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Arbeitsplätze für Kreative Schöne neue Büro-Welt

Junge Kreative wollen ein ebensolches Arbeitsumfeld, egal ob in London oder Berlin. Das Start-up We Work vermittelt die passenden Räumlichkeiten – und wird mit Milliarden bewertet. Kann das Geschäftsmodell funktionieren?
26.06.2016 - 08:34 Uhr Kommentieren
„Ein physisches soziales Netzwerk.“ Quelle: PR
Büro auf Zeit

„Ein physisches soziales Netzwerk.“

(Foto: PR)

Von seinem Schreibtisch hat Jonathan Ludwig die Schaltstellen bundesrepublikanischer Macht jederzeit im Auge: Den Reichstag und das Kanzleramt sieht er, wenn er links an seinem großen schwarzen Monitor vorbeischaut. Das Beisheim Center, ein Hochhaus, in dem auch Bundestrainer Jogi Löw ein Apartment haben soll, hat er rechts von seinem Bildschirm im Blick.

Ludwig führt keine Nation oder Nationalmannschaft, sondern das Start-up Incent, das Firmen Rabattprogramme für ihre Mitarbeiter anbietet. In drei durch Glaswände getrennten Büros sitzen Ludwig und seine neun Angestellten an schlichten Holzschreibtischen. Bald sollen zwei neue Kollegen dazukommen, ein paar Bewerber hatte er schon da. „Bisher haben alle ein Foto vom Ausblick gemacht“, erzählt er.

Die exklusive Aussicht genießt der 29-Jährige, seit er mit seiner jungen Firma Anfang Mai in das erste Berliner Büro von We Work am Potsdamer Platz gezogen ist. Der 2010 in New York gegründete Büro-Vermieter ist selbst ein Start-up, wenn auch ein recht ungewöhnliches: We Work mietet weltweit gut 100 Büros mit mehreren Tausend Quadratmetern an und baut sie zu Co-Working-Arbeitsplätzen für seine aktuell 60 000 Mitglieder um. Investoren glauben an eine glänzende Zukunft für das Unternehmen: We Work wird derzeit mit umgerechnet 14 Milliarden Euro bewertet, unter seinen Investoren sind der Silicon-Valley-Superfonds Benchmark und die US-Banken JP Morgan und Goldman Sachs.

14 Milliarden Euro für eine Geschäftsidee, die nach wenig mehr als Regus mit schicken Tapeten klingt?

Es ist 19 Uhr an diesem Sommertag, statt We Work ist We’re Done Working, also Feierabend, angesagt. Hinter der Holztheke in der Common Area genannten Gemeinschaftsfläche wird Craft Beer gezapft, ein DJ spielt sanften Techno. Ein Gruppe Vollbärtiger in den hauseigenen „Creator“-Shirts hat einen Tisch zum „Beer Pong“ aufgestellt, ein an amerikanischen Colleges beliebtes Geschicklichkeits-Trinkspiel.

Jonathan Ludwig hat sich auf eines der braunen Ledersofas gesetzt, um seine Sicht auf We Work zu erklären: „Meine Mitarbeiter finden es cool hier, oft hängen sie auch nach der Arbeit noch rum.“ Das helfe beim Recruiting und um die Leidenschaft seiner Mitarbeiter für den Job aufrechtzuerhalten.

Leidenschaft? Für den Job? Dass die Millennials, die um die Jahrtausendwende im Teenageralter waren, weltweit Sinn und Spaß im Job suchen, hat eine Studie nach der anderen herausgefunden. We Work scheint perfekt eingestellt auf eine Generation, die international und vernetzt arbeitet wie keine zuvor. Wer Mitglied ist, hat Zutritt zu allen Büros weltweit – London, Tel Aviv, Schanghai. Über ein internes soziales Netzwerk kann man sich verabreden oder ähnlich wie bei Facebook per Statusnachricht Grafikdesigner im selben Haus oder eine PR-Agentur in London suchen. „Wir sind kein Bürovermieter, wir sind eine Gemeinschaft von Kreativen“, sagt Michael Gross, We Works Finanzchef. „Ein physisches soziales Netzwerk.“

We Work „ermächtige Menschen, die Arbeit ihres Lebens zu schaffen, nicht nur eine Arbeit, um zu überleben“. Deshalb sei man nach Berlin gekommen. Die „kreativste Stadt der Welt“ habe ihn „umgehauen mit ihrer Energie.“ In diesem Jahr werde man am Hackeschen Markt die zweite Berliner Filiale eröffnen. Hat sein Unternehmen also die Antwort auf die Frage gefunden, wie man junge Akademiker auf der ganzen Welt mit dem Büroalltag versöhnt?

Ledersofas, Sitzsäcke und Spezialitäten-Biere zum Entspannen nach dem Job. Quelle: PR
We-Work-Filiale in Berlin

Ledersofas, Sitzsäcke und Spezialitäten-Biere zum Entspannen nach dem Job.

