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Ein Plädoyer für das Sie Duz-Diktatur

In vielen kreativen Branchen gehören flache Hierarchien zum guten Ton wie das „Du“ unabhängig von Rang und Namen. Warum das eine fatale Entwicklung ist und keinem Unternehmen weiter hilft. Ein Gastkommentar.
  • Torsten Schumacher
05.04.2016 - 14:06 Uhr
Kommt mit dem Duz-Zwang demnächst auch der Humor-Zwang? Quelle: dpa
Anstoßen mit den Kollegen

Kommt mit dem Duz-Zwang demnächst auch der Humor-Zwang?

(Foto: dpa)

Bei Lidl und Kaufland duzt nun also jeder jeden. Das urdeutsche „Sie“ störe eh nur bei der Entwicklung des immer internationaleren Geschäfts. Die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, ist mit 80 Milliarden Euro Umsatz einer der größten Handelskonzerne Europas. Das Sie-Land Deutschland ist zwar dessen Heimat, aber die Bedeutung dieser Wurzeln nehme weiter ab. Also wurde jüngst allen Mitarbeitern per Dekret verordnet, wie sie zukünftig sprachlich miteinander umzugehen haben. Lidl-Chef Sven Seidel: „Kollegen mit dem Vornamen anzusprechen ist Ausdruck von Wertschätzung.“

Torsten Schumacher ist Berater und schreibt regelmäßig für das Handelsblatt. Sie erreichen ihn unter gastautor@handelsblatt.com.

Torsten Schumacher ist Berater und schreibt regelmäßig für das Handelsblatt. Sie erreichen ihn unter [email protected]

Was hier sozialromantisch daherkommt, entpuppt sich bei klarem Verstand nicht nur als weiterer Beitrag zur Infantilisierung des Managements, sondern auch als totalitärer Angriff auf das Individuum und seine Entscheidungsfähigkeit und -bereitschaft. Wer so vorgeht, behandelt seine Leute wie unmündige Idioten, die nicht in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welchen Kollegen sie duzen und wen eben nicht. So wird das Unternehmen zum Umerziehungsheim in freundlichem Antlitz. Der nächste Schritt könnte darin bestehen, dass alle Mitarbeiter eine Narrenkappe zu tragen haben, schließlich ist ja erwiesen, dass eine Portion Humor schwierige Probleme lösen hilft und überhaupt gut für Teambildung und -entwicklung ist.

Spaß beiseite: Die allerorten zu spürende Hilflosigkeit beim Schaffen vitaler Unternehmenskulturen könnte deutlicher kaum zum Ausdruck kommen. Natürlich bewirkt das von oben verordnete „Du“ kein Jota mehr an Vitalität und Leistungskraft der Organisation, sondern sorgt vor allem für Unsicherheit bei vielen Beteiligten, Kopfschütteln auf den Firmenfluren und reichlich Gesprächsstoff in den Kantinen. Immerhin.

Ab jetzt „Dieter“

Und Wertschätzung, angebliche Folge der Duz-Verordnung? Welchen kulturprägenden Beitrag kann diese inflationär bemühte Worthülse aus dem Wohlfühl-Repertoire des typischen Gesinnungskitsches haben jenseits des üblichen „Seid nett zueinander“? In einer Zeit, in der solides Abarbeiten vorgegebener Aufgaben nicht mehr ausreicht, um dauerhaft im Markt zu bleiben, in der wir das Unerwartete, Überraschende, aus der Reihe Tanzende händeringend suchen, sollten wir Wertschätzung insbesondere verstehen als Auseinandersetzung um den richtigen Weg, das konstruktive Reiben um der Sache willen, das bewusst unterschiedliche Perspektiven einbezieht und ernst nimmt.

Hieraus leiten sich unmittelbar das Recht und die Pflicht ab, eben nicht unreflektiert in der zentral verordneten Richtung mitzuschwimmen, sondern: anders zu sein. Übersetzt auf das Duz-Dekret: Ich treffe meine eigene Entscheidung, wen ich duze und wen nicht, und pflege weiterhin diese bewusste Unterscheidung.

So wie der Fahrer des Vorstands, nennen wir ihn Meier, eines Konzerns, der schon vor der Schwarz-Gruppe gleichsam als Pionier das firmenweite Duz-Diktat hinausposaunt hatte. Von der scheinbaren neuen Modernität ganz enthusiasmiert, schwingt sich Vorstand Meier in seinen Firmenwagen und klärt seinen verwirrten Fahrer darüber auf, dass er ab jetzt „Dieter“ sei. Der selbstbestimmte Fahrer: „Tut mir leid, für mich sind Sie nach wie vor Herr Meier.“

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