Studie Klimaneutralität schafft lukrative Chancen für Investoren

Die Versorgung mit erneuerbaren Energien ermöglicht Mietpreisaufschläge.
Quelle: dpa
Hitzesommer, Dürren, Überschwemmungen und Stürme: Wer daran nicht merkt, dass der Klimawandel in vollem Gange ist, spürt zumindest die regulativen Eingriffe der Politik. Doch was die Immobilienbranche bei der Regulierungsoffensive oft übersieht, sind die sich gleichzeitig auftuenden Chancen. Eine Studie des Competence Center Process Management Real Estate (CC PMRE), die gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und dem Beraterhaus cctm real estate & infrastructure entstand, hat diese Chancen quantifiziert.
Insgesamt 410 Teilnehmer wurden im September und Oktober 2020 für die Marktanalyse „PMRE Monitor 2021: Klima. Wandel. Chance.“ befragt. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Experten aus der Immobilienwirtschaft, der Rest sind Studierende der Immobilienwirtschaft nationaler sowie ausländischer Hochschulen, darunter auch aus vom Klimawandel stark betroffenen Ländern wie dem Oman, Nigeria oder den Niederlanden.
Ein Kernergebnis der Studie lautet, dass sich Investitionen nicht nur wegen der Regulierung lohnen, sondern auch, weil die Erwartungshaltung der Gesellschaft für klimagerechtes Wohnen und Arbeiten hoch ist. „Mieter sind bereit, für den Klimaschutz zu zahlen“, sagt Regina Zeitner, Professorin der HTW und eine der Autorinnen der Studie.
Mietpreissteigerungen von im Schnitt 5,2 Prozent würden Mieter akzeptieren, wenn ihre Wohnung klimaneutral ist. Besonders bei den jüngeren Befragten ist die Bereitschaft, einen Klimaaufschlag zu bezahlen, ausgeprägt: Die Generation Z, also Menschen, die kurz vor der Jahrtausendwende bis um 2010 geboren wurden, würden eine um 5,8 Prozent höhere Miete in Kauf nehmen.
Auch aus Lagen und Ausstattungen, die steigende Temperaturen erträglicher machen können, ergeben sich Möglichkeiten. Aufschläge für Wohnungen mit Garten oder Balkon liegen der Studie zufolge bei durchschnittlich 7,5 Prozent, während die Nähe zu Wasserflächen gute 5,9 Prozent Mietpreiserhöhung ermöglicht.
Nachhaltigkeitsfaktoren wirken sich auch bei Ausstattung und Betrieb von Büroimmobilien aus: 76 Prozent der Arbeitnehmer halten eine angenehme Raumtemperatur für das wichtigste Anliegen – dicht gefolgt von der Raumluftqualität. Ein Ergebnis, das potenziell auch durch die Corona-Pandemie angeschoben wurde. Den klimaneutralen Gebäudebetrieb erwarten rund 70 Prozent der Befragten.
Zur Erfüllung dieser Faktoren sind jedoch tief greifende Investitionen notwendig, wie Aydin Karaduman, Managing Director beim Baudienstleister ISG, sagt: „Investoren und Mieter haben einen zunehmenden Bedarf an nachhaltigen Immobilien. Die Immobilienwirtschaft wird sich auf diese wachsenden Kundengruppen ausrichten.“
Eine deutliche Warnung an Investoren, ihre Objekte zu modernisieren und vor einem Dasein als sogenannte Stranded Assets zu schützen. Der Studie zufolge dürften die Wertverluste pro Objekt aufgrund von Überschwemmungen, Erdrutschen, Waldbränden und Dürren bis zu 25 Prozent betragen. Bei einer unzureichenden CO2-Bilanz dürfte der Wertverlust bei knapp 20,4 Prozent liegen.
„Wir sehen eine Wertsteigerung von CO2-neutralen Gebäuden oder Immobilien außerhalb von Klimarisikolagen“, sagt Marion Peyinghaus, Studienautorin und Geschäftsführerin der Forschungs- und Beraterplattform CC PMRE. Durchschnittlich etwa 8,6 Prozent betragen laut Untersuchung die Wertsteigerungen für Immobilien mit Klimaschutzaspekten wie die Nutzung CO2-neutraler Baumaterialien und der emissionsneutrale Betrieb, bessere Raumluftqualität, ÖPNV-Anbindung und weitere Faktoren.
Als wenig effektiv macht die Studie dagegen Impact Investing aus, also gesellschaftsfreundliche Ziele erreichen zu wollen, wie zum Beispiel kostengünstige Räume für Vereine oder NPOs zur Verfügung zu stellen.
Die Analyse bemängelt das Fehlen konkreter Ziele, Umsetzungen und Kooperationen in der Branche und mit externen Partnern. „Dem Klimawandel kann nur interdisziplinär begegnet werden“, sagt Andreas Engelhardt, Vorstandsvorsitzender der GWG Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg. „Politik, Stadtplanung, Bauindustrie, Energiewirtschaft und Digitalexperten müssen gemeinsam mit der Immobilienwirtschaft ohne Scheuklappen schnell tragfähige Lösungen entwickeln.“
Denn dass das Ziel Nachhaltigkeit erreicht wurde, empfinden lediglich 54 Prozent der Befragten – nur ein Prozent mehr als im Vorjahr und damit der letzte Platz im Ranking aller Erfolgskriterien. Und nicht nur der Druck der jüngeren Bürger bei Immobilien steigt, sondern auch bei der Wahl des Arbeitgebers: 40 Prozent der Generation Z haben angegeben, ihren Arbeitgeber nach Klimaschutzbeitrag auszuwählen.
Ein empfindlicher Faktor, rechnen die Teilnehmer doch damit, dass die Klimaneutralität des hiesigen Immobilienbestands frühestens im Jahre 2064 erreicht werden könne – also knapp 14 Jahre später als im Klimaschutzplan der Bundesregierung gefordert. Die Branche steht offensichtlich unter Zugzwang.
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