Datenschutz am Arbeitsplatz: Vorsicht, der Chef surft mit
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Datenschutz am ArbeitsplatzVorsicht, der Chef surft mit
Wer sich im Internet bewegt, hinterlässt Spuren. Dass die auch der Vorgesetzte lesen kann, macht sich nicht jeder Arbeitnehmer klar. Die neue Datensammelwut sorgt für zunehmenden Kontrolldruck in Unternehmen.
01.04.2016 - 07:57 Uhr
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Fernkontrolle
Auch die Arbeit im Homeoffice ist für den Chef per Datenanalyse heute bequem zu überwachen.
München Sie arbeiten im Homeoffice oder von unterwegs per Smartphone und Tablet – viele Chefs bekommen ihre Mitarbeiter immer seltener zu Gesicht. Und trotzdem können sie sich dank digitaler Datenströme ein genaues Bild darüber machen, wo, wann und wie lange die Beschäftigten aktiv sind. Mit wem sie kommunizieren und was sie nebenbei twittern, posten oder bloggen. So schafft die digitale Arbeitswelt auch neue Möglichkeiten der Leistungskontrolle und Überwachung – zur Sorge von Gewerkschaftern und Datenschützern.
Probleme bereitet vor allem die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Privatleben über Aktivitäten in sozialen Netzwerken, wie Experte Karl-Heinz Brandl von der Bundesverwaltung der Gewerkschaft Verdi sagt. Unternehmen können in kürzester Zeit Internet-Profile von Mitarbeitern oder Bewerbern durchstöbern. Deshalb ist Vorsicht bei der Selbstdarstellung im Netz geboten, mahnt Brandl. Selbst ein vermeintlich harmloses Foto, eine Meinungsäußerung oder auch nur ein unbedachter Gefällt-mir-Klick kann viel aussagen über Interessen und Verhalten eines Mitarbeiters.
Aber auch im Job selbst hinterlassen die Beschäftigten zunehmend digitale Spuren, und das nicht nur, wenn sie am Computer arbeiten oder an der Kasse eines Geschäfts, die per Kamera überwacht wird. Wie einige große Logistik-Unternehmen setzt auch so mancher Handwerksbetrieb inzwischen auf die GPS-Ortung seiner Fahrzeuge und weiß so Bescheid über Standort, Fahr- und Standzeiten und Kraftstoffverbrauch.
Stärken Sie sich auch mal selber den Rücken
Diese Form der Überwachung führt immer wieder auch zu Reibungspunkten zwischen Unternehmern und Beschäftigten, wie der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig, berichtet. 999 Beschwerden zählte seine Behörde im vergangenen Jahr, das waren 46 mehr als im Vorjahr. Bei 63 der Beschwerden ging es um Datenschutz-Probleme am Arbeitsplatz.
So geht Kritik im Netz
Ob Hotels, Restaurants oder Arbeitgeber – Erfahrungsberichte kann man im Internet zu unzähligen Themen abgeben. Aber Bewertungsportale sind kein rechtsfreier Raum. Das müssen Sie beachten, wenn Sie online Bewertungen abgeben.
Halten Sie sich immer an die Fakten und bewerten Sie ehrlich und objektiv. Beschönigen Sie nichts, aber machen Sie die Dinge nicht schlechter als sie sind.
Verwenden Sie keine Kraftausdrücke. Diskriminierende, beleidigende, rufschädigende, rassistische und vulgäre Aussagen sind verboten.
Verraten Sie keine Geschäftsgeheimnisse im Netz. Wer Bewertungen für Unternehmen abgibt, ist selbst dafür verantwortlich, dass er nicht gegen seinen Arbeitsvertrag und Schweigepflichten verstößt.
Nennen Sie keine Namen, denn die Bewertung von Personen ist auf den meisten Plattformen nicht erlaubt. Achten Sie auch darauf, dass Ihr Kommentar keine Rückschlüsse auf Personen zulässt.
Lassen Sie sich nicht von anderen Meinungen beeinflussen und nehmen Sie sich Zeit für Ihre Antworten.
Wer gefälschte Bewertungen einstellt, macht sich strafbar. Denn manipulierte Bewertungen gelten laut § 5 UWG alsirreführende Werbung.
