Mietendeckel Berliner Vermietern drohen Strafzahlungen

Für 340.000 Berliner Wohnungen sinkt die Miete.
Frankfurt • Viele Mieter wurden bisher von ihren Vermietern nicht über eine anstehende Mietsenkung informiert
• Vermieter müssen dafür Sorge tragen, dass sie zu viel bezahlte Miete umgehend zurückzahlen
• Die Wohnungswirtschaft kehrt dem Berliner Wohnungsmarkt den Rücken
Der Berliner Mietendeckel könnte einige Vermieter teuer zu stehen kommen. Seit diesem Montag greift Stufe zwei des Berliner Mietendeckels: Wohnungsmieten, die um mehr als 20 Prozent die jeweils festgeschriebenen Mietobergrenzen überschreiten, müssen abgesenkt werden. 340.000 der insgesamt rund 1,5 Millionen Mietverhältnisse sind nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung hiervon betroffen.
Wer sich nicht daran hält und überhöhte Mieten einfordert, dem drohen Bußgelder. Laut Berliner Mietendeckelgesetz im Extremfall bis zu 500.000 Euro. „Bei der Bemessung sind natürlich mehrere Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere wie grob ist der Verstoß und handelt es sich um vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln“, erläutert Rechtsanwalt Mathias Hellriegel. Die Bußgelder werden in der Regel je Wohnung festgesetzt, wiederholte Bußgelder für wiederholte Verstöße hält Hellriegel für denkbar.
Vermieter sollten deswegen darauf bedacht sein, dass sie keine überhöhten Mieten verlangen. Anscheinend gibt es jedoch zahlreiche Vermieter, die sich dem Bußgeldrisiko bewusst oder unbewusst aussetzen.
Nach einer Befragung der Verbraucherrechteplattform Conny haben drei von vier Mietern zum Stand 19. November keine Informationen über eine anstehende Mietsenkung erhalten. Befragt wurden 2500 Mieter, die nach dem Mietendeckelgesetz Anspruch auf eine Mietsenkung haben. Lediglich ein Viertel von ihnen wurde durch den Vermieter darüber in Kenntnis gesetzt. Im Schnitt wird hier die Miete um 241 Euro pro Monat gesenkt.
Die Mietsenkung gesetzeskonform umzusetzen ist in der Praxis mitunter recht aufwendig. Alle betroffenen Mieter müssen informiert werden, dass sie weniger zu zahlen haben und entsprechend ihre Daueraufträge oder Überweisungen anpassen, erläutert Stefanie Frensch, Vorstandsmitglied des Bestandshalters Familienstiftung Becker & Kries und frühere, langjährige Geschäftsführerin der Berliner Wohnungsgesellschaft Howoge.
Das sei ein immenser administrativer Aufwand, zumal es in vielen Fällen nicht mit einer einmaligen Mitteilung getan ist. „Aus meiner Erfahrung erreicht man nie alle Mieter. Ich bin mir sicher, dass wir bei zehn bis 15 Prozent unserer Mieter mehrere Monate kämpfen müssen, damit sie entsprechend reagieren. Und fünf Prozent werden schlicht nicht einsehen, warum sie das Geld nicht beim Vermieter parken können.“
Das würden Mieter durchaus in Erwägung ziehen, weil sie davon ausgingen, dass das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel kippen wird und sie dann die gekürzte Miete sowieso nachzahlen müssten, erläutert Frensch. Ein Urteil zum Mietendeckel hat das Bundesverfassungsgericht für das zweite Quartal 2021 angekündigt. Doch auch in diesem Fall sei es Aufgabe des Vermieters, den zu viel bezahlten Teil umgehend zurückzuzahlen. „Wir dürfen diese Miete einfach nicht annehmen“, unterstreicht Frensch.
Um Bußgeldverfahren wegen zu hoher Mieten zu vermeiden, empfiehlt Frensch Vermietern, die Information der Mieter schriftlich zu dokumentieren und jede Zahlung einzeln zu überprüfen. Dann hätte man gute Chancen, drohende Bußgelder abzuwenden, glaubt sie.
Und auch falls sich die Berliner Senatsverwaltung unnachgiebig zeigen sollte, bestehen nach Ansicht von Rechtsanwalt Christian Schede von der Kanzlei Greenberg Traurig Möglichkeiten, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen: „Auch dagegen gibt es Rechtsmittel und ein Bußgeld auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes ist auch rechtswidrig. Dagegen sollte man sich also ebenfalls wehren“, sagt Schede.
Nicht nur private und professionelle Vermieter leiden unter dem Mietendeckel, sondern auch die Bauwirtschaft, betont Frensch. Schließlich hätten die Wohnungsgesellschaften weniger Liquidität für Sanierungen und Instandsetzungen zur Verfügung. „Die Bauwirtschaft wird durch den Deckel unter Druck gesetzt.“
Einer Umfrage des BFW Landesverbands Berlin/Brandenburg zufolge gaben drei Viertel der befragten Mitgliedsunternehmen an, aufgrund geringerer Mieteinnahmen Sanierungen und Modernisierungen gestoppt oder zurückgestellt zu haben. Fast zwei Drittel spüren die negativen Auswirkungen des Mietendeckels.
Nach Verbandsangaben sind die Mitglieder für etwa die Hälfte des Wohnungsneubaus in Berlin verantwortlich. An der aktuellen Befragung, die im November durchgeführt wurde, haben 17 Unternehmen teilgenommen. Zusammen verwalten und bewirtschaften sie 31.000 Wohnungen.
Als Reaktion auf den Mietendeckel droht die Wohnungswirtschaft ins Umland abzuwandern. Drei Viertel der Befragten wollen ihre geschäftlichen Aktivitäten aufgrund der Berliner Wohnungspolitik nach Brandenburg verlagern. Jedes zweite Unternehmen will nicht mehr Mietwohnungen, sondern Eigentumswohnungen bauen und 38 Prozent planen gar einen kompletten Wechsel vom Wohnungs- zum Gewerbebau.
Schon jetzt seien laut BFW Neubauvorhaben mit mehr als 9000 Wohnungen aufgrund des Mietendeckels zurückgestellt worden. „Das ist die Kehrseite der Medaille von staatlich festgesetzten Mietobergrenzen“, sagt Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW-Landesverbands Berlin/Brandenburg.
Stefanie Frensch kennt zudem zahlreiche Beispiele, bei denen gerade nicht die Haushalte mit eher niedrigeren Einkommen von Mietsenkungen profitierten, sondern die Besserverdiener, die sich ihre teuren Wohnungen sowieso leisten könnten. „Dass dies als Kollateralschaden betrachtet wird, halte ich für einen Euphemismus. Das ist ein Regelschaden!“
Auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat der Mietendeckel nach einer Analyse von Immowelt dazu geführt, dass günstige Bestandswohnungen zunehmend vom Markt verschwinden und an ihre Stelle Neubauwohnungen rücken, deren Mieten frei vereinbart werden können. Zwei Drittel der inserierten Wohnungen waren in diesem Jahr regulierte Bestandswohnungen. Ein Jahr zuvor lag deren Anteil noch bei 82 Prozent. In anderen Metropolen gab es im gleichen Zeitraum bei den Immowelt-Inseraten gar keine bis geringfügige Veränderungen beim Verhältnis von Bestands- zu Neubauwohnungen.
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