Führungsposten „Kommen Sie nicht zurück, bevor Sie CEO sind“ – Warum Managerinnen im Ausland Karriere machen

Frauen gehen oft ins Ausland, um dort Karriere zu machen.
Düsseldorf Ein Blick auf die männerdominierten Führungsspitzen deutscher Unternehmen reichte Britta Bomhard, um sicher zu sein: „Den Traum vom Aufstieg ins Spitzenmanagement verwirklichen – das wird hier sehr schwierig.“ Das war Ende der 90er-Jahre.
Damals war Bomhard Marketingmanagerin beim Kosmetikunternehmen Wella in Darmstadt und wollte beruflich ganz nach oben. Dafür, so viel war ihr klar, musste sie ins Ausland. Dahin, wo Chefinnen keine Seltenheit sind.
Bomhards erste Auslandsstationen führte die Managerin nach Südengland, wo sie für Wella ein neues Marketingkonzept für Haarkosmetik entwickelte. Zwei Länder und zwei Arbeitgeber später ist die 52-jährige Deutsche heute Marketing-Vorständin bei Church & Dwight, einem börsennotierten US-Haushaltswaren-Hersteller mit rund 4700 Mitarbeitern und 4,9 Milliarden Dollar Umsatz.
Bomhards Verdienst liegt laut Geschäftsbericht bei 464.500 Dollar plus Aktienoptionen. In Deutschland, da ist sich die Managerin sicher, wäre sie bis heute noch nicht in solchen Sphären angelangt.
Sich ausgebremst fühlen, aber auch eingeengt in ihrer Leistungsfähigkeit und Lebensplanung – darauf haben immer weniger qualifizierte und engagierte Frauen wie Britta Bomhard in Deutschland Lust. Und wählen deshalb den Karriereweg übers Ausland.
„Die meisten Frauen ergreifen die Gelegenheit bewusst, um die gläserne Decke zu umgehen und schneller auf einflussreiche Jobs vorzurücken“, sagt Headhunterin Karin von Bismarck. Die Chefin der auf Frauen spezialisierten Personalvermittlung Hunting Her bringt weibliche Führungskräfte ab 120.000 Euro Jahreseinkommen und aufwärts ins Ausland.

Die Vorständin des US-Haushaltswarenherstellers Church & Dwight hat sich ihre Aufstiegschancen bewusst im Ausland gesucht.
Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie habe das Geschäft in den vergangenen fünf Jahren stetig zugenommen, berichtet von Bismarck. Meist würden die Kandidatinnen von einem deutschen Unternehmen zeitlich befristet ins Ausland entsendet, so wie im Fall Bomhard. Deutlich seltener suchten ausländische Chefs in Deutschland gezielt weibliche Verstärkung.
Insgesamt verließen 2019 rund 102.000 deutsche Frauen die Heimat, 71 Prozent davon Akademikerinnen, zeigen Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.
In Rekordzeit auf den Chefsessel
Dass bewusst gewählte Auslandseinsätze die Fahrkarte in die Chefetage sind, hat Elke Eckstein, CEO des Elektronikherstellers Enics, auch erst im Nachhinein verstanden. Ihre erste Station führte die gebürtige Coburgerin für Siemens nach Upstate New York. „Ein spannendes Abenteuer“, dachte die Managerin damals, die als Teamleiterin für drei Jahre in die USA geschickt wurde, um bei einem Kooperationsprojekt mit IBM zu helfen.
Nur elf Jahre später, 2001, wurde Eckstein CEO des Elektronik-Produzenten Altis Semiconductor in Frankreich. Nach deutschen Maßstäben ist das ein rasanter Aufstieg: So brauchen der Personalberatung Robert Half nach Manager in Deutschland, die heute zwischen 34 und 50 Jahre alt sind, im Schnitt mehr als 14 Jahre, um Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens zu werden. Und da ist der Geschlechterunterschied noch nicht berücksichtigt.
Einer Untersuchung des Weltwirtschaftsforums zufolge dürfte es noch knapp hundert Jahre dauern, bis global eine Gleichstellung zwischen den Geschlechtern erreicht ist. Immerhin: Deutschland holt bei der Gleichberechtigung in letzter Zeit auf.
So arbeiteten einer Auswertung des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY zufolge am Stichtag 1. Januar 2021 in den 160 Konzernen der Börsenindizes Dax, MDax und SDax 78 weibliche Vorstände – und damit so viele wie nie. Zur statistischen Wahrheit gehört aber auch: Den knapp 80 Managerinnen stehen noch immer gut 600 Männer gegenüber. In 60 Prozent der Vorstandsgremien sitzt nach wie vor keine einzige Frau.