Bedenken haben Experten auch bei sogenannten Fitness-Armbändern und Apps. Wenn sie in Firmen für Sport-Programme eingesetzt und Beschäftigte dazu aufgerufen werden, Fitness- und Gesundheitsdaten zu sammeln und zu vergleichen, kann schnell sozialer Druck entstehen, sagt der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte, Thomas Petri. Probleme wie in anderen Ländern, wo Arbeitnehmer, die eine Preisgabe solch hochsensibler Daten verweigern, entlassen werden können, gebe es in Deutschland zwar noch nicht. Trotzdem: „Wer nicht mitmacht, grenzt sich unter Umständen aus“, sagt Petri.
Rechtliche Regelungen für all diese Themen fehlen weitgehend - ein Gesetzesvorhaben zum Arbeitnehmerdatenschutz liegt schon länger auf Eis. Der Ruf danach war vor Jahren nach mehreren Bespitzelungs- und Datenskandalen in großen Unternehmen lauter geworden. Aus solchen Fällen hat man in der Wirtschaft zwar gelernt, glaubt Verdi-Experte Brandl, trotzdem gebe es durchaus noch Probleme.
Wenn Leistungs- und Verhaltenskontrollen in Unternehmen technologisch möglich sind, greift grundsätzlich die Mitbestimmung. Deshalb haben sich Betriebsräte besonders in vielen größeren Firmen in Betriebsvereinbarungen auf Spielregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten geeinigt. „Wo es keine Betriebsräte gibt, herrscht teilweise Wildwuchs“, sagt Brandl.
Wie miese Chefs ihre Mitarbeiter vergraulen
Keine Verantwortung übernehmen oder abgeben
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Eine Studie zeigt: Bei deutschen Chefs lassen viele Führungsqualitäten zu wünschen übrig. Was Verantwortung betrifft, gibt es zwei negative Extreme: Während manche Schwierigkeiten damit haben, Probleme offen anzusprechen und einen ehrlichen Dialog mit den Mitarbeitern zu führen, geben andere sehr ungern Verantwortung ab. Beide Verhaltensweisen können Mitarbeiter abschrecken.
(Foto: fotolia)
Moderne Mitarbeiter
2 von 10
Alle Herausforderungen allein in Angriff zu nehmen, nützt Chefs und dem Rest des Unternehmens ebenso wenig, wie sich von jeglicher Verantwortung frei zu machen. Nur wer Verantwortung für unternehmensinterne Maßnahmen übernimmt und seine Entscheidungen sinnvoll begründen kann, wird Verständnis seiner Mitarbeiter für sein Handeln bekommen.
Weil moderne Mitarbeiter mehr Freiraum fordern und mitbestimmen wollen, muss auch mehr Verantwortung für den Unternehmenserfolg von Seiten der Mitarbeiter möglich sein. Trotz allem gilt: Die Hauptverantwortung trägt der Chef.
Methode: Im Rahmen der Studie wurden von März bis Juli 2015 bundesweit insgesamt 1952 Personen über alle Branchen hinweg befragt. 1095 Angestellte ohne Führungsverantwortung, 640 Führungskräfte und 217 Human Resources-Mitarbeiter.
Kompetenz und ein großes Fachwissen reichen als Führungskraft noch lange nicht aus. Fast nichts ist für Mitarbeiter schlimmer als ein Chef, der seine Begeisterung für Projekte, Erfolge und Ziele nicht weitergeben kann. Wer regelmäßig cholerisch wird und seine Mitarbeiter mit Beschimpfungen zurechtweist, läuft Gefahr, sich von einigen Angestellten verabschieden zu müssen.
Ein guter Chef setzt nicht auf Zuckerbrot und Peitsche als kontrollierte Führungsstrategie sondern mobilisiert seine Mitarbeiter für ein gemeinsames Ziel. Immerhin drei Viertel der Führungskräfte ist nach eigenen Angaben von diesem Ratschlag überzeugt. Sie behaupten mit Begeisterung über das zu sprechen, was sie erreicht haben und in Zukunft erreichen wollen. Diese Begeisterung nehmen jedoch nur 36 Prozent der Mitarbeiter auch wahr.
