Wohnungsmarkt Der Mietendeckel wirkt – aber nicht nur positiv
Ein Jahr ist vergangen, seit der umstrittene Mietendeckel in Berlin eingeführt wurde. Und es zeigen sich die Auswirkungen, die von vielen Experten alles andere als positiv bewertet werden.
Einer aktuellen Analyse des Onlineportals ImmoScout24 zufolge wurden Mietwohnungen im vergangenen Jahr zwar knapp acht Prozent günstiger angeboten. Doch bei drei von vier Inseraten liegt die Miete noch immer über der zulässigen Obergrenze – im Schnitt um 2,76 Euro pro Quadratmeter.
Zudem sei das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen mit gedeckelten Mieten deutlich gesunken, sodass ein Wohnungssuchender mit einem härteren Konkurrenzkampf rechnen muss. Für die Analyse hat ImmoScout24 alle neu auf dem Portal eingestellten Inserate des letzten Jahres berücksichtigt.
Die Wohnungssuche in Berlin sei „schwieriger denn je“, schlussfolgert der Geschäftsführer von ImmoScout24, Thomas Schroeter. „Auf dem Papier können sich durch die Mietreduzierung tendenziell Menschen mit geringerem Einkommen wieder eher eine Wohnung in begehrten Lagen leisten, als dies vor dem Mietendeckel der Fall war“, sagt er. Die reale Nachfragesituation in Berlin sei jedoch „weiterhin dramatisch. Die anhaltend hohe Zahl der Immobiliensuchenden konkurriert um ein deutlich reduziertes Angebot.“
So sei das Angebot an Berliner Wohnungen, die unter die Einschränkungen des Mietendeckels fallen, im vergangenen Jahr um 30 Prozent gesunken. Ein Corona-Effekt sei das nicht: In anderen Städten sei das Angebot im selben Zeitraum gestiegen.
Im Umkehrschluss wurden mehr Wohnungen zum Kauf angeboten: Die Anzahl von Eigentumswohnungen auf ImmoScout24 ist um knapp ein Fünftel gestiegen. Dies gilt sowohl für vermietete als auch für unvermietete Eigentumswohnungen. Außerdem versuche ein kleiner Teil der Vermieter, den Mietendeckel zu umgehen, hat ImmoScout24 beobachtet.
Schließlich verweist das Portal auch darauf, dass Gebäudeinvestitionen zurückgestellt würden. Das verschlechtert auf Dauer den Berliner Wohnungsbestand und belastet Fortschritte in der energetischen Nachhaltigkeit. „Berlin braucht daher dringend Rechtssicherheit durch die bald erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, sagt Schroeter.
Die Beobachtungen von ImmoScout24 decken sich mit denen anderer Experten. „Der Mietendeckel ist ungerecht und verzerrt den Berliner Wohnungsmarkt“, sagte kürzlich auch der Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Jens Tolckmitt.
Beim Blick auf die einzelnen Stadtteile zeigen sich den Zahlen von ImmoScout24 zufolge deutliche Unterschiede. Am stärksten sanken die Mieten für die Maßnahme betreffende Bestandswohnungen im Ortsteil Haselhorst im Westen, von durchschnittlich 8,75 Euro auf 6,41 Euro pro Quadratmeter. 32 Prozent der Angebote liegen weiterhin über den Grenzen des Mietendeckels, allerdings nur noch geringfügig. In Lankwitz und Tegel boten die Vermieter ihre Wohnungen um jeweils 19 Prozent und in Alt-Hohenschönhausen um 18 Prozent günstiger an als im vergangenen Jahr. Im teuersten Stadtteil Mitte sanken die Angebotsmieten ebenfalls um 15 Prozent.
In einigen Stadtteilen hingegen ist das Mietniveau sogar gestiegen: in Tempelhof um elf Prozent, in Weißensee um rund neun Prozent, in Wilmersdorf um etwa drei Prozent und in Siemensstadt um rund zwei Prozent. Damit liegen die Angebotsmieten in diesen Stadtteilen zwischen 2,83 und 4,17 Euro pro Quadratmeter über dem zulässigen Mietniveau. In Wilmersdorf lagen 93 Prozent, in Tempelhof 90 Prozent und in Kreuzberg 87 Prozent der Angebote über dem Mietendeckel.
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