Auslandseinsätze waren für die Geschäftsführerin des Elektronikunternehmens Enics die Fahrkarte in die Chefetage.
Der Frust darüber, dass die berufliche Entwicklung stockt, ist daher auch ein wichtiger Treiber, dass qualifizierte und talentierte Frauen Deutschland den Rücken kehren und ins Ausland gehen. „Weibliche Führungskräfte zeigen außerordentlich hohe Flexibilität und Veränderungsbereitschaft, um an die Spitze zu gelangen“, bestätigt Bettina Al-Sadik-Lowinski, die international Führungskräfte coacht.
Die Expertin hat 110 Topmanagerinnen aus China, Frankreich, Russland, Japan und Deutschland zu ihren Karrierewegen befragt und herausgefunden, dass Frauen grundsätzlich „dahin wechseln, wo sich eine neue Chance für das eigene Vorankommen bietet“.
Auch Eckstein hat sich immer wieder in ihrer Karriere gefragt: „Was will ich jetzt?“ Mal ging es der Managerin darum, ihr Know-how zu erweitern, dann wieder darum, schwierige Aufgaben zu meistern. Das führte sie von Amerika über Taiwan bis nach Frankreich und sogar zwischenzeitlich mal wieder zurück nach Deutschland.
Vorteil des strategischen Job-Hoppings: „Die Chance, auf eine einflussreiche Machtpositionen zu kommen, erhöht sich für Frauen um ein Vielfaches“, sagt Al-Sadik-Lowinski. Und hat sich die Managerin im Ausland etablieren können, wird das auch in Deutschland als bestandene Bewährungsprobe registriert.
„Eine Frau, die im Ausland erfolgreich die Gesamtverantwortung als Geschäftsführerin trägt, steigert ihren Bekanntheitsgrad enorm“, sagt Bomhard aus eigener Erfahrung.
Plötzlich sei man sichtbar – bei der Konzernmutter, aber auch für die Konkurrenz im In- und Ausland. Auch Headhunter hätten die internationale Managementbühne branchenübergreifend im Blick auf ihrer Suche nach Talenten.
Ein bisschen erinnert es an einen Stein, der erst einmal ins Rollen kommen muss, was Bomhard über die ersten Erfolge im Ausland erzählt: „Danach wird es karrieretechnisch viel einfacher für Frauen, weil es vergleichsweise wenige von uns auf solchen Positionen gibt und sich fast jeder meldet, der sich mit dem Thema Vielfalt im Management befasst.“
Doch auch wenn sich die Karriere gut entwickelt, ist verfrühte Euphorie wenig ratsam: „Kommen Sie nicht zurück, bevor Sie CEO sind, wenn Sie ernst genommen werden wollen“, warnt Headhunterin Angela Hornberg, Partner bei Ward Howell International.
Wer sich für einen dauerhaften Wechsel ins Ausland interessiert, sollte dabei gut überlegen, ob das Angebot attraktiv genug ist, als dass man die Ansprüche aus der deutschen Sozial-, Renten- und Krankenversicherung aufgeben möchte. „Dann sollten Vergütungspakete verhandelt werden, die das und mehr auffangen“, empfiehlt Personalberaterin von Bismarck.
Teilzeit im Londoner Investmentbanking
Faire Vergütung, bessere Aufstiegschancen, leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Frauen, die zunächst nur für ihr Studium oder ein Auslandspraktikum umziehen, merken bald den Unterschied – und bleiben. So wie Elisabeth Stheeman.
Schon bei ihrem allerersten Bewerbungsgespräch für eine Banklehre sagte der Personaler der Hamburgerin: „Sie werden Kinder kriegen und kommen dann nicht zurück.“
Mit diesem Vorurteil im Hinterkopf ging Stheeman nach England zum Wirtschafts- und Finanzstudium. Ihre erste Stelle trat sie bei Morgan Stanley in London an.
Tatsächlich kamen Kinder – vier Jungs in sechs Jahren. Nur auf die Karriere verzichten – das war für Stheeman nie eine Option. „Ich werde weiterarbeiten“, erklärte sie ihren Vorgesetzten bei jeder Schwangerschaft. Trotz anfänglicher Skepsis gewährten ihr die Chefs ihre Chance. Stheeman reduzierte ihre Arbeitszeit auf drei Tage die Woche – ein Novum in den heiligen Hallen der Hochfinanz.
„Ich war die erste Führungskraft im Investmentbanking, die in flexibler Arbeitszeit mit einem Laptop gearbeitet hat“, sagt Stheeman. Und das sah so aus: „Vor der Arbeit habe ich ab 5.30 Uhr meine Kinder versorgt, bis unsere Nanny übernahm.“ Wenn die Söhne schliefen, ging es wieder an den Schreibtisch. Zehn Jahre zog die Hamburgerin das durch, bis ihre Kinder im Internat waren.