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Kein offenes Ohr für Mitarbeiter
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Wie aus der Befragung von rund 2000 Teilnehmern hervorgeht, wünschen sich Mitarbeiter neben sozialer Kompetenz und der Fähigkeit zur Motivation vor allem kommunikative Kompetenzen zur Teamförderung. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen Welten: Nicht einmal die Hälfte (42 Prozent) der Mitarbeiter gibt an, dass Führungskräfte einen offenen und ehrlichen Dialog suchen. Das steht im Kontrast zur Aussage der Chefs, von denen ganze 93 Prozent überzeugt sind, stets ein offenes Ohr für die Belange der Angestellten zu haben.
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Sich zurückziehen, kein Feedback geben
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Chefs, die sich aus dem Team zurückziehen und kaum noch blicken lassen, sind nicht gerne gesehen. Der Rückzug der Führungskraft fördert auch den Rückzug der Angestellten, die von nun an die Schonhaltung einnehmen. Unbeteiligte Chefs sind ein schlechtes Vorbild. Sie wirken demotivierend und machen so unproduktiv.
Gerade mal ein Viertel der Mitarbeiter gibt an, regelmäßig Feedback von ihrer Führungskraft zu erhalten (25 Prozent). Noch bedenklicher: Fast die Hälfte (46 Prozent) gibt an, keinerlei Feedback zu erhalten. In Abteilungen, die sich im Vergleich zu anderen als weniger erfolgreich einstufen, sind es sogar 70 Prozent der befragten Mitarbeiter. Auch hier klafft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung eine Lücke: 74 Prozent der Führungskräfte sind davon überzeugt, regelmäßig Rückmeldung zur Leistung zu geben.
So geht es besser: Gehen Sie auf Ihre Mitarbeiter ein, zeigen Sie Anerkennung, Lob und Wertschätzung. Ein ausführliches Feedbackgespräch zeigt der Führungskraft die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbild, ermöglicht eine Standortbestimmung und bietet eine gute Basis für die Weiterentwicklung der Führungsleistung.
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Unwirksame Zusammenarbeit
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Ein schlechtes Arbeitsklima ist Kündigungsgrund Nummer eins. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Hay Group in Zusammenarbeit mit StepStone. Wer unfruchtbar zusammenarbeitet, riskiert mittel- bis langfristig eine schlechte Unternehmensperformance. 90 Prozent der Führungskräfte geben zwar an, wirkungsvoll mit ihren Mitarbeitern zusammenzuarbeiten. Auf der Mitarbeiterseite sehen das jedoch nur 43 Prozent so. Noch schlechtere Erfahrungen haben Angestellte aus weniger erfolgreichen Abteilungen gemacht. Hier geben nur 18 Prozent der Befragten an, effektiv mit ihren Chefs zusammenzuarbeiten. Da Menschen soziale Wesen sind, ist ein "Wir-Gefühl" besonders wohltuend. Wo Zusammenarbeit wichtig ist, bildet sie den Wesensgrund wirksamer Führung und legt die Basis für den Unternehmenserfolg.
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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?
7 von 10
Führungsexperten sind sich einig: Zu strenge Kontrollmechanismen tragen wesentlich zu einer angespannten Arbeitsatmosphäre bei. Chefs, die moralischen Druck ausüben oder das Vertrauen ihrer Angestellten offensiv einklagen, sollten ihre Führungsstrategie schnellstens überdenken. Denn zu hohe Kontrollmaßnahmen wirken einschüchternd und mindern offene Kommunikation und die Mitarbeitermotivation.
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Auch nach Einschätzung der Internet- und Datenschutzrechtlerin Patricia Lotz von der Münchner rbi Rechtsanwaltsgesellschaft sind nicht alle Unternehmen ausreichend für Datenschutz-Themen gerüstet. „Hierzu gehört der richtige Umgang mit Bewerbungsunterlagen genauso wie klare Richtlinien für die Arbeitnehmer, ob Dienstcomputer, Diensthandys oder auch das betriebliche WLAN für private Zwecke genutzt werden dürfen oder eben nicht“, sagt Lotz. Beratungsbedarf gebe es vor allem im Mittelstand.
Auch gesetzliche Regelungen könnten nach Einschätzung der Experten helfen, die Unternehmen weiter zu sensibilisieren. Die neue Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union räumt den Mitgliedsstaaten dafür eigene Gestaltungsspielräume ein. Am 21. April soll der EU-Ministerrat darüber abstimmen, danach muss das EU-Parlament die Verordnung noch absegnen. In Deutschland könnte das Thema dann in der nächsten Legislaturperiode wieder auf den Tisch kommen - das erwarten zumindest einige Experten.