Der moderne Mann Flamenco in der Firmen-Kita

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Das Befremdlichste an deutschen Urlaubern ist im Jahr 2016 nicht mehr ihr Ferienverhalten im Ausland. Man erkennt sie ja am ehesten daran, dass sie nicht erkannt werden wollen. Weit bizarrer ist, was sie am Ende mit nach Hause bringen. Und damit sind weder unverzolltes Elfenbein noch nässender Hautausschlag gemeint. Es geht eher um komische Angewohnheiten, die aus dem Gastland importiert werden.
Vielleicht war Herr K.s Vorstandschef vor Jahren der Erste. Der alte Reschke ließ sich aus einer nostalgischen Aufwallung heraus nach einem Toskana-Aufenthalt gleich so ein Landhaus in Natursteinoptik bauen und versucht seither, eine Olivenzucht aufzuziehen. Innerhalb weniger Jahre haben die Toskana-Reminiszenzen jeden zweiten deutschen Villen-Vorort verschandelt.
Schlimmer noch ist das Didgeridoo, das der jüngste Abteilungsspross Lasse vom Bagpacking aus Australien mitgebracht hat. Das brummende Geknödel untermalt neuerdings oft Herrn K.s Mittagspause. Und Frau Stibbenbrook aus der Rechtsabteilung kam aus dem Spanienurlaub derart beseelt zurück, dass sie ihr neuerworbenes Flamenco-Fachwissen gleich mit der gesamten Firma teilen wollte. Herr K. sieht es neuerdings abends beim Nachhausefahren, wie sie - verkleidet als eine Art VHS-Carmen - in den Räumen der Betriebs-Kita den Rhythmus auf Spanisch vorzählt. Es sieht leider nicht mehr so feurig aus, wie es in Frau Stibbenbrooks Urlaubs-Workshop sicher auch schon nicht war. "Qualen nach Zahlen für Grobmotoriker", ätzt Koslowski, der sich aber jede Kritik an seiner neuen Frankophilie verbittet.
Er war mit einem Hausboot auf der Loire unterwegs und kommt nun bei Wind und Wetter mit einer Baskenmütze ins Büro. Auf dem Firmengelände will er demnächst einen Bouleplatz anlegen. Das Go des Betriebsrats hat er bereits. "Boule! Ausgerechnet Koslowski aus dem Controlling, der das Savoir-vivre eines Handstaubsaugers hat!", empört sich Herr K. abends bei seiner Frau.
"Ich kapier das alles nicht mehr", platzt es aus ihm raus: "Wir Deutschen sind nicht lässig, sondern hölzern und ein bisschen mürrisch. Das ist unser Unique Selling Point. Das sind unsere ureigensten Exportstärken. Dieses Misstrauen richtet sich sogar gegen unsere eigenen Talente, was uns technologisch zugleich immer besser macht. Wo soll das denn enden, wenn wir jetzt auch noch die besseren Franzosen oder Brasilianer sein wollen?"
"Ja, Schatz", sagt seine Frau abwesend, "wir Deutschen haben‘s nicht leicht. Aber ich muss jetzt zu Irene ... wir machen Chutneys."
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK
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