Die Deutsche ging als erste Investmentbankerin in London mit Laptop in Teilzeit
Ihre Vorgesetzten zollten Stheeman dafür Respekt: „Wenn sie das alles schafft, ist sie tough.“ 2007 stieg die Deutsche bei Morgan Stanley bis zum Rang eines Chief Operating Officers (COO) auf.
Sechs Jahre später wechselte sie zu Lasalle Investment Management und wurde dort COO mit weltweiter Verantwortung für 700 Mitarbeiter und einem Geschäftsvolumen von etwa 50 Milliarden Euro. 2019 wurde Stheeman von der Bank of England als externes Mitglied ins Financial Policy Committee berufen.
Bestens ausgebildeten Frauen einen ähnlichen Aufstieg bis in die Chefetage zu ermöglichen, darum bemüht sich die britische Wirtschaft seit Jahren sehr stark – mit Erfolg. Der aktuelle Hampton-Alexander-Report, eine unabhängige Untersuchung der 350 größten börsennotierten Konzerne Großbritanniens, belegt: Frauen besetzen inzwischen mehr als ein Drittel aller Vorstandsämter auf der Insel.
Dazu beigetragen hat neben der gesetzlich vorgeschriebenen Gehältertransparenz auch die umfassende Kinderbetreuung im Königreich: Versierte Kindermädchen, private Ganztagsschulen für Kinder ab vier Jahren und exklusive Internate stehen Eltern mit dem entsprechenden Einkommen zur Verfügung.
Die deutsche Managerin Stheeman leistete sich all das gern, auch wenn dies am Anfang ihrer Karriere bedeutete, dass sie mehr für Kinderbetreuung bezahlte, als sie damals verdiente. Für die inzwischen 57-Jährige war das vor allem „ein sinnvolles Investment in die Ausbildung meiner Söhne“.
Auch heute noch lockt der Ruf der internationalen Wirtschafts- und Finanzwelt Talente von überall nach England. Doch Headhunterin von Bismarck schränkt ein: „Ob Großbritannien, speziell London, nach dem EU-Austritt attraktiv für weiblichen Führungskräftenachwuchs aus Deutschland bleibt, muss sich erst noch zeigen.“
Papa-Dag und Homeoffice für mehr Privatleben
Strategischer ging es da die frühere Marketingmanagerin Anna Handschuh aus Freiburg bei der Standortwahl an. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Architekten, stellte sie eine Länderliste auf, wo es für sie beide am besten in Sachen Karriere mit Kind aussieht. Dabei berücksichtigten sie Sprachkenntnisse, kulturelle Vorlieben und staatliche Rahmenbedingungen – und entschieden sich für die Niederlande.
Was Handschuh und ihren Mann besonders überzeugte: Der Staat finanziert in Holland eine Babypause von zweieinhalb Monaten für Mütter, danach ist die Kinderbetreuung von der Krippe bis zur ersten Klasse an jeweils vier Tagen pro Woche gesichert. Ergänzend gibt es noch den „Papa-Dag“, an dem sich vor allem junge Väter traditionell meist halbtags um die Familie kümmern. Dazu setzen sie flexibel insgesamt 26 Wochen Elternurlaub ein.

Die Marketingmanagerin aus Freiburg zog in die Niederlande, um Kind und Karriere besser miteinander vereinbaren zu können.
Fürs Homeoffice brauchen die pragmatischen Holländer kein Gesetz. Hauptsache, die Leistung stimmt. Und Meetings am späten Nachmittag sind verpönt – spätestens ab 17 Uhr ist wieder Familienzeit.
Das alles überzeugte das Paar, das mittlerweile zwei kleine Kinder hat. 2015 zogen die beiden um. Inzwischen hat sich Handschuh als Unternehmensberaterin selbstständig gemacht und unterrichtet nebenbei noch an der Uni Rotterdam – auf Niederländisch.
Eine neue Sprache lernen und sich mit Mitte 30 in einem fremden Land etablieren – das sei einfacher gewesen, „als weiter gegen die Macho-Mauer in Deutschland anzurennen“, sagt Handschuh. Ein Satz, der 2021 nicht weniger bitter klingt als Ende der 90er-Jahre.
Mehr: Mächtig weiblich - Frauennetzwerke legen in der Pandemie zu
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das ist doch UNsinn. Wenn eine Frau qualifiziert ist, bekommt sie den Job. Ich wehre mich aber dagegen, wenn Quotenfrauen einen Job bekommen, die nicht qualifiziert sind, das sieht
man in der Politik - Frau Schulze, Frau Gefey, Frau von der Leyen, Frau Dr. Merkel, Frau Lammert
Nehmen wir einmal die Quote, danach muss den Vorstandsposten eine Frau bekommen; allerdings ist der Mann besser qualifiziert und dann? Gerichtsentscheidung?????? Außerdem verstößt das gegen den Gleichheitsgrundsatz. Übrigens, so wird die deutsche Industrie zugrundegerichtet; stimmt nicht, das hat Frau Dr. Merkel schon besorgt und DDR 2.0 eingeführt.