Der moderne Mann Das Sozialprestige von Computerviren

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Herr K. möchte einen Trojaner. Alle haben jetzt einen. Sogar die Kanzlerin. Obwohl es bei ihr ja nur ein Computervirus war. Das ginge aber auch. Herr K. ist gern bereit, gewisse Konzessionen zu machen. Hauptsache was Schädliches, denn das scheint ihm Indiz einer gewissen eigenen Bedeutung zu sein. So wie einst eine Einladung zur „Ice Bucket Challenge“.
Die älteren unter den Lesern werden sich noch dunkel erinnern: Vor einiger Zeit forderte sich die Geld- und Infoelite gegenseitig dazu auf, sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf zu schütten und zugleich finanziell die Erforschung irgendeiner Krankheit zu unterstützen, deren Name Herr K. längst vergessen hat. Es ging nicht um die Krankheit. Es ging darum, dass wichtige Menschen ihre Wichtigkeit mit etwas Unwichtigem wie einem Eimer Wasser samt Charity-Klimbim unterstrichen.
Herr K. hat nie eine Einladung zur „Ice Bucket Challenge“ bekommen. Und er hatte noch nie einen Computervirus. Beide sind für ihre schnelle Ausbreitung bekannt – und letztlich Indizien eines gewissen Sozialprestiges. Russische Hacker greifen ja wohl kaum Krethi und Plethi an, bei denen allenfalls mallorquinische Urlaubsfotos die Festplatte blockieren. Berger aus dem Marketing zum Beispiel stürzte neulich mit seinem Laptop zur IT-Abteilung, weil er gehofft hatte, auch endlich ein richtiges Virus zu haben. Am besten was exotisch Irreparables vom iranischen Geheimdienst oder der NSA. Es war aber nur die Batterie kaputt.
„Wie kann man sich vor diesen Viren denn schützen?“, fragte Herr K. sehr unschuldig den IT-Mann, der übrigens genauso aussieht wie die Jungs aus der Informatik-AG seiner Schulzeit, nur eben 25 Jahre älter. Man hat den Eindruck, dass sich die Programme seither weit komplexer entwickelt haben als die Menschen, die damit ihr Geld verdienen. „Einfach nix aus dem Netz laden“, kam die Antwort des Mannes, der Ingo heißt und wieder bei seiner Mutter wohnt, aber das ist eine andere Geschichte.
Herr K. downloadete daraufhin alles, was im Internet an einigermaßen Verdächtigem zu finden war. Mehrfach suchte er via Google nach Stichworten wie „Al Qaida“, „Cockpittüren“ und „Wasserstoffperoxid“. Er kramte in seinem Spam-Ordner all die Mails von Herrn Wu oder Mister John hervor, die noch eine Milliardenerbschaft in Hongkong beziehungsweise Ouagadougou für ihn verwahrten. Jedem „Bankangestellten“, der unbedingt Herrn K.s Kontodaten samt Passwörter einforderte im Namen von Instituten, deren Kunde er nie war, schickte er weitschweifige Antworten mit lustigen Zahlenfolgen als Appetizer. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis das Bundeskriminalamt oder gleich die CIA durch sein Bürofenster geflogen käme.
Und ausgerechnet in diesem Moment stolpert Herrn K.s Sekretärin über sein Laptop-Kabel und reißt das Gerät zu Boden. Es sieht danach nicht mehr so aus, als stelle es noch irgendeine Gefahr da. Herr K. war so nah dran am Ruhm … so nah.
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern.
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