(Foto: PR)

Wenn, dann ist es Versöhnung durch Verwöhnung: Tagsüber gibt es Yogakurse, abends Bierproben, zwischendurch arbeitet man Laptop an Laptop mit anderen „Creators“ oder „socialized“ auf dem Sitzsack, knüpft Kontakte oder entspannt mit Gleichgesinnten. Gründer Ludwig schätzt vor allem, dass We-Work ihm lästige Aufgaben abnimmt: „Ich muss mich nicht um die Putzfrau kümmern oder dass Toner im Drucker ist. Ich kann mich auf mein Geschäft konzentrieren.“

Das New Yorker Start-up kennt die Bedürfnisse von Gründern: Seine Firma sei zwischendurch auf 23 Mitarbeiter angewachsen, erzählt Ludwig, dann wieder auf fünf geschrumpft. Bevor er bei We Work einzog, bezahlte er mal für ein nur halb genutztes Büro, mal ließ sich ein Vermieter noch drei Monate bezahlen, obwohl in Incents alte Arbeitsstätte längst eine neue Firma gezogen war. Bei We-Work kann er jederzeit zum Ende des nächsten Monats kündigen.

We Works Erfolg nötigt selbst Konkurrenten Respekt ab. Udo Schloemer, Chef des Berliner Co-Working-Vermieters Factory, warnt davor, die Firma als schnöden Büro-Vermieter abzutun: „Sie haben vorweggenommen, wie Menschen künftig arbeiten wollen.“ Auch Daimler oder VW müssten ihre Innovationsabteilungen künftig in Co-Working-Spaces unterbringen, um nah am Nachwuchs und dessen frischen Ideen zu sein. „Will ein junger Designer in einem kahlen Büro in Stuttgart sitzen?“, fragt Schloemer und liefert seine Antwort gleich mit: „Sicher nicht.“

Die Annehmlichkeiten und die Flexibilität lässt sich das Start-up aber ordentlich bezahlen: Ein eigenes Büro gibt es ab 450 Euro im Monat, einen eigenen Schreibtisch ab 325 Euro, ein „Hot Desk“ für Schreibtisch-Hopper kostet mindestens 220 Euro Monatsmiete. Ein stolzer Preis für Kleinunternehmer, die in der Frühphase jeden Euro umdrehen müssen – umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich die We Worker mangels Kantine in den umliegenden Restaurants versorgen müssen.

Kunden bei We Work sind nicht nur Freiberufler und Startups. Großunternehmen wie General Electric oder Microsoft haben Abteilungen in We-Work-Räume ausgegliedert und individuelle, länger laufende Mietverträge ausgehandelt. Weltweit mache man pro Mitglied 8 500 Dollar (rund 7 540 Euro) Umsatz im Jahr, sagt Finanzchef Gross.

Er nennt das Geschäftsmodell „eines der am wenigsten verstandenen der Welt“. Die Vermietung von Büros sei in den USA ein größeres Geschäft als die Vermietung von Gästezimmern oder Chauffeurservice – sprich: We Work hat in Gross‘ Augen größeres Potenzial als Airbnb und Uber. Langfristig seien Filialen in jeder Stadt denkbar, Anfragen gebe es etwa aus Frankfurt, Düsseldorf und München. Die Branche habe bislang keine weltweit vertrauten Marken, bei denen kreative Nomaden und globale Firmen heute in Berlin und morgen in Seoul ein Büro eröffnen könnten.

Das ist alles richtig, aber: Brauchen Büroarbeiter aus Frankfurt eine weltweite Community von Kreativen? Freut sich der Abteilungsleiter einer Münchener Versicherung, wenn seine Sachbearbeiter ihre Akten im Hängekorbsessel bei einem Glas handwerklich gebrauten Biers abarbeiten? Ob We Works Anziehungskraft tatsächlich über die kreativen Metropolen dieser Welt hinausreicht, ist unklar. Und so verlockend das „Heute hier, morgen da arbeiten“-Angebot klingt, bleibt die Frage: Wie viele brauchen es tatsächlich? „Vielleicht fünf Prozent der Nutzer“, schätzt Schloemer, der für seine Firma Factory ein Netzwerk von Co-Working-Spaces managt.

We Work muss in jeder neuen Stadt massiv in Vorleistung treten, muss vor Ort Manager einstellen und Mietverträge oft mit Laufzeiten von zehn bis 15 Jahren abschließen. Falls Internet- und Kreativfirmen einmal in eine ähnliche Krise rutschen wie um die Jahrtausendwende, dürften sich viele Mieter überlegen, ob sie sich den Luxus noch leisten können. Die Firma und ihre Investoren gehen eine Milliardenwette ein, dass das gemeinschaftliche Arbeiten, das Verwischen von Privatleben und Job weltweit nahezu alle Branchen erfasst. Dass es keine Mode bleibt, die vorbei ist, wenn die Berufsanfänger den Gruppenraum-Charme doch lieber gegen das ruhige Einzelbüro tauschen wollen.

Auf seine Hauptzielgruppe, die Millennials, kann We Work im Notfall jedenfalls kaum vertrauen. Die Endzwanziger von heute sind Zweckverbindungen von begrenzter Dauer aus Wohngemeinschaften, Praktika und Auslandssemestern nur allzu gewohnt. „Wenn es uns nicht mehr passt, ziehen wir eben wieder um“, bringt es Gründer Jonathan Ludwig auf den Punkt. „Wir sind ja nicht verheiratet.“

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