Ende des „Teflon-Managers“ Wenn der Boss auch Schwächen zugeben darf

Der Druck ist so enorm, dass Ängste und Fehler kaum eingestanden werden.
Düsseldorf Einen längst überfälligen Tabubruch erlebten diese Woche deutsche Fernsehzuschauer. Unauffällig kam er daher, in Form der TV-Dokumentation "Einsame Spitze". Ein 45-minütiger Beitrag auf einem der hinteren Sendeplätze — montagabends um 22.45 Uhr. Nur die Unterzeile "Topmanager am Limit" des Beitrags von Tina Soliman gab einen dezenten Hinweis auf seine Brisanz. Doch was machte nun genau diesen Fernsehabend zum historischen Ereignis?
In der Fernsehdokumentation sprachen erstmals gleich vier prominente Ex-Topmanager der deutschen Wirtschaft vor laufender Kamera über ihre Zweifel, Versagensängste, den Umgang mit falschen Entscheidungen, ja sogar den Zwang zur Selbstverleugnung während ihrer aktiven Zeit in der Chefetage - ein absolutes Novum.
Zu den ehemaligen Wirtschaftsgrößen, die sich äußerten, zählt Herbert Henzler. Als Ex-Europachef der US-Unternehmensberatung McKinsey beriet er über drei Jahrzehnte die Vorstände von Daimler, Siemens oder der Deutschen Bank in Strategiefragen. Henzler galt sozusagen als Prototyp des Teflon-Managers, an dem jegliche Kritik abprallt - selbst die öffentliche Beschimpfung als Jobkiller durch Demonstranten oder Morddrohungen.
Doch rückblickend, sagt der Grandseigneur der Gilde, dass seine zur Schau gestellte Emotionslosigkeit nur antrainiert war, um möglichst wenig persönliche Angriffsfläche zu bieten: "Eigene Schwächen zuzugeben ist sehr, sehr schwer." Lieber benutzte der ehemalige Topmanager Ausreden: "Für alles, was schiefgeht, müssen Sie die schwache Konjunktur oder das Wetter oder den bösen Wettbewerb verantwortlich machen." Und für schwelende Probleme galt beim studierten Betriebswirt: "Was nicht unter Kontrolle ist, versucht man mit Schraubenschlüsseln und Beißzange hinzukriegen und nicht nach außen zu tragen."
Auf die Frage von Reporterin Soliman, warum er und anderes Spitzenpersonal stets diese Haltung an den Tag legen, die nicht den leisesten Zweifel signalisiert, antwortet Henzler stellvertretend für die Chefriege: "Wer nicht weiß, wo es langgeht, wird ausgetauscht." Ein durchaus nachvollziehbarer Grund für eine Maske frei von Sorgenfalten.
Das ist diese Angst im Nacken, die einen Topmanager zu vielem treibt. Thomas Sattelberger war einst der mächtigste Personalchef der Republik, der für Daimler, später für Continental, Lufthansa und die Deutsche Telekom die Geschicke Zigtausender Mitarbeiter lenkte. Dafür, gibt er vor der Kamera zu, "hab ich auch so manchen beschissenen Kompromiss gemacht".
Etwa, als der Vorstand des Automobilzulieferers Continental ein Werk schließen will - und Personalmanager Sattelberger die Belegschaft darauf vorbereiten soll, dabei jedoch in heftige Arbeitskämpfe gerät. Sattelberger erzählt: "Ich war Gefangener dieses Vorstandsbeschlusses. Ich habe Wochen mit meiner Angst gerungen zu sagen: ‚So geht das nicht‘." Er fürchtete damals, sein Amt und seinen guten Ruf zu verlieren. "Die Sorge um die eigene Person blockiert auch gute und richtige Entscheidungen", räumt der Mittsechziger heute ein, der sich bis zu seinem Ausstieg 2012 auch nicht offen zu seiner Homosexualität bekannte.