandlungen haben die Spitzen der Ampelparteien um die künftige Ausgestaltung des Mieterschutzes gerungen. „Da lagen die Positionen extrem weit auseinander“, weiß Chris Kühn, der für die Grünen die Koalitionsverhandlungen auf Fachebene führte.
Am Ende konnten sich offenbar die marktliberalen Stimmen weitgehend durchsetzen. So einigten sich die Koalitionäre auf allenfalls moderate Anpassungen, wie etwa der Senkung der Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von 15 Prozent auf elf Prozent und der Vergrößerung des Betrachtungszeitraums der Mietspiegelmieten von sechs auf sieben Jahre. Die Mietpreisbremse soll zwar verlängert, aber nicht verschärft werden. Die Immobilienbranche hatte jedenfalls Schlimmeres befürchtet.
Beim Deutschen Mieterbund (DMB) herrscht dagegen Unmut. „Wer den Mietenanstieg und die Verdrängung in den Städten ernsthaft bekämpfen will, darf sich nicht allein mit einer Absenkung der Kappungsgrenze für Bestandsmieten in homöopathischen Dosen zufriedengeben“, sagt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Vom vielzitierten Mietenstopp fehle jede Spur. Es sei offensichtlich, dass sich die FDP beim Mietrecht deutlich durchgesetzt habe. Positiv hebt Siebenkotten dagegen die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit und die Zielmarke beim Wohnungsbau hervor.
Grünen-Politiker Kühn macht keinen Hehl daraus, dass seine Partei beim Mietrecht Zugeständnisse machen musste. So habe man sich bei den geplanten Mietobergrenzen auf Bundesebene nicht durchsetzen können. „Man bekommt in einer Koalition nie 100 Prozent, insbesondere dann nicht, wenn drei Parteien beteiligt sind.“ Aber auch die FDP habe sich beim Mietenthema bewegt, betont Kühn.
In ihrem Wahlprogramm hatten sich die Liberalen gegen eine Verlängerung der Mietpreisbremse und eine weitergehende Mietenregulierung ausgesprochen. Für Daniel Föst, Verhandlungsführer der FDP für die Themen Bauen und Wohnen, ist es ein Erfolg, dass die Parteiprogramme schlussendlich beiseite gepackt wurden. „Wir haben gemeinsam am Ziel gearbeitet und nicht an der Parteifarbe.“
Föst gibt zu, dass er damit selbst nicht gerechnet hatte. „Ich hatte eher die Sorge, dass wir uns aufreiben werden.“ Angenehm überrascht sei er zudem darüber gewesen, dass die Verhandlungsleiter vorab festgelegt hätten, auf eine Einigung sowie auf eine Verhandlung auf Augenhöhe zu beharren – also losgelöst von den Mehrheitsverhältnissen der Bundestagswahl. „Beides hat gut funktioniert“, sagt Föst. Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe waren die unterschiedlichen Positionen der Parteien nach den Ampelfarben markiert. „Das sah nicht besonders bunt aus“, unterstreicht er.
Auch SPD-Mann Daldrup unterstreicht, dass jede Partei „ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft“ mitgebracht habe. Dass die SPD die Mieterklientel mit allzu großen Zugeständnissen verprellt habe, mag er nicht gelten lassen. „Die Mietpreisbremse wird fortgeschrieben und bei den Mietspiegelmieten haben wir jetzt eine Perspektive von sieben Jahren. Klar wäre uns bei der Kappungsgrenze etwas mehr lieber gewesen, aber wir haben ja auch noch andere Instrumente, die helfen könnten.“
Als Beispiel nennt Daldrup die Milieuschutzsatzung. Das dort vorgesehene kommunale Vorkaufsrecht kann nach einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur noch eingeschränkt ausgeübt werden. Laut Koalitionsvertrag soll geprüft werden, ob sich aus dem Urteil „gesetzgeberischer Handlungsbedarf“ ergibt. Die Aufnahme dieses Passus sei für Daldrup ein Beleg „für das hohe Maß an Sensibilität gegenüber den Belangen von Mietern“. Der zentrale Punkt ist für ihn aber, dass das Ziel, mehr „leistbaren“ Wohnraum zu schaffen, gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden soll. „Deswegen ist das Bündnis bezahlbarer Wohnraum auch nicht einfach so eine Floskel, sondern sehr ernst gemeint. Es geht nicht ohne ein konstruktives Verhältnis zur Wohnungswirtschaft und den Mieterverbänden.“
Und dabei gilt es, keine Zeit zu verlieren. „Wenn wir 400.000 neue Wohnungen im Jahr bauen und die klimapolitischen und sozialen Ziele erreichen wollen, darf es keine hierarchische Matrix geben, nach der zuerst gebaut und dann geschaut wird, wie es bezahlbar gemacht werden kann. Das muss alles gleichzeitig laufen“, sagt Daldrup.
Ins gleiche Horn bläst Daniel Föst. Es müsse jetzt an allen Rändern gleichzeitig gedreht werden. Föst meint damit die Ankurbelung des Wohnungsbaus, die Baubeschleunigung und die Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor. Gelingen soll Letzteres über eine Anpassung der KfW-Förderprogramme sowie eine Verschärfung des Gebäudeenergiegesetzes.
Der Schulterschluss mit der Bau- und Immobilienwirtschaft sei dabei eine längst überfällige und notwendige Maßnahme: „Es hat sich bei allen durchgesetzt, dass der konfrontative Weg, wie er in Berlin gegangen wird, nicht zum Ziel führt“, sagt Föst. Das geplante Bündnis bezahlbarer Wohnraum sei im Gegensatz zum Wohngipfel der Großen Koalition ein ernst gemeintes Projekt. „Alle Stakeholder sollen an einen Tisch kommen. Wir sollten damit direkt im ersten Quartal 2022 starten.“
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