Weihnachtszeit ist Kaufrausch-Zeit. Selten sind die Innenstädte so voll, wie an den Adventswochenenden. Doch nicht alle machen mit. Immer mehr Leute entdecken, wie es sich lebt mit wenig Konsum.
Quelle: dpa
Sebastian Michel ist 25 Jahre alt, kommt aus Berlin und ist Minimalist. So nennt er einen Lebensstil, der gerade immer mehr junge, vor allem internetaffine Menschen anzieht.
Er habe alles aus seinem WG-Zimmer rausgeräumt und eine Woche lang nur das zurückgeholt, was er wirklich gebraucht habe, erzählt er. Mit jedem Gegenstand weniger gewann er ein Stück Überblick über sein Leben zurück. Rund 70 Prozent seiner Kleidung gab er weg. Der Laptop blieb.
„Ich achte mehr auf Qualität, weniger auf den Preis“, sagt der Web-Entwickler. Trotzdem brauche er weniger Geld als früher. „Und ich bin deutlich häufiger glücklich.“ Weil er Dinge gegen Erlebnisse tausche.
Minimalisten suchen ihr Glück im Weniger: weniger besitzen, weniger kaufen. Ein überschaubareres Leben, aber auch ein Protest gegen die Konsumgesellschaft, Ausbeutung und das Geiz-ist-geil-Syndrom.
Zu den Vorreitern gehört der US-Amerikaner Michael Kelly Sutton. In seinem Blog „The Cult of Less“ listet der 27-Jährige alles auf, was er besitzt. 126 Dinge stehen da gerade, vom Flaschenöffner über das Polo-Shirt bis zum Laptop. Zwölf davon stehen auf „verkaufen“.
Der Software-Programmierer versucht, mit so wenigen Dingen wie möglich auszukommen. „Ich habe festgestellt, dass mehr Krempel auch mehr Stress bedeutet“, schreibt er.
Der Wachstumskritiker Niko Paech von der Universität Oldenburg nennt das den „Konsum-Burn-Out“. Das Leben sei vollgestopft mit Produkten, Dienstleistungen und Kommunikationstechnologien, beschreibt er.
Einen Trend zu bewussterem Kaufverhalten beobachtet der Konsumforscher Wolfgang Adlwarth schon seit einer Weile. „Es werden geringere Mengen eingekauft“, sagt Adlwarth. Vor allem bei Lebensmitteln: „Die Leute kaufen weniger auf Vorrat, um später weniger wegwerfen zu müssen.“
Nach Ansicht des Berliner Wirtschaftswissenschaftlers Holger Rogall kann ein minimalistischer Lebensstil wirtschaftlich sogar sinnvoll sein. Je weniger Geld Menschen für „Schnickschnack“ wie das jährlich neue Handy ausgäben, desto mehr könne umgeleitet werden beispielsweise in die Energiewende.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.