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Ausstieg aus dem Job Endlich frei!

Handelsblatt-Volontärin Vera Münch war lange Managerin in der Autoindustrie. Dann beschloss sie, auszusteigen und mit einem VW Bus durch Europa zu fahren. Das aber ist einfacher gesagt als getan. Ein Erfahrungsbericht.
03.07.2016 - 10:04 Uhr Kommentieren
In vier Monaten war der Hausstand aufgelöst. Quelle: Frank Beer für Handelsblatt
Vera Münch vor ihrem VW-Bus

In vier Monaten war der Hausstand aufgelöst.

(Foto: Frank Beer für Handelsblatt)

Mein Handy klingelt. Schon wieder die Presse: „Wir haben gehört, es gibt Gerüchte, dass der Eigentümer die Firma verkaufen will, was sagen Sie dazu?“ Ich antworte den Journalisten, hetze schnell ins nächste Meeting, um die Kommunikation der neuen Markenstrategie zu besprechen. Zwischendurch rufen immer wieder Journalisten an, denn die Spekulation verbreitet sich schnell. Weiter geht es in eine Leistungsbeurteilung mit einem Mitarbeiter. Dann die Verabschiedung der Kommunikationsstrategie für eine Produktverlagerung. Budgetdiskussion fürs nächste Jahr. Teambesprechung, um die neu gewonnenen Erkenntnisse mitzuteilen. Das muss alles fertig werden, bevor ich morgen in den Flieger nach China steige. Abends um 22 Uhr verlasse ich die Firma.

Ich bin furchtbar müde, permanent überarbeitet. Koffein am Morgen, um aufzuwachen, und Alkohol am Abend, um einzuschlafen, sind normal für mich. Als Kommunikationschefin bei einem Zulieferer mit 14 000 Mitarbeitern sind für mich 14-Stunden-Tage die Regel. Die freien Samstage nutze ich, um Mails abzuarbeiten und Präsentationen vorzubereiten. Mein Job hat mich voll im Griff. Den Stress kompensiere ich: belohne mich mit neuen Klamotten, einem neuen Fernseher, modernsten Küchengeräten …

Mein Mann und ich verdienen so viel Geld, dass wir uns ein schickes Haus in einem gehobenen Wohnviertel leisten können. Dazu jährlich mindestens eine tolle Fernreise und ein paar Städtekurztrips. Wir haben einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, sind so auch permanent privat an den Wochenenden verplant. Zur Ruhe komme ich eigentlich nie. Viele sind neidisch auf das, was ich erreicht habe. Und doch: Jedes Mal ist, nach kurzer Freude und Befriedigung, die innere Leere wieder da und mit ihr die bohrenden Fragen: Was mache ich hier eigentlich? Kann das alles sein? Ist das wirklich das, was ich machen will die nächsten 30 Jahre?

14-Stunden-Tage waren die Regel. Quelle: Vera Münch
Münch in ihrer früheren Rolle als Managerin bei einem Zulieferer

14-Stunden-Tage waren die Regel.

(Foto: Vera Münch)

Das war meine Komfortzone. In der fühlte ich mich zwar nicht wirklich wohl, aber zumindest sicher. Und so wäre es geblieben, hätte mein Körper mir nicht ganz klar signalisiert: Es reicht. Ich zwinge dich jetzt zur Pause. Das ist doch nicht das Leben, das du leben willst. Er verpasst mir einen Bandscheibenvorfall, der mich vier Wochen lang ans Bett fesselt. Da war ich gerade mal 33 Jahre alt.

Heute – fünf Jahre später – absolviere ich ein Volontariat beim Handelsblatt. Nach der Ansage meines Rückens löste sich bei mir ein Umdenkprozess aus, der nicht mehr zu unterdrücken war. Ich konzentrierte mich zunächst auf die Heilung, beschäftigte mich mit Alternativen zur klassischen Medizin. Und fand heraus: Die Ängste, die mich permanent begleiteten, drückten sich über meine Rückenschmerzen aus. Je mehr ich sie auflöste, desto gesünder wurde ich und desto einfacher fiel es mir, „Nein“ zu sagen. Es dauerte noch eine Weile, bis ich den Mut gefunden hatte, einfach zu kündigen, ohne etwas Neues zu haben. Nur so schaffte ich Platz für neue Ideen. Doch das war nicht alles. Ich trennte mich: vom Haus, vom Auto, vom Mann, vom Wohnort.

Zurück in die Ausbildung

Völlig unerwartet ergab sich das Angebot zur Ausbildung beim Handelsblatt bei einem Gespräch auf einer Veranstaltung für Kommunikationsleiter. „Ja, das will ich machen.“ Mein Herz und Bauchgefühl hatten sich schon entschieden. Mein Kopf brauchte noch eine Weile, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Für den Schritt, mein Status- und Karrieredenken abzuschütteln und vom Managerposten noch mal in eine Ausbildung zu gehen, bin ich mir selbst zutiefst dankbar.

Ich vermisse aus meinem alten Leben nichts. Die Freundschaft zu meinem Mann und zu den Menschen, die mir immer wichtig waren, blieb erhalten. Heute erfülle ich nicht mehr die Erwartungen anderer, sondern mache das, was mir Spaß macht: Ich schreibe. Die Kreativität und Freiheit, die einem der Job als Journalist bietet, gibt es sonst kaum woanders.

Und doch merkte ich: Ich bin einfach nicht der Typ Mitarbeiter mit Arbeitsvertrag. Mit Strukturen, Hierarchien und Prozessvorgaben hatte ich schon immer meine Schwierigkeiten. Auf Abruf kreativ zu sein, bei einem Thema, das mir nicht liegt, fällt mir schwer.

Außerdem vermisste ich die Arbeit mit Menschen. Das war das, was mir als Managerin immer Spaß gemacht hatte. Meine Mitarbeiter dabei zu unterstützen, sich selbst und ihre Fähigkeiten zu entdecken und ihr Potenzial im Team zu entfalten. Dazu kam der starke Wunsch nach totaler Freiheit.

Ich liebe es, unterwegs zu sein, neue Eindrücke zu gewinnen und andere Kulturen kennen zu lernen. So begann ich, weltweit nebenher als Online-Life-Coach zu arbeiten, um anderen Menschen dabei zu helfen, ihre Ängste zu überwinden, um ihren Lebenstraum zu erfüllen. Ich bot meine Sessions über Skype an.

Ich fing an, Texte darüber im eigenen Blog zu veröffentlichen und über die sozialen Medien zu verteilen. Und war überwältigt davon, wie schnell mein Geschäft wuchs. So schnell, dass ich das nicht mehr mit einem Vollzeit-Job kombinieren konnte. Ich musste mich entscheiden. Und so kam sie auf einmal: die Idee zum Selbstversuch. Einfach aussteigen, dem Alltag entfliehen und etwas ganz Verrücktes machen: Digitalnomadin werden, in einem VW-Bus durch Europa reisen und von unterwegs aus arbeiten. Sollte einfach sein, dachte ich. Doch so schnell und einfach die Idee geboren war, so zäh und schleppend lief es dann bei der Umsetzung.

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