Der moderne Mann Ein Influencer in der Familie

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Vor einiger Zeit sagte Herrn K.s Sohn, wenn er mal groß sei, werde er Influencer. Ja gut, dachte Herr K. Der Junge wollte früher schließlich auch schon Eminem werden, Bunsenbrenner und Rasensprenger.
Aber dann sitzen sie beim Abendbrot, als plötzlich das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist eine Frau Xi, die sich als Spokesperson der Event-Unit eines multinationalen Entertainmentkonzerns aus Hongkong vorstellt.
Und um das hier nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Sie bietet seinem Sohn eine dreiwöchige Südostasientournee an mit Beteiligung an den Gesamtumsätzen in Höhe von 3,8 Prozent, Launch einer eigenen Herrenkosmetikserie und einen Gastauftritt an der Seite von Michelle Yeoh in der chinesischen Ausgabe von „Jeopardy“ sowie eine eigens gecharterte Gulfstream, die ihn am Ende auch wieder zurück nach Deutschland bringe. Natürlich gemeinsam mit seinen Erziehungsberechtigten und Freunden.
Herr K. hört Frau Xi zu, schaut seinen Sohn an, der vor ihm am Abendbrottisch kauert und bittet um fünf Minuten Bedenkzeit. „Tja, öfter mal mit den Kindern reden“, bricht seine 16-jährige Tochter das Schweigen. „Dein Sohn hat einen eigenen Youtube-Kanal mit 4,5 Millionen Abonnenten und 3,4 Millionen Followern auf Twitter – und als was?!“ Jetzt schaut sie sehr vorwurfsvoll in die Runde: „Als Profi in Sachen Killerspiele.“
„So kannst du das auch nicht sagen“, mischt sich jetzt Herrn K.s Frau ein: „Egoshooter sind auch eine Kunstform. Und es gibt da draußen jede Menge junger Menschen, denen dein Bruder unter dem Pseudonym ‚Warlord of Krefeld‘ eine menschlich bedeutsame Unterstützung sein kann mit seinem Fachwissen.“ Darauf Herr K. wieder: „Wieso Krefeld? Wir wohnen doch in ... und vor allem: Wusstest du von dem ganzen Influencer-Kram?“
Sie rollt mit den Augen: „Irgendwer musste ja wohl mit den sozialen Netzwerken die Werbedeals verhandeln und das Geld für die spätere Ausbildung unseres Sohnes anlegen, der übrigens freundlicherweise auch unseren letzten Italien-Urlaub finanziert hat. Vom restlichen Geld haben wir uns an innerstädtischen Apartment-Anlagen in Berlin-Mitte und Grömitz an der Ostsee beteiligt.“
„Ich soll dieser Frau Xi also zusagen, wenn sie gleich wieder anruft?“, fragt Herr K. „Klar“, sagt seine Frau. „Nee“, meint sein Sohn. „Waaas?“, fragen jetzt alle. „Ich hab‘ einfach keinen Bock mehr“, sagt der Sechsjährige. Wie schnell man heute ein globaler Star sein kann, denkt sich Herr K. ... und wie schnell auch wieder weg.
In diesem Moment klingelt das Telefon. Es ist Frau Xi, die es noch mit einem steuerfreien 50.000-Dollar-Bonus versucht. Sein Sohn brauche einfach eine Auszeit von seiner Rolle als „Warlord of Krefeld“, erklärt Herr K., worauf Frau Xi antwortet: „Bin ich da nicht bei ‚Lasse The Slayer?‘“ „Nee, das ist ein Achtklässler aus der Nähe von Chemnitz“, ruft sein Sohn von hinten rein. So endet das Telefonat.
Herrn K. fällt jetzt auch nichts Besseres ein als: „Will jemand irgendwas spielen?“ „Au jaaa, ‚Siedler von Catan‘“, kräht sein Sohn.
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt’s auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